„Die hauptsächliche Währung in der Evolutionsbiologie ist die Reproduktion“, sagt Frank Zachos, Leiter der Säugetiersammlung im Naturhistorischen Museum Wien, und verweist mit Charles Darwin auf die Bedeutung der besseren Anpassung für den Fortpflanzungserfolg. Dabei berichtete bereits Aristoteles um 300 v. Chr. von Hyänen, die sich ohne Kinderwunsch paarten. Aktuell liegen Belege für mehr als 1.500 Spezies vor, bei denen „same-sex sexual behavior“ aufgefallen ist; SSB also.
"Sexualverhalten ist vielfältig"
„Die Begriffe hetero-, homo- oder bisexuell dienen dem Menschen zur Selbstidentifikation. Sie beschreiben primär eine Neigung. Sexualverhalten ist aber vielfältig und lässt sich nicht so einfach in Schubladen stecken“, differenziert Zachos. Was die Häufigkeit von gleichgeschlechtlichem Sexualverhalten betrifft, gibt der Zoologe die Tücken der Tierforschung zu bedenken. Nicht immer ist in der Wildnis zu erkennen, welche Individuen etwas am Laufen haben, nicht überall kommen die Objekte der Begierde vor den Forschenden zur Sache.
Jose Gomez u. a. verallgemeinern aus ihren Daten jedenfalls, dass Gelegenheit Liebe macht. Bei sozial lebenden Arten verkehren Männchen öfter mit Männchen und Weibchen öfter mit Weibchen, als das Einzelgänger tun. Gleichgeschlechtliches Balzen und Paaren tragen demnach dazu bei, „Bindungen und Allianzen zu bilden und die Versöhnung nach gruppeninternen Konflikten zu erleichtern“, schreiben die Autoren.
Männchen wie Weibchen betreiben SSB
Zudem fanden sie heraus, dass bei gut der Hälfte der erfassten Arten sowohl Männchen als auch Weibchen SSB betreiben. Die Hypothese, dass die Herrn der Schöpfung eher same-sex Sex praktizieren, um in der Rangfolge oben auf zu sein, bestätigte ihre Auswertung nicht. Die Studie freilich räumt unbeantwortete Fragen ein.
Für die SSB-Rhesusaffen sah das Imperial Collage übrigens gleichermaßen evolutionäre Vorteile: „Männchen, die sich gegenseitig bestiegen, waren eher bereit, einander bei Konflikten zu unterstützen.“ Die Bisexuellen wiederum konnten ihre Gene besser verteilen, da sie durch die Verbrüderung zuvor keinen Stress mit Konkurrenten hatten.
„Wir gehen immer davon aus, dass Sex wegen der Fortpflanzung hetero sein muss“, bemängelt Zachos.
Dabei könnten sich sexuelle Aktivitäten evolutionär auch anders entwickelt haben – Bewährtes eben mit Steherqualität.
Was Tierarten treiben: Same-sex Sex gibt es quer durch alle Gruppen
Tierischer same-sex Sex ist ein Ergebnis der Evolution. Er zieht sich quer durch alle Gruppen. Für manche Spezies ist bereits klar belegt, dass das gleichgeschlechtliche Verhalten Vorteile bringt, und dass es – siehe Hirnstrommessungen – Spaß macht.
Beispiele von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Insekten
Besonders häufig konnte gleichgeschlechtlicher Sex bei nicht-menschlichen Primaten beobachtet werden. Aber auch von Hausschafen ist bekannt, dass knapp zehn Prozent der Böcke – wenn möglich – männliche Partner bevorzugen. Große Tümmler-Weibchen wiederum stecken die Schnauze in die Genitalöffnung eines anderen Delfin-Weibchens und schwimmen sanft vorwärts.
Bei Trauerschwänen wird geschätzt, dass rund ein Viertel der Paarungen zwischen Männchen stattfindet. Auch Stockenten fliegen häufig auf das gleiche Geschlecht.
Rennechsen sind zur Jungfernzeugung fähig. Weibchen mit wenig Östrogen halten sich an Weibchen mit viel Östrogen, Männchen brauchen sie für die Fortpflanzung nicht. Das trifft auch auf bestimmte Geckos zu.
Männchen verschiedener Libellen-Arten fügen ihren Partnerinnen während der Paarung Schäden am Kopf zu. Die vielen Männchen mit eben diesen Verletzungen lassen auf zahlreiche gleichgeschlechtliche Akte schließen.
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