Gewesslers Straßenbau-Stopp sorgt für Unverständnis bis Wut
Jetzt hat sie es schon wieder getan: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) erteilt dem nächsten Straßenbauprogramm eine Absage. Und das offenbar, ohne vorher mit den betroffenen Ländern Rücksprache gehalten zu haben.
Doch der Reihe nach: Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass das Klimaministerium die Planung für die Klagenfurter Schnellstraße S 37 stoppt. Der Lückenschluss bei der Murtal Schnellstraße S36 kommt zwar, nicht aber das Verbindungsstück der S36 mit der S37.
Egal, wen man nach Bekanntwerden in der Kärntner Regierung kontaktierte, die Reaktionen ähnelten sich: „Das höre ich zum ersten Mal“, „Wir wurden inoffiziell erst heute informiert“, „Die Frau Bundesminister kennt offenbar ihr Straßennetz nicht“.
Verwirrung um Straßen-Bezeichnung
Richtig ist, dass die S37 von Klagenfurt bis St. Veit Nord verläuft, dort endet und von St. Veit Nord bis zur Landesgrenze die B317 verläuft. Und genau diese B317, die das Klimaministerium kurzerhand zur S37 erklärte, lässt nun die Wogen hochgehen. Denn der Sicherheitsausbau der S37 im Abschnitt zwischen St. Veit Nord und Süd wird wie geplant 2022 starten. Den weiteren, von der Asfinag geplanten Ausbau der B317 lässt die Ministerin hingegen einstellen.
"Parteipolitik vor Verkehrssicherheit"
Was aus Sicht des zuständigen Kärntner Straßenbaureferenten Martin Gruber (ÖVP) nicht nachvollziehbar ist. „Es wurde von der Ministerin kein fachliches Argument dafür genannt. Hier wird Parteipolitik vor Verkehrssicherheit gestellt“, sagt Gruber.
An dem Plan, in einem ersten Abschnitt der B317, zwischen Hirt und Friesach, ab 2022 eine „2+1“-Zwischenlösung umzusetzen, hält Gruber somit weiter fest. Denn bei der B317 sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Ich werde weiter dafür kämpfen, dass die bereits gestarteten Planungen für die B317 wiederaufgenommen werden. Der gesamte Abschnitt ist gemäß Anlage des Bundesstraßengesetzes sowie per Verordnung des Verkehrsministeriums ausgewiesenes Bundesstraßenplanungsgebiet. Damit haben Bund und ASFINAG hier eine klare Verantwortung, für Verkehrssicherheit zu sorgen. Ich werde nicht akzeptieren, dass die Interessen der Pendler, der Anrainer, der Wirtschaft und der gesamten Region Mittelkärnten hier einfach ignoriert werden“, betont der Straßenbaureferent
Die Aufregung um Straßenbauprojekte hatte bereits im Sommer ihren Ausgang genommen. Damals hatte Gewessler der ASFINAG den Auftrag erteilte, alle großen Bauprogramme zu evaluieren.
Projekte, die teilweise vor vielen Jahrzehnten geplant worden sind, sollten nun insofern überprüft werden, ob sie noch „im Einklang mit dem Regierungsprogramm“ seien, „insbesondere die Auswirkungen auf den Klimaschutz und auf den rasant steigenden Bodenverbrauch“, so das Ministerium. Betroffen sind alle Straßen, die sich noch nicht im Bau befinden. Darunter die S1 samt Lobautunnel in Wien oder die Marchfelder Schnellstraße S8 von Wien nach Bratislava.
"Klimakrise und enormer Bodenverbrauch"
Der Baustopp in Kärnten wird von Wien aus so argumentiert: Die Planungen zur S37 zwischen Scheifling (in der Steiermark) und Sankt Veit Nord (in Kärnten) seien „vor über 15 Jahren aufgenommen“ worden. Seither hätten sich „neben einer veränderten Verkehrsentwicklung auch die Klimakrise und der enorme Bodenverbrauch weiter verschärft“. Die aktuelle Evaluierung durch das Klimaschutzministerium komme daher zu einem „deutlichen Ergebnis. Ein Bau der ca. 50 Kilometer langen Autobahn würde mehr Verkehr anlocken und damit eine neue Transitroute in Kärnten schaffen. Das wäre besonders für die Anrainer:innen eine enorme zusätzliche Lärm- und Schadstoffbelastung.“
Darüber hinaus verlaufe die geplante Trasse der S37 in einem für den Straßenbau höchst schwierigen Gebiet. Eine lange Bauzeit sowie hohe Baukosten seien zusätzliche Faktoren, die gegen den Bau sprechen. „Der weitreichende Neubau der S37 wird darum nicht weiterverfolgt.“
Das Klimaschutzministerium werde stattdessen gemeinsam mit den beiden Bundesländern Alternativen prüfen, um Menschen vor Ort zu entlasten, anstatt die Verkehrsbelastung noch weiter zu erhöhen.
Steiermark - Protest der Opposition
Die steirische Landesregierung hält sich – vorerst - zurück, was Anmerkungen oder gar Kritik an Leonore Gewesslers Plänen betrifft. Immerhin, der Lückenschluss der S 36 in der Obersteiermark kommt, die noch fehlenden zwölf Kilometer zwischen Judenburg und St. Georgen werden gebaut oder vielmehr: Die Straße wird ausgebaut. Allerdings abgespeckt: Statt eines Pannenstreifens kommen Pannenbuchten, das spart Boden, dass Tempolimit wird dann 100 km/h (statt wie bisher auf der S 36 130 km/h) betragen.
Ärger über zweispurige A9
Aber weiter südlich im Bundesland regt sich dann doch Ärger: Gewessler stoppte nämlich die geplante Erweiterung der A 9 südlich von Graz bis Wildon auf drei Fahrspuren, zur Zeit gibt es dort zwei. Statt dessen erinnert die Ministerin daran, dass die Koralmbahn eben schon auf Schiene sei: Bis 2025 soll der sogenannte „Flughafenast“ – so zweigleisig ausgebaut sein.
Doch das Aus für eine dreispurige A 9 südlich der Landeshauptstadt weckt Unmut. So deponierte SPÖ-Nationalratsabgeordneter Josef Muchitsch, dass dies „eine Pflanzerei“ sei: „Da quälen sich jeden Tag Tausende Pendler von Spielfeld bis Graz – und in Wien wird einfach die Stopptaste gedrückt. Da stecken Menschen - Steuerzahler - jeden Tag auf dem Weg in die Arbeit im Stau dann dieser Schlag ins Gesicht seitens der Regierung.“
Die FPÖ spricht gar von einer „infrastrukturpolitischen Katastrophe“: Die grüne Verkehrsministerin verfolgt einen steiermarkfeindlichen Kurs“, kritisiert Stefan Hermann, FPÖ-Klubobmann im Landtag. Es stehe fest, dass die Ministerin „niemanden zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewegen wird, sondern vielmehr die Sicherheit vieler Steirer gefährdet.“ Und dies unter „dem Vorwand einer absurden Klimahysterie“.
"Wirtschaftspolitische Geisterfahrt"
Auch der Präsident der steirischen Wirtschaftskammer, Josef Herk, rügt das Aus für die dritte A 9-Spur heftig: „Das ist wirtschaftspolitische Geisterfahrt, die auf einer völlig intransparenten Entscheidungsgrundlage beruht.“ Der Ausbau sei vor drei Jahren von der ASFINAG als „beste Lösung“ im Zuge einer Machbarkeitsanalyse ausgewiesen worden. Auch aus ökologischer Sicht ist der Ausbau der A9 notwendig, hielt Herk fest: Andernfalls sei aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens mit einer weiteren massiven Stauzunahme und damit mit einer zusätzlichen Umwelt- und Klimabelastung zu rechnen. Die ASFINAG kalkuliert bis 2035 abschnittsweise mit bis zu 92.000 Kfz pro Tag in dem Abschnitt. „Die Idee, mittels öffentlicher Verkehrsangebote zu kompensieren, ist schlichtweg realitätsfern. Es ist vielmehr ein verkehrspolitischer Knieschuss“, kommentiert Herk.
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