Gewaltschutz: Gesundes Raufen mit Regeln
Vier von Männern ermordete Frauen in den ersten zwei Wochen des Jahres haben die Diskussion über gewalttätige Männer angefacht. Gibt es Wege, Gewalttaten frühzeitig entgegenzuwirken? Der KURIER hat sich mit dem Salzburger Schauspieler und Anti-Gewalt-Trainer Gerhard Greiner über mögliche Ansätze unterhalten.
KURIER: Sie arbeiten seit zehn Jahren als Anti-Gewalt-Trainer. Hat sich das Aggressionspotenzial bei jungen Männern in dieser Zeit verändert?
Gerhard Greiner: Einen gewissen Testosteronspiegel haben junge Männer in einem gewissen Alter sowieso. Was dazu kommt, ist der kulturelle Hintergrund und die Sozialisierung, die sie genossen haben. Es ist ein Unterschied, ob man in einer Neuen Mittelschule einen Workshop macht oder in einem Gymnasium.
Wie läuft ein Anti-Gewalt-Training ab?
Der erste Teil ist ein Schlagfertigkeitstraining. Wie reagiert man auf Beleidigungen? Muss ich gleich zuschlagen oder kann ich dem verbal auch etwas entgegenstellen. Es geht darum, dass man sich schon auf sprachlicher Ebene gut behaupten kann. Erst wenn die sprachlichen Mechanismen versagen, gibt es Notwehr.
Geht es dabei auch um Konflikte zwischen Mann und Frau?
Eher weniger. Es geht um Konflikte der Burschen untereinander. Wobei bei so einem Workshop schon ersichtlich wird, welches Frauenbild manche Burschen haben. Da gibt es statt dem Wort Mädchen oder Frau nur abwertende Begriffe. Bei der Sprache kommt heraus, wie man denkt.
Wenn man ständig abwertend spricht, kann das auch die Schwelle zur Tat senken?
Wenn in einer Gruppe andauernd nur abwertend und sexualisiert über Frauen gesprochen wird, dann macht das mit den einzelnen Mitgliedern schon etwas. Die werden in einer Beziehungsstreitsituation anders reagieren, als jene aus einer Gruppe, wo das nicht Usus ist.
Bei einem Anti-Gewalt-Training an der Schule sind wir weit weg von einer schweren Straftat. Kann man in diesem Bereich schon ansetzen, dass man die Wahrscheinlichkeit für so eine Tat in Zukunft verringert?
Das weiß ich nicht, das müsste man untersuchen. Fakt ist: Wenn ich in den Schulen bin, habe ich einen dreistündigen Workshop mit den Jungs. Ich kann nicht zaubern. Eigentlich müsste man kontinuierlich mit den Jugendlichen arbeiten.
Muss man sich stärker um die Männer und ihre Emotionen kümmern, um die Frauen zu schützen?
Klar, das muss der Ansatz sein. Ich habe das Gefühl, dass in den Schulen sehr viel mehr Lehrerinnen als Lehrer sind. Für die Burschen gibt es relativ wenig Raum, einfach Bursch zu sein. Ich lasse sie beim Notwehrtraining oft Raufen mit Regeln. Die Burschen raufen und kämpfen in einem gewissen Alter so gerne, aber das dürfen sie nicht. Für eine gesunde Rangelei mit Regeln ist relativ wenig Platz.
Braucht es dafür mehr Raum?
Ich denke schon. In meinen Trainings lasse ich die Burschen oft Armdrücken oder Finger-Hacklziehen. Das taugt ihnen voll, egal welchen Hintergrund sie haben. Aber im Schulsystem ist dafür kein Platz. Wenn man mehr Workshops machen würde, ist immer die Frage, wem man die Stunden wegnimmt.
Wie regelmäßig bräuchte es solche Workshops, damit das langfristige Auswirkungen hat?
Wenn man eine Gruppe hat, wo man merkt, dass Handlungsbedarf ist, würde es schon alle zwei Wochen Sinn machen.
Sollte man den jungen Männern auch lernen, dass sie verletzlich sein dürfen?
Was passiert, wenn ich als Sozialpädagoge in eine Gruppe 14-Jähriger gehe und ihnen sage, sie sollen auch schwach sein? Sie sagen innerhalb von zehn Sekunden, „Du Loser rede ruhig, das brauchen wir nicht“. Wenn man keine tragfähige Beziehung in dem Workshop aufbauen kann, dann geht nichts. Man muss die Jugendlichen dort abholen, wo sie sind.
Kann man auch auf Konflikte zwischen den Geschlechtern eingehen, die mit Ehre oder Zurückweisungen zu tun haben?
Sicher, das sind Ursachen für Gewalt. Aber das sind langfristige Prozesse. Mit einem Workshop kann man Ansätze geben, aber wichtig wäre, dass so etwas über einen längeren Zeitraum und konstant passiert.
Kann man lernen, eine Zurückweisung zu akzeptieren?
Klar, das ist die Aufgabe. Meistens lernen Männer das sehr schnell und sehr gut, dass man nicht immer Erfolg haben kann mit seinen amourösen Ambitionen.
Nach den jüngsten Gewalttaten mit tatverdächtigen Asylwerbern hatten manche Politiker sehr schnell scheinbare Lösungen bei der Hand. Wie ist das in der Präventionsarbeit: Brauchen unterschiedliche kulturelle Hintergründe unterschiedliche Ansprachen und Methoden?
Ich habe aktuell ein Projekt mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund zum Thema Gleichberechtigung und Selbstbestimmung laufen. Bei diesem Projekt ist das Konzept so, dass sie jemanden haben, der aus ihrem kulturellen Hintergrund kommt, den Glauben und die Probleme kennt. Das zu kombinieren, wäre ein guter Weg.
Kommentare