Geschichten vom bösen Wolf: Waldviertler haben Angst
Man braucht das Thema „Wolf“ nur anzusprechen an der Schank eines Lokals in Langschlag im niederösterreichischen Waldviertel und schon heißt es „abschießen, die Viecher“. „Wer braucht die“ und „es hat einen Grund, warum sie schon einmal ausgerottet wurden“ – das sind die schärfsten Äußerungen der Gäste.
Nur wenige hundert Meter entfernt haben Wölfe in den Tagen davor sechs Schafe gerissen. Dass seit der Rückkehr der Raubtiere in Österreich und Deutschland noch kein Mensch zu Schaden kam, lässt hier niemand gelten. „Früher hat der Wolf sogar ein Kind aus dem Kinderwagen gestohlen. Das steht in der Pfarrchronik“, erzählt eine Kellnerin. Ob das nur ein „Märchen vom bösen Wolf“ ist oder vergangenes Jahrhundert tatsächlich passierte, weiß sie nicht. Zu gut passt die Geschichte in das Bild der Bewohnter in der betroffenen Region. Persönlich Angst zu haben, gibt kaum jemand zu. Aber man sorge sich um andere.
Hund als Begleiter
In einem Geschäft für Forstgerätschaften im selben Ort spricht Mitarbeiter und Nebenerwerbsbauer Siegfried Schübl ganz offen: „Wenn ich jetzt zum Stall nachsehen gehe, dann lieber mit dem Hund dabei.“ Vor gar nicht so langer Zeit habe er mit der Taschenlampe von seinem Hof zum nahe gelegenen Wald geleuchtet, weil sich sein Hund seltsam benahm, und zwei Augen blinken gesehen. Sein sechsjähriges Kind würde er nicht alleine am Waldrand spielen lassen. Eine Waffe hat er keine daheim. „Aber wenn was passiert, würde ich mir das überlegen“, sagt Schübl.
Stimmungswechsel
Bis vor wenigen Wochen war Karl Laister, Chef des Gesundheitshotels „Klosterberg“, gegen einen Abschuss des Wolfs. Seit den Rissen in unmittelbarer Nähe meint er, man solle nicht warten, bis Schlimmeres passiert. „Ich persönlich hab’ keine Angst, wenn ich einem Wolf begegne“, sagt er: „Und unsere Gäste sind bei geführten Wanderungen immer in der Gruppe unterwegs“. Auch in einem anderen Beherbergungsbetrieb in Langschlag hätten die Gäste keine große Angst. Allerdings: „Eine Familie hat gesagt, sie geht lieber nicht mehr wandern“, erzählt die Chefin.
Dass Tourismusbetriebe um das positive Image des Waldviertels besorgt seien und die Gäste Angst hätten, so wie es die Studie von Ex-Ministerin Sophie Karmasin zum Teil belegen will, sehen die Befragten nicht: „Bei unseren Gästen war der Wolf bisher kein Thema“, sagt Fritz Weber, Chef des Herzkreislaufzentrums Groß Gerungs, Bezirk Zwettl.
Ähnlich ist die Stimmung auf dem See-Campingplatz Ottenstein an der Grenze des Truppenübungsplatzes Allentsteig, auf dem ein Wolfsrudel leben. „Die sind für uns kein Problem. Wirkliche Sorgen machen mir die Wildschweine, die uns jedes Jahr die Wiese auf der Anlage umdrehen und bedrohlich nahe an uns heran kommen“, erzählen die Betreiber Anneliese und Franz Pusch. Auch die Gäste wirken entspannt. „Ich würde gerne einen Wolf sehen“, betont Leopoldine Schütz aus Neulengbach in NÖ, die mit ihrem Mann Franz und Sohn Werner ihren Campinganhänger auf eine der Terrassen gestellt hat. „Angst haben nur die Bauern, dass sie weniger verdienen“, meint Franz Schütz.
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