Gerhard Haderer zeichnet: Das Spiel mit den Skandalen
Was war da noch mal los? Wie endete diese eine Geschichte mit dem Laptop in der Wickeltasche? Und wie die mit dem Liederbuch mit den antisemitischen Texten?
Unser menschliches Gehirn ist ein gnädiger Apparat und hat die Eigenschaft, Positives präsenter abzuspeichern als Negatives. Das ist in den meisten Fällen hilfreich und sinnvoll. Wenn es um Politik geht und Wahlen anstehen, kann es aber durchaus nicht schaden, die Ereignisse der vergangenen Jahre Revue passieren zu lassen.
Genau das haben drei Haderers mit ihrem neuesten Coup vor: Denn jetzt gibt es in Österreich „Rememby“, ein Memory-Spiel der etwas anderen Art. Aber was ist das und wer könnte damit bestens unterhalten werden?
Scherz & Schund
Die prägnanten Zeichnungen mit Wiedererkennungswert stammen von Österreichs Karikatur-Koryphäe Gerhard Haderer. Idee, Umsetzung und die Texte im Booklet kommen von Christoph und Julia Haderer, Sohn und Schwiegertochter des Künstlers.
Die beiden sind mit ihrer „Scherz & Schundfabrik“ in der heimischen Karikatur- und Cartoonszene höchst aktiv, fungieren als Verlag für Zeichnerinnen und Zeichner, organisieren Wettbewerbe und Events, betreiben mit Gerhard Haderer zusammen die Schule des Ungehorsams, ein philosophisches, politisches und humanistisches Denklabor.
„Es ist unsere Intention, die Menschen daran zu erinnern, was denn in den vergangenen Jahren in Österreichs Innenpolitik los war“, sagt Christoph Haderer. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung knapp vor den EU-Wahlen ist bewusst gewählt.
36 Motive grasen ab, was die heimische Politlandschaft an Absurditäten zu bieten hatte. „Dabei haben wir natürlich versucht, alle Parteien zu berücksichtigen. Einige haben halt einfach mehr geliefert als andere“, schmunzelt Haderer junior.
Text & Bild
Nach der Skandal-Recherche begannen das Texten – Julia – und das Zeichnen – Gerhard. Der Prozess war ein fließender: Während der Überlegungen und Gespräche saß Gerhard Haderer schon am Papier und legte los. 1500 Stück des Spiels kommen in erster Auflage raus. Die Umsetzung und komplette Produktion übernahm das Wiener Familienunternehmen Piatnik. „Es war uns wichtig, dass wirklich alles in Österreich hergestellt wird.“
Rememby ist für Erwachsene hintergründig lustig, funktioniert auf anderer Ebene aber genauso für Kinder, „ein Gedächtnistraining für alle Altersgruppen“, lacht Christoph Haderer.
Die Erklärungen zu den Zeichnungen sind im Märchenstil verfasst, auch um Probleme zu vermeiden (siehe Beispiele unten): „Wir wollen keine verbrannte Erde hinterlassen und niemanden beleidigen, das Spiel soll unterhaltsam sein“, sagt Julia Haderer. Erste Reaktionen gibt es schon: SPÖ-Chef Andreas Babler zeigte sich bereits begeistert. Auch aus anderen politischen Richtungen gibt es, nicht offiziell, Applaus für Idee und Umsetzung.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Trio funktioniert friktionsfrei. „Wir haben alle gelernt, dass in einem Familienunternehmen die Bereiche klar geregelt sein müssen“, sagt Julia Haderer.
Sie und Christoph betreiben „Scherz & Schund“ seit 2008, leben und arbeiten also zusammen. Nach großer, auch internationaler Aufmerksamkeit 2023 soll es nächstes Jahr wieder einen Kaktus Cartoon Award geben.
„Wobei es in einigen Ländern aufgrund der politischen Gegebenheiten schwierig werden könnte, überhaupt mitzumachen“, befürchtet Julia Haderer. Zu einem gesellschaftspolitisch relevanten Thema – 2023 war es „Climate Change“ – werden Karikaturen und Zeichnungen aus aller Welt eingereicht und prämiert. Dabei geht es immer um die beste, kritischste, aufrüttelndste Idee und ihre Darstellung auf Papier.
Künstlich & kurios
Apropos Idee: Wie harmonieren denn Karikaturen mit Künstlicher Intelligenz? Da muss Christoph Haderer schmunzeln: „Dazu habe ich mittlerweile schon viel ausprobiert und kann sagen: Die KI hat das nicht drauf. Sie kann keine Karikatur.“ Der Witz, die Pointe, die Aussage, der Humor seien immer leicht daneben und dann eben nicht lustig.
Das menschliche Gehirn vergisst schnell, erinnert sich gerne und kreiert dafür dann Schmähs, die die Künstliche Intelligenz nicht versteht. Skandalös!
INFO
Rememby, von Gerhard Haderer, erschienen bei „Scherz & Schund“, produziert von Piatnik, erhältlich im Buchhandel und www.scherzundschund.at, 25 Euro.
Es waren einmal ... ein paar Polit-Aufreger
Vier Geschichten hinter vier Rememby-Karten:
Knabenchor
Es war einmal eine Gruppe brauner Männchen, die liebte das Singen. Sie hatten dicke, braune Liederbücher. Die Lieder darin waren gemein und gefährlich und wurden im Land der Männchen verboten. Die Männchen liebten die Geschichten in den Liedern aber so sehr, dass sie sie weitersangen. Eines Tages kam eine Richterin mit einer großen Schere, und sie mussten alle bösen Lieder herausschneiden.
Laptop in der Wickeltasche
In einem kleinen Land lebte ein türkises Männchen, das war ein guter Freund vom Anführer. Beim Spielen durfte es immer das Geld verwalten. Das Männchen hatte einen schicken Laptop, den hatte es richtig gern. Eines Tages warf man dem Männchen aber Bestechung vor, und es kamen viele Menschen, die sein ganzes Haus durchsuchten. Zum Glück hatte an jenem Tag die Frau des Männchens den heiß geliebten Laptop beim Spazieren in der Wickeltasche dabei. Somit ist ihm nichts passiert.
Bussi Bussi Chats
Es war einmal eine kleine Gruppe von Freunden, die hatten sich ganz lieb. Sie haben viel miteinander gespielt und teilten viele Geheimnisse, die sie nie jemandem verraten wollten. Die Freunde hatten einen Anführer, und weil der so viel bestimmen durfte, wollten alle mit ihm spielen. Ein Freund hatte ein Hobby: Er schrieb gerne viele geheime Briefe, auch an den Anführer. Dafür kriegte er fast alles, was er wollte.
Roter Schrebergärtner
Es war einmal ein Zwergenland, das fast zur Gänze zubetoniert war. Es gab dort viele Häuser, die standen Reih’ an Reih’. Doch da und dort gab es noch kleine Gärten, mit fein gepflegten Rasen und schön geschmückten Gartenhütten. Die Gärten waren bei den Zwergen sehr beliebt. So trug es sich zu, dass sich eines Tages ein Zwerg den Garten seiner Träume kaufte. Blöd, dass der Grund gleich danach umgewidmet wurde. Jetzt muss er dort ein großes Haus bauen.
Kommentare