Sinnvolle Symbiosen
Als „Wirtshauslabore“ wurden Projekte gestartet, die mehrere sinnvolle Faktoren vereinen. Erstens: Jugendliche aus Tourismus- und HLW-Schulen in Oberösterreich setzen in der Praxis um, was sie bisher in der Theorie gelernt haben: Sie eröffnen Gasthäuser in Bad Ischl und Gmunden. Zweitens: Orte, die seit Jahren ohne Nutzung waren, werden aufgeweckt, umgestaltet und somit erneut erlebbar gemacht.
Und das ist – drittens – wiederum ganz im Sinne der künstlerischen Leiterin des Kulturhauptstadtjahres, Elisabeth Schweeger. Immer wieder sprach und spricht die exaltierte Intendantin von der so wichtigen Rückeroberung und Neu-Erschließung des ländlichen Raums.
"Geiles Restaurant"
Das frühere Bahnhofsrestaurant „Chlumetzky“ musste von Grund auf renoviert werden. Jetzt heißt es „Genusslabor“, eröffnet am 17. Jänner und ist ein „geiles Restaurant“ geworden.
Wenn der exzentrische Wirt vom Siriuskogel, Christoph Held, davon erzählt, sprudelt er über: „Eigentlich hab ich sechs Mal abgelehnt, als die Anfrage dazu kam. Und jetzt ist es mein absolutes Lieblingsprojekt.“
18 Schülerinnen und Schüler der Tourismusschule Bad Ischl haben an Konzepten gefeilt, Ideen gesponnen und kommen jetzt in die Umsetzung: „Von mir gab es manchmal einen Grobschliff, aber prinzipiell haben sie es voll drauf, sind reflektiert, haben zum Teil ganz andere Ansätze als ich.“
Und: „Wir hatten bis dato noch keinen unguten Moment. Die Jugendlichen sind die einzigen in diesem Projekt, die mich nicht enttäuscht haben. Das kann ich von den involvierten Erwachsenen nicht sagen.“
Spannende Speisekarte
Auf der Speisekarte wird der Bogen zwischen Tradition und Moderne gespannt, preislich bewegt sich das Genusslabor in Ischl auf üblichem Wirtshausniveau, nur die Gerichte lesen sich teilweise anders. Gastronom Held erklärt: „Die klassische Frittatensuppe wollten die Jugendlichen zum Beispiel fresh interpretieren, deswegen kommen die Frittaten nicht fein geschnitten, sondern „z’rissn und einig’schmissn“ daher.“
40 Öffnungstage sind vorerst fix – „die Leute rennen uns die Türen ein“, im Sommer soll permanent aufgekocht werden.
Blick in die Zukunft
Und wie geht es dann mit dem Genusslabor weiter? „Dass ich es mit meinem Team bespielen werde, ist eine fixe Geschichte. Nur möchte ich erst den Raum kennenlernen und spüren, bevor ich entscheide, was konkret passiert“, sagt der 38-jährige Held. Dass er sich hier Nachwuchsgastronominnen und -gastronomen großziehe, sei durchaus möglich.
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„Die Schülerinnen und Schüler sind so unbefangen. Dass es in der Gastroszene in Österreich extrem holpert, ist zum Teil hausgemacht.“ Das beginne bei der Ausbildung – „zu elitär und nicht mehr zeitgemäß“ – und setze sich bei der Bezahlung fort: „Der Kellnernettolohn liegt derzeit bei 1450 Euro, dazu muss ich nichts mehr sagen.“ Er halte seine guten Leute seit Jahren mit zwei Methoden – emotionaler Bindung und fairer Entlohnung.
Was das „Genusslabor“ in Ischl, ist das einstige „Rosenkranz“ in Gmunden. Das seit Jahrzehnten geschlossene Wirtshaus erwacht unter der Ägide von Gastronom Jochen Neustifter von „Jo’s Restaurant und Partyservice“ in Vorchdorf und 32 Jugendlichen von zwei HLW-Klassen in Vöcklabruck aus dem Dornröschen-Schlaf. Der Profi sieht sich als Teamspieler. An je einem Wochenende im Monat zeigen Schülerinnen und Schüler ihre eigene Vorstellung vom Wirtshaus, das nach wie vor eines ist – ein sozialer Treffpunkt.
Würstl von "The Healthy Boyband"
Sie kochen, sie machen Kunst. Sie bezeichnen sich selbst als Koch-Kunstkollektiv. Sie sind exzentrisch, experimentierfreudig und passen in keine Schablone. Die Rede ist von „The Healthy Boyband“, deren drei Mitglieder bekannte Namen der österreichischen Gastroszene führen.
Boy 1 ist Lukas Mraz, der im Familienrestaurant „Mraz & Sohn“ im 20. Wiener Gemeindebezirk kocht. Wer dort einen Tisch reservieren will, sollte Monate im Voraus anfragen. Felix Schellhorn ist Boy 2, er leitet seit Kurzem das Restaurant und Hotel Seehof im Pongauer Goldegg, übernahm den Familienbetrieb von seinen Eltern Susi und Sepp Schellhorn. Und Boy Nummer 3 ist Philip Rachinger, Küchenchef und Mitinhaber des Mühltalhofs in Neufelden, Oberösterreich.
Das Trio passt perfekt zu einem der Ansprüche des Kulturhauptstadtjahres, Traditionen behutsam und liebevoll neu zu interpretieren. Am 27. Jänner kommt die Boyband deswegen nach Bad Ischl, und zwar mit der Hot Box, einem vom Linzer Künstler Clemens Bauder gestalteten Würstlstand der anderen Art. „Unser Sushi ist das Würstl“, sagt Felix Schellhorn. Deswegen werde das auch in allen möglichen Variationen kredenzt – nach dem japanischen Omakase-Konzept: Das bedeutet „Ich überlasse es Ihnen!“, sprich die Köche entscheiden, was der Gast auf dem Teller hat.
Was mit der Würstlstand-Installation nach 2024 passiert, weiß noch niemand: „Wir denken sicher nicht weiter als ein Jahr. Wir haben alle so viel um die Ohren“, sagt der 30-jährige Schellhorn. Es werde eine Nachnutzung geben.
Wer bei der Hot Box vorbeischauen mag, sollte sich schnell ein Ticket sichern, der Großteil ist schon vergriffen. Würstl, Kunst und die Kulturhauptstadt sind offensichtlich ein Magnet. Mahlzeit!
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