Ihr Ziel sind Migranten, Arbeitslose, Studierende und Geringverdiener: Kriminelle aus der ganzen Welt suchen nach sozial schwachen Personen, um mit ihnen, ohne dass sie es ahnen, Geldwäsche zu betreiben. Die Menschen werden zu "Geldeseln" gemacht – im Fachjargon auf Englisch: "Money Mules". Die häufigsten Zielpersonen sind Männer, besonders im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. "Insbesondere in der Corona-Zeit, wo der Arbeitsmarkt in gewissen Branchen eingebrochen ist, gibt es eine Häufung der Fälle", erklärt Bernhard Schafrath von der Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminalamtes (BK).
Wie sieht ein klassischer Fall dieser perfiden Masche aus? Eine Scheinfirma veröffentlicht ein Inserat auf einer Jobplattform oder in den sozialen Netzwerken und sucht "Finanzagenten" oder "Projektkoordinatoren". "Schnell online Geld verdienen" oder "von der Couch aus arbeiten" steht oft in diesen Fake-Inseraten. Die Bewerber schicken ihre Unterlagen per Mail und bekommen eine Nummer, mit der sie mit der Firma auf dem Messengerdienst Telegram in Kontakt treten sollen. Telegram deshalb, weil dort die Nachverfolgung der Kontakte schwierig ist.
Ohne dass Bewerbungsgespräche geführt oder der Nachweis von Ausbildungen oder Fachkenntnissen gefordert wird, werden nach ein paar Minuten bereits Aufträge vergeben. In weiterer Folge erhalten die Bewerber dann Geld, dass sie weiterleiten müssen. Offiziell heißt es, dass die fiktiven Firmen in Österreich noch nicht tätig sind oder die Firmenkonten noch nicht eingerichtet sind.
Unwissend glauben die Bewerber, dass sie einer Tätigkeit nachgehen. Das Geld, welches die Auftraggeber in den meisten Fällen mit Cyber-Delikten, Drogen- und Menschenhandel verdient haben, müssen die "Money Mules" zuerst in Kryptowährungen umtauschen. Danach wird das Geld auf weitere, anonyme Konten überwiesen. Als Gegenleistung bekommen die "Geldesel" zirka fünf Prozent Provision. Das Geld wird meistens über Plattformen wie Moneygram oder Western Union ausbezahlt.
Das Ziel dieser ganzen Verflechtungen ist es, die Geldflüsse so oft wie möglich zu unterbrechen, bis diese nicht mehr von der Polizei verfolgt werden können. Die Identität der Kriminellen lässt sich somit nunmehr schwer aufdecken. Geschnappt werden größtenteils nur die Money Mules. Die Auftraggeber bleiben verschollen.
Ermittlungen
Derzeit sind die Ermittler offenbar jedoch einer Gruppe von Auftraggebern auf der Spur. Von offizieller Seite hüllt man sich aus ermittlungstaktischen Gründen jedoch noch in Schweigen. BK-Mann Schafrath verrät zumindest so viel: "Wir kooperieren mit unseren Kollegen aus den Nachbarstaaten."
Das Vorgehen sieht wie folgt aus: Die Beamten analysieren, wie viel Geld auf welches Konto überwiesen wurde, wo es herkommt und irgendwann findet man das Land und die Quelle. "Ziel ist es, Geldströme aufzuzeichnen, darzustellen und nachzuweisen", sagt Schafrath.
Während in Österreich noch ermittelt wird, meldete zuletzt die europäische Polizeibehörde Europol einen Ermittlungserfolg: Die Operation EMMA 7 führte zu 1.803 Festnahmen und zur Identifizierung von über 18.000 Money Mules in 26 Ländern. In Österreich gab es keine Festnahmen, das Bundeskriminalamt beteiligte sich bei einer Sensibilisierungskampagne.
Im Jahr 2020 gab es laut dem BK insgesamt 191 "lupenreine" Money Mule-Fälle in Österreich. Zahlen aus dem vergangenen Jahr gibt es nicht, Schätzungen zufolge sind es mehr geworden.
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