Gekaufte Titel: Doktorwürde ab 20.000 Euro
Die nunmehrige Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher soll ihre akademischen Titel leichter bekommen haben als manch anderer. Vorsichtig ausgedrückt. Günstiger werden sie deshalb nicht gewesen sein.
„Es gibt Universitäten, wo es definitiv leichter ist, einen akademischen Titel zu erwerben. Ich will nicht behaupten, dass alles östlich vom Rennweg verdächtig ist. Aber es gibt Verdächtige. Und Geld spielt immer eine Rolle“, sagt Rechtsanwalt Hans René Laurer, Universitätsprofessor im Ruhestand.
Mit Plagiaten hat Laurer Erfahrung. Er gehörte einer Kommission an, die die Aberkennung von Titeln an der WU Wien prüfte. „Es wurde einfach von Arbeiten, die an einer anderen Uni eingereicht wurden, abgeschrieben. Statistisch ist zudem aufgefallen, dass manche Professoren eine zu hohe Zahl an Dissertationen und Diplomarbeiten approbiert haben.“
Plagiieren sei für manche Fächer einfach, insbesondere, wenn man in einer entlegenen Sprache schreibe. An der Uni Wien flog vor Jahrzehnten gar eine Habilitation auf. Es ging um russisch-chinesische Konflikte. „Von den Völkerrechtlern konnte niemand Chinesisch. Ein Sinologe ist draufgekommen, dass abgeschrieben wurde. Der Habilitationswillige durfte dann nichts mehr an der Uni Wien machen, aber er bekam ein politisch gefördertes Institut.“
Apropos Institut: Ein solches betreibt der gebürtige Sachse Peter Linnert in Wien mit dem„Studienzentrum Hohe Warte“. Dort führt er „Promotionsberatung“ durch, Plagiatsjäger Stefan Weber spricht von einer „rechtlichen Grauzone“: Kunden erhalten für bis zu 30.000 Euro akademische Grade von osteuropäischen Unis, ohne diese jemals besucht zu haben. Linnert will das im Gespräch mit dem KURIER so nicht stehen lassen: „Die Universitäten, mit denen wir zusammenarbeiten, sind seriös! Es wäre ja jeder dumm, der mehr als 20.000 Euro für ein Doktorat an einer nicht vertrauenswürdigen Universität hinblättert“, sagt Linnert, „Univ.-Prof. Dr.h.c. Dr. Rektor der Goethe Universität Bratislava“ (mittlerweile wegen „Mängeln im Studienprogramm“ geschlossen). Er versteht die Anschuldigungen nicht: „Wir tun nichts Unrechtes. Wir helfen Studenten, die hier keinen Doktorvater finden.“
Doch nicht nur ausländische Unis, auch das österreichische Privat-Uni-Wesen und so manche FH seien verdächtig, sagt Rechtsanwalt Laurer. „Fachhochschulen sind eine Einfallspforte. Sie können individuelle Anforderungen stellen. Das Universitätsgesetz und das Fachhochschulgesetz müssten ein Mindestmaß festlegen.“
Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im nö. Landtag, beobachtet die Fachhochschulen. Sie stimmt Laurer zu und präzisiert: „Die Qualität der Fachhochschulen muss so vergleichbar werden, dass es für jeden nachvollziehbar ist.“ Die FH Wiener Neustadt samt Zweigstelle in Wieselburg hätten offensichtlich ein Problem mit der Qualität. Dubios seien etwa die Prüfungsvorschriften: „Bei manchen mündlichen Prüfungen muss der Betreuer nicht dabei sein. Da fragt man sich, wie ernst man es mit dem Qualitätsmanagement meint.“
Wo gibt’s Titel?
„Wir arbeiten mit Bratislava und Riga, aber auch mit Polen und Ungarn zusammen. Das kommt auf das Thema an.“ Peter Linnert vom Studienzentrum Hohe Warte vermittelt Österreicher, die einen Doktortitel anstreben, an Universitäten in Osteuropa.
Fast geschenkt
Ab 20.000 Euro aufwärts kostet der Doktortitel beim Studienzentrum Hohe Warte in Wien.
Noch günstiger
Mehr anstrengen muss man sich, wenn man einen Titel an einer österreichischen Universität erwerben will. Helfen lassen kann man sich illegalerweise von einem Ghostwriter. Eine Masterarbeit von 100 Seiten kostet zwischen 7.000 und 9.000 Euro. Weil bisher nur Studenten mit Strafen rechnen mussten, hat sich das Gewerbe professionalisiert. Es gibt Agenturen, die ihre Dienste in zahlreichen Ländern anbieten und tausende Ghostwriter beschäftigen.
Wenig lukrativ
Für Lektoren und Professoren an der FH Wiener Neustadt (wo Christine Aschbacher ihren Magistertitel erwarb) ist es finanziell wenig attraktiv, eine Abschlussarbeit intensiv zu betreuen: „Für eine Bachelor-Arbeit erhält man vor Steuern 200 Euro, für eine Masterarbeit 400 Euro“, sagt Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen im niederösterreichischen Landtag. So mancher Handwerker würde für diesen Betrag wohl nicht einmal ein Werkzeug in die Hand nehmen.
Illegale Pfade
Wer den Titel ein bisserl günstiger und dennoch nicht ohne fremde Hilfe will, kann seine akademische Arbeit in die Hände eines Ghostwriters legen. Vorausgesetzt, man ist gewillt, den Pfad der Legalität zu verlassen. Zahlreiche Auftragsschreiber bieten ihre Dienstleistungen unverblümt im Internet an – Preisliste inklusive. Für eine Masterarbeit mit einem Umfang von 100 Seiten bewegen sich die Kosten zwischen 7.000 und 9.000 Euro. Zwar betonen die Anbieter, sie würden Studenten bei ihren wissenschaftlichen Texten lediglich „unterstützen“. Aber Anfragen an diverse Ghostwriter machen schnell klar: Die Arbeit wird komplett übernommen. So wird man nach Bekanntgabe eines groben Themas aufgefordert, die Bücher zur Literaturrecherche per Post zu schicken. Geliefert wird in Raten von jeweils ein paar dutzend Seiten – die dann sofort zu bezahlen sind.
Offizielle Anfragen des KURIER bleiben unbeantwortet, obwohl sich so mancher Agenturbetreiber in der Vergangenheit ganz offen zu Wort gemeldet hat. Das hat einen Grund: Die Novelle des Universitätsgesetzes verbietet künftig das Anbieten von Ghostwriting, Strafen bis zu 25.000 Euro sind möglich. Für gewerbliche Anbieter sind es sogar 60.000 Euro. Bis jetzt hatten lediglich Studenten mit Konsequenzen zu rechnen – wie die Suspendierung vom Studium und die Aberkennung des erschlichenen Titels. Doch auch die neuen gesetzlichen Bestimmungen werden dem akademischen Ghostwriting nicht gänzlich den Riegel vorschieben: Im Gegensatz zu Plagiaten ist die fremde Feder nämlich nur schwer zu erkennen.
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