Gegen die Spekulation: Wer nicht baut, wird enteignet

Im Westen Österreichs - etwa in Innsbruck - treiben Spekulanten die Preise in die Höhe
Käufer, die in Vorarlberg Grundstücke nur als Anlage erwerben, müssen künftig mit Zwangsversteigerung rechnen.

Der Traum vom eigenen Haus ist vermutlich in keinem anderen Bundesland so stark verwurzelt, wie in Vorarlberg. Nicht von ungefähr wird den Bewohnern nachgesagt, nach dem Motto „Schaffe, schaffe, Häusle bauen“ zu leben. Doch der Wunsch kann mit der Realität kaum noch Schritt halten. „Die Grundstückspreise sind in den vergangenen fünf bis sechs Jahren um 40 bis 50 Prozent gestiegen“, sagt Vorarlbergs Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser (ÖVP).

Der Hausbau sei für viele kaum noch leistbar. 500 bis 700 Euro kostet der Quadratmeter etwa in Lauterauch bei Bregenz, der Heimatgemeinde des für Raumplanung zuständigen Landespolitikers. „Wer kann schon 400.000 Euro allein für ein Grundstück ausgeben und dann noch einmal 400.000 Euro für den Hausbau“, sagt er.

Besonders dramatisch ist die Entwicklung, die natürlich auch den Bau von Wohnanlagen verteuert, im Ballungsraum zwischen Bregenz und Bludenz. Aber auch im ländlichen Raum liegen die Grundstückspreise bereits zwischen 200 bis 300 Euro pro Quadratmeter.

Kostenexplosion

Einer der Gründe für die Kostenexplosion ist das Wachstum Vorarlbergs und damit die gesteigerte Nachfrage nach Wohnfläche. Die Zahl der Einwohner hat sich in den vergangenen Jahren um 50.000 auf rund 390.000 erhöht, die Zahl der Haushalte um 40.000. Doch es gibt einen weiteren Preistreiber.

Und mit dem haben auch die westlichen Nachbarn Tirol und Salzburg – in denen Baugrund aufgrund der Topografie wie in Vorarlberg schon von Natur aus Mangelware ist–, aber auch die großen urbanen Zentren Österreichs zu kämpfen: Die Spekulation mit Boden – befeuert von den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. „Jeder der Geld hat, kauft Grundstücke und Wohnungen“, sagt Rüdisser.

Die schwarz-grüne Landesregierung hat nun ein Bündel an Gesetzesmaßnahmen geschnürt, dass die Baulandhortung einbremsen soll. Das wird in Vorarlberg heiß diskutiert. Denn die Sanktionen für die Nichtbebauung von gewidmeten Baugrundstücken reichen bis zur Zwangsversteigerung.

Das Bündel an Gesetzesmaßnahmen liegt derzeit in der Begutachtung. Das sieht unter anderem vor, dass beim Kauf eines als Bauland gewidmeten Grundstücks binnen sieben Jahren gebaut werden muss. Wird die Frist nicht eingehalten, muss die Fläche der Gemeinde angeboten werden. Kommt es nicht zum Kauf, wird zwangsversteigert.

Bei Neuwidmungen kann die Gemeinde künftig ebenfalls ein Baufrist von sieben Jahren einziehen. Die Landesregierung möchte so die Hortung von Bauland verhindern. Mit einer weiteren Maßnahme soll aber auch die Mobilisierung bereits gewidmeter Flächen gelingen. Die Gemeinden müssen „Verdichtungszonen“ ausweisen, damit die Siedlungsränder nicht weiter ausufern.

Baugrundstücke in diesen Zonen müssen innerhalb von zehn Jahren genutzt werden. In diesem Fall kommt es bei Verstößen allerdings maximal zur Rückwidmung.

Die bedeutet freilich einen Wertverlust und somit ebenfalls einen – nicht unumstrittener – Eingriff ins Eigentumsrecht (siehe Interview). „Wir sind ziemlich sicher, dass das hält. Der Eingriff ins Eigentum ist vertretbar“, sagt Rüdisser.

Riesige Altbestände

In Tirol gibt es die Baupflicht bei Grundstückskäufen, die bei Nichteinhaltung zur Versteigerung führen kann, schon seit mehreren Jahren. Ob es bereits zu Exekutionen gekommen ist, konnte das Land auf Anfrage nicht beantworten. Doch Gebi Mair, der als Klubobmann der Grünen die jüngste Raumordnungsnovelle 2016 mitverhandelt hat, macht sich keine Illusionen. Nicht das Bremsen der Baulandhortung ist das dringlichste Problem. „Das ist der Altbestand, den man den Bauern vor Jahrzehnten gewidmet hat.“ In Tirol liegen immerhin 3000 Hektar Bauland brach.

Der politische Kampf gegen Spekulation ist eine rechtliche Gratwanderung – zwischen dem öffentlichen Interesse an der Nutzung von Baugrundstücken und dem Eingriff in Eigentumsrechte im Falle von unterlassener Bebauung. Verfassungsjurist Heinz Mayer zeigt im Interview die Probleme auf.

KURIER: Die Versteigerung von Grundstücken, wenn diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist bebaut werden, klingt nach einer drastischen Maßnahme. Tirol und Vorarlberg gehen diesen Weg bereits. Wird er rechtlich halten?
Heinz Mayer: Die Nutzung von Bauland liegt im Prinzip im öffentlichen Interesse. Wer Bauland nicht nutzt, kann Eigentumseingriffe erdulden müssen. Sie müssen aber verhältnismäßig sein. Eine Enteignung als erste Maßnahme geht sicher nicht. Man wird das Grundstück zunächst etwa verpflichtend zur Verfügung stellen müssen. Auch Abgaben sind sicher zulässig.
 
Werden diese Versteigerungsregeln Ihrer Ansicht nach zu Klagen führen?
Es wird sicher zu Klagen kommen. Für jene, die spekulieren, sind diese Maßnahmen ein Geschäftsverlust. Sie werden sich wehren.

Welcher Ausgang ist bei diesen Verfahren zu erwarten?
Es wird einen Unterschied machen, ob so eine Regelung in einem Bundesland eingeführt wird, in dem es ausreichend Bauland gibt oder eben nicht.   

Es gibt auch noch anderen Sanktionsmodelle. In Salzburg etwa werden Grundstücke nach Ablauf der Bebauungsrist nur rückgewidmet. Ist das weniger problematisch?
Nein. Im Gegenteil. Denn mit einer Rückwidmung erreiche ich nicht das Ziel der Baulandmobilisierung. Der Eigentümer des Grundstücks erleidet  einen Wertverlust. Aber es kommt zu keiner Bebauung. Die Rückwidmung ist daher keine Maßnahme zur Verwirklichung des öffentlichen Interesses. 

Unterschiedliche Maßnahmen in den Bundesländern

Ein Überblick zeigt: Die Bundesländer sind nicht alle gleich streng bei Baulandhortung. Die Maßnahmen reichen von Abgaben, Rückwidmungen bis Versteigerungen.

Vorarlberg: Im westlichsten Bundesland Österreichs soll beim Kauf eines Baugrunds künftig innerhalb von sieben Jahren gebaut werden, ansonsten droht die Versteigerung. Außerdem sollen Gemeinden „Verdichtungszonen“ schaffen können. Für  Grundstücke in diesen Zonen gibt es eine nachträgliche Bebauungspflicht von zehn Jahren. Wir sie nicht eingehalten, wird rückgewidmet.

Tirol: Auch hier können Grundstücke im Falle von Nichtbebauung nach dem Kauf versteigert werden. Die Frist wurde 2016 von fünf auf zehn Jahre gestreckt, im Gegenzug gibt es aber keine Möglichkeiten zur Fristverlängerung mehr.

Salzburg: Wie in Tirol und Vorarlberg haben auch hier die Preise  massiv angezogen. Am 1. Jänner 2018 trat eine Raumordnungsnovelle in Kraft. Bauland-Neuwidmungen bleiben nun nur noch zehn Jahre aufrecht. Wird nicht gebaut, kommt es zur Rückwidmung.

Oberösterreich: Auch hier werden bereits Maßnahmen gegen Baulandhortung überlegt. Schon jetzt sind in Gemeinden Bausicherungsverträge bei Umwidmungen üblich. Läuft eine vereinbarte Frist ab, muss das Grundstück an die Gemeinde abgegeben oder mit ihrem Sanktus an Bauwillige verkauft werden.

Kärnten: Eine „Baulandmobilisierungsabgabe“ stand zur Diskussion. SPÖ und ÖVP haben sich aber dagegen entschieden.

Steiermark: Seit 2004 gibt es eine Investitionsabgabe auf Bauland: ein Euro pro Quadratmeter, wenn nicht bebaut wird.

Niederösterreich: Gemeinden können bei Umwidmungen einen Bebauungsfrist von fünf Jahren festlegen. Pönalen und Rückwidmungen sind möglich.

Burgenland: Gemeinden können eine Baufrist von fünf bis zehn Jahren verordnen und diese mit Umwidmungen sanktionieren.

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