"Anergienetze": Wie man Gasheizungen aus dem Altbau bekommt
Rund 900.000 Gasthermen gibt es in Österreich, mehr als die Hälfte davon in Wien. Anders gesagt, heizen somit landesweit 23,3 Prozent und in Wien 55,1 Prozent der Haushalte mit Erdgas. Dieser Anteil sinkt zwar konstant, aber zu langsam. Um 2040 klimaneutral zu sein, muss die Wärmewende deutlich an Fahrt aufnehmen.
Eine Mammutaufgabe, die insbesondere in der Stadt nicht zuletzt von der Verfügbarkeit praktikabler Alternativen abhängt. Neben dem Ausbau der Fernwärme liegen die Hoffnungen hier vor allem auf Geothermie.
Im Neubau ist das Anlegen der dafür notwendigen Tiefenbohrungen kein Problem. Im Bestand war das jedoch lange Zeit fraglich. In Wien-Hernals konnte jedoch gezeigt werden: Ja, es geht. Im Rahmen eines von Klimaministerium, Stadt Wien und Städtebund geförderten Pilotprojekts wurden zwei Gründerzeitbauten im dicht bebauten Gebiet im Zuge einer umfassenden Sanierung mit einem „Anergienetz“ versehen.
Technologie-Kombination
Unter Anergie versteht man hier die Nutzung der Erdwärme, um mittels Wärmepumpen Heizwärme und Warmwasser zu erzeugen. In der Geblergasse wurden Tiefensonden und Wärmepumpen mit Fotovoltaik kombiniert, um energieautark zu werden.
Das System ist an sich überraschend simpel. Sonnenwärme wird in 110 Metern Tiefe in einer „Massebatterie“ aus 18 Tiefensonden eingelagert. Im Winter nutzt man sie dann für Heizung und Warmwasser, im Sommer kann man mit der Erdkühle wiederum die Räume herunterkühlen und gleicht gleichzeitig den winterlichen Wärmeverlust im Boden aus – ein perfekter Kreislauf.
Ein weiterer großer Vorteil eines Anergienetzes ist, dass man es nach Belieben erweitern kann. „Es funktioniert wie ein Lego-System“, fasst Architekt Johannes Zeininger zusammen. Um das volle Potenzial auszunutzen, braucht es aber auch den öffentlichen Raum – etwa, weil nicht überall Höfe vorhanden sind, die sich für die Bohrungen eignen. Besonders effizient wird es dann, wenn sich eine günstige Abwärmequelle in der Nähe befindet. In der Schweiz werden etwa seit 2014 5.500 Bewohner von Bestandswohnungen mit der Abwärme aus Rechenzentren versorgt.
Politischer Handlungsbedarf
In Österreich sieht Zeininger nach dem erfolgreichen Pilotprojekt nun die Politik gefordert, um den rechtlichen Rahmen und entsprechende Förderschienen zu schaffen. 350.000 Euro hat die Technik für die „Startzelle“ des Anergienetzes gekostet. Dafür liegen die laufenden Energiekosten weit unter jenen für Gas. In 20 Jahren haben sich so die höheren Errichtungskosten für ein Gründerzeithaus amortisiert.
Diese ungleiche Kostenstruktur ist jedoch gleichzeitig das Problem, weswegen man sich in der Geblergasse für ein „Contracting-Modell“ entschieden hat. Sprich: Ein externer Dienstleister übernahm die Errichtungskosten und kassiert dafür von den Mietern monatliche Gebühren.
Die Zeit läuft
Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) ist bewusst, dass es noch viel zu tun gibt – und, dass es so viele erneuerbare Alternativen wie möglich braucht. „Deswegen finde ich dieses Projekt so toll“, sagt Czernohorszky. „Weil es zeigt, dass das auch wirtschaftlich abbildbar ist.“
An den Rahmenbedingungen werde mit Hochdruck gearbeitet, versichert er. Bis Ende 2022 soll das Wiener Konzept zum schrittweisen Ausstieg aus fossilen Heizsystemen im Bestand stehen. Und zwischen Bund und Ländern laufen die Verhandlungen über ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz.
Auf eines legt der SPÖ-Politiker aber besonderen Wert: „Die Umstellung muss sozial verträglich gestaltet werden.“ Zu diesem Zweck wird auch an der Förderschraube gedreht. Czernohorszky: „Hier werden gegenwärtig sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene sozial gestaffelte Finanzierungsmöglichkeiten ausgelotet.“
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