Frauenorganisationen kritisieren "Pseudowisschenschaft" im Obsorgeverfahren

Crying child girl sitting on the floor covering his face
„Pseudowissenschaftliche Konzepte" sollen vor Österreichs Gerichten von gewalttätigen Vätern benutzt werden, wenn es um das Sorgerecht geht.

Einen Tag nach dem Vatertag haben der Österreichische Frauenring, der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) und der Verein Feministische Alleinerzieherinnen (FEM.A) heute, Montag, bei einer Pressekonferenz gefordert, dass Gerichte nicht länger auf umstrittene Konzepte wie die „Eltern-Kind-Entfremdung“ („PAS“ - Parental Alienation Syndrome) zurückgreifen. Diese seien „pseudowissenschaftliche Konzepte, die von gewalttätigen Vätern benutzt werden, um die Obsorge über ihre Opfer zu erhalten“.

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Das „PAS“ oder „Entfremdungssyndrom“ ist eine 1985 aufgestellte Theorie des ebenfalls umstrittenen amerikanischen Psychiaters Richard Gardner. Es besagt grob umrissen, dass bei Scheidungen ein Elternteil den anderen Elternteil gegenüber dem Kind verunglimpfen würde, was wiederum zu einem schwerwiegenden Loyalitätskonflikt des Kindes führe.

Auch in Österreich würde diese Theorie demnach bei Scheidungen den Frauenrechtsorganisationen zufolge berücksichtigt werden - und für manche Mütter bis zur Kindesabnahmen führen. Laut der Bildungswissenschaftlerin Dagmar Hackl, die sich unter anderem mit Obsorge-Fragen und den dazugehörenden gerichtlichen Gutachten befasst, kommen derartige Sanktionen in österreichischen Gerichtsbeschlüssen immer öfter vor. Basieren würden diese dann häufig auf der PAS-Theorie. „Derzeit gibt es kaum eine Chance für Mütter und deren Kinder, der PAS-Diktion im Familienrecht zu entkommen“, kritisiert sie. 

"Häusliche Gewalt ausgeklammert"

Den Frauenorganisationen zufolge kam eine Analyse von rund 1.000 Obsorgeverfahren der UNO-Sonderberichterstatterin Reem Alsalem nun zu dem Schluss, dass es sich beim „PAS“ um ein „pseudowissenschaftliches Konzept“ handle, „das von gewalttätigen Vätern benutzt werde, um die Obsorge über ihre Opfer zu erhalten“.

„Auch in Österreich seien viele Mütter und deren Kinder mit langen Gerichtsverfahren und (re-)traumatisierenden Gutachten und Urteilen konfrontiert, wo häusliche Gewalt vollkommen ausgeklammert, wo der Wille des Kindes nicht akzeptiert und das Kindeswohl schwer gefährdet wird und diese Kinder oft lebenslang darunter leiden“, sagte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der AÖF.

Appell an die Politik

Die „unwissenschaftliche Praxis habe weltweit unzähligen Müttern und Kindern unbeschreibliches Leid zugefügt“, zitiert Rösslhumer aus dem UNO-Bericht. Der Bericht werde jetzt dem Menschenrechtsrat übergeben - mit dem dringenden Appell an Politik und Justiz, dieses „Pseudosyndrom“ nie wieder anzuwenden.

Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, sprach von einer „institutionalisierten Benachteiligung“ der Frauen in Österreich, da die umstrittenen Konzepte bei Scheidungsverfahren weiter berücksichtigt und gegen Mütter eingesetzt werden. Sie forderte gemeinsam mit Rösslhumer und Andrea Czak, die geschäftsführende Obfrau von FEM.A, von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), dafür zu sorgen, dass das „PAS“ - wie in vielen anderen Staaten - nicht länger bei Gerichtsverfahren zum Einsatz kommt.

„Im Zuge der geplanten Familienrechtsnovelle appellieren wir an die Justizministerin, dringend einen Erlass für die Familienrichter, Gutachter und Familiengerichtshilfe zu verfassen, mit der Aufforderung PAS gänzlich zu streichen", präzisierte Rösslhumer die Forderung. PAS sei eine toxische Taktik, um Mütter zu diskreditieren.

Anton Pototschnig, Obmann der Vereine „Wir Väter“ und „Plattform Doppelresidenz“, kritisierte in einer Reaktion wiederum den UNO-Bericht als „voreingenommen“. Alsalem habe sich dabei „vollständig auf Stellungnahmen von 'PAS'-Gegnern“ gestützt und „zwölf Stellungnahmen von Befürwortern der 'PAS'-Theorie ignoriert“.

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