Callcenter-Mafia zerschlagen: 2,7 Mio. Euro Schaden in Österreich

Callcenter-Mafia zerschlagen: 2,7 Mio. Euro Schaden in Österreich
Dem Bundeskriminalamt, Interpol und CBI/Indien gelang es, einen Telefonbetrüger-Ring in Neu-Delhi zu zerschlagen.

Auf einem Bildschirm ist ein Büroraum zu sehen, ein junger Mann sitzt auf einem schwarzen Drehsessel und telefoniert mit einem Headset. "Sie müssen das Geld jetzt überweisen. Das ist der letzte Anruf, Ihre letzte Chance, um nicht ins Gefängnis zu kommen", sagt er zu der Person am Telefon. Vor ihm liegt ein Script, von dem er den Text abliest.

Diese Szene spielte sich tagtäglich in einem Call-Center in Neu-Delhi ab. Dutzende Mitarbeiter gaben sich als falsche Polizisten oder "Interpol"-Agenten aus und brachten Menschen so weltweit um mehrere Millionen. In Österreich begannen die Anrufe laut Bundeskriminalamt im Dezember 2021. 

Call-Centerszene 1

Opfer mit Haft gedroht

Die Opfer wurden zunächst von einem Computer aus angerufen und benachrichtigt, ihr Name sei bei einer Interpol-Ermittlung aufgetaucht. Drückten sie den Einser, wurden sie mit dem Callcenter verbunden. Dort handelten die Täter nach einem vorgegebenen Skriptum: Sie sprachen von Identitätsdiebstahl und warnten die Angerufenen, dass die Polizei sie festnehmen würde, sollten sie den Anweisungen nicht Folge leisten. Die Opfer sollten schließlich Gutscheine kaufen und deren Codes per Telefon durchgeben, anschließend wurde der Anruf abgebrochen.

1100 Anzeigen

Durch Ermittlungen des Bundeskriminalamtes, Interpol und der indischen Polizeibehörde CBI (Central Bureau of Investigations) wurde das Call-Center schließlich ausfindig gemacht und zerschlagen. "Einen Ermittlungserfolg in dieser Größenordnung haben wir selten", sagte Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes, am Donnerstag. Allein in Österreich entstand bei den Opfern dadurch ein Schaden von 2,7 Millionen Euro. 1100 Anzeigen gegen falsche Polizisten konnten auf diesen Fall zurückgeführt werden.

Österreicher brachte Fall ins Rollen

Im konkreten Fall gaben sich die Mitarbeiter des indischen Call-Centers als örtliche Polizei oder "Interpol-Agent" aus. Aufgedeckt wurde der großangelegte Betrug durch einen Österreicher. "Das Opfer bekam am 16. August einen Anruf eines vermeintlichen 'Interpol-Agenten'. Dieser sagte, das Opfer müsse sofort Geld überweisen", erklärt Holzer. Der Betroffene reagierte jedoch richtig und meldete den Vorfall auf einer Wiener Polizeiinspektion.

Call-Centerszene 2

Videoaufnahmen aus dem Call-Center

Ein Informant schaltete sich daraufhin in den Fall ein und lieferte dem Bundeskriminalamt Video-und Audioaufnahmen direkt aus dem Call-Center. So konnte die Spur der Telefonbetrüger bis nach Indien zurückverfolgt werden. Das Bundeskriminalamt informierte die indischen Behörden, die im Zuge der Operation "HAECHI" drei Drahtzieher dieser Bande festnehmen konnten.

15.000 Euro zurückgezahlt

Den österreichischen Opfern konnten 15.000 Euro zurückgezahlt werden. "Das ist zwar verglichen mit der Schadenssumme in Millionenhöhe gering, aber es ist schon ein Erfolg, dass wir den Menschen überhaupt einen Anteil von ihrem Geld zurückgeben können. Das ist in Fällen von Telefonbetrug äußerst selten", betont Holzer. Grundsätzlich liege die Aufklärungsquote bei Cybercrime in Österreich bei 35 Prozent.

Anzeigen auf null zurückgegangen

Seit dem Zugriff ist die Zahl der in Österreich registrierten Anzeigen gegen "Interpol"-Agenten vom Höchststand von über 100 Anzeigen pro Woche auf null zurückgegangen. "Es kommt praktisch nie vor, dass Anzeigen in so einem Bereich auf null zurückgehen", erklärt der stellvertretende Direktor des Bundeskriminalamts Manuel Scherscher.

An die Bevölkerung appellierte Holzer, bei Anrufen dieser Art „den Mut zu haben, aufzulegen“. Danach gelte es, die österreichische Polizei zu verständigen und auch das eigene Umfeld über die Betrugsmasche aufzuklären.

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