Um den akuten Mangel an Kassen-Allgemeinmedizinern rasch zu beheben, soll mit zusätzlichen Ausbildungsstellen an den MedUnis ein Projekt aus der Kreisky-Ära wiederbelebt werden.
Wie viele Mediziner das Angebot der Bundesregierung annehmen werden, steht noch in den Sternen. Wie berichtet will sie mit einem Startbonus von bis zu 100.000 Euro pro Stelle Ärzten schmackhaft machen, eine Kassenstelle zu übernehmen.
Was auch dringend notwendig wäre. So gab es im Jahr 2000 noch 10.650 Allgemeinmediziner, davon 4.228 mit Kassenvertrag. 2022 waren es knapp 13.000, aber nur mehr 3.990 Kassen-Hausärzte. Und das bei deutlich gewachsener Bevölkerung.
Mit der Pensionierungswelle der nächsten Jahre steht ein weiterer Aderlass bei den Kassenärzten, vor allem bei den Allgemeinmedizinern, bevor. Davor warnen Experten der gemeinnützigen gesundheitspolitischen Plattform Praevenire. Sie stellten am Mittwoch ein Modell vor, das möglichst rasch wieder für mehr Kassen-Hausärzte sorgen soll.
Dazu sollen an den MedUnis in Wien, Graz, Linz und Innsbruck, die derzeit im Wesentlichen nur Fachärzte ausbilden, insgesamt 120 Ausbildungsplätze für Studienabsolventen geschaffen werden, die Allgemeinmediziner werden möchten. „Pro Dienstposten würden pro Jahr Brutto-Kosten von 100.000 Euro anfallen. Pro Jahr sind das dann zwölf bis 13 Millionen Euro, die vom Gesundheitsministerium zu finanzieren wären“, rechnet Wilhelm Marhold, ehemaliger Generaldirektor des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) vor. Ihm schwebt eine fünfjährige Ausbildungsdauer vor.
Noch müsse für dieses Modell ein eigenes Curriculum geschaffen werden. Fix sei laut Marhold aber jetzt schon, dass auch die MedUnis selbst profitieren würden. „Die Auszubildenden, die alle Stationen durchlaufen, lassen sich als Stationsärzte einsetzen“, betont er.
Ganz neu ist die Idee, die unabhängig vom geplanten Facharzt für Allgemeinmedizin zu sehen ist, nicht: Schon in den 70er-Jahren, unter der SPÖ-Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter, wurden für eine gewisse Zeit Allgemeinmediziner etwa an der Wiener Uniklinik ausgebildet.
Bessere Bedingungen
Bleibt die Frage, wie man verhindert, dass nicht auch diese Hausärzte zu großen Teilen in der Privatmedizin verschwinden oder das Land verlassen.
Neben einer besseren Honorierung gehe es da vor allem um die Lebensqualität, so die Experten: „70 Prozent der fertig ausgebildeten Ärzte wollen laut Umfragen in der niedergelassenen Praxis unselbstständig arbeiten“, sagt Alexander Biach, stv. Direktor der Wiener Wirtschaftskammer und bis 2019 Vorstandsvorsitzender des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. Viele würden sich die Führung einer Einzelordination mit den damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken nicht zutrauen.
Biachs Vorschlag: Künftig sollten nicht nur Ärzte sondern auch selbstständige Ambulatorien (z.B. Labors, physikalische Institute) sogenannte Primärversorgungseinheiten (PVE) gründen können. „Sie verfügen bereits über das wirtschaftliche Know-how, das den Ärzten mitunter fehlt.“
Gemischte Reaktionen
Die Reaktionen auf diese Ideen fallen gemischt aus. Markus Müller, Rektor der MedUni Wien, kann sich mit dem Vorschlag, Allgemeinmediziner an seinem Haus auszubilden, durchaus anfreunden: „An sich ist das eine interessante Idee. Wir haben an den Unikliniken bereits Teil-Anerkennungen als Ausbildungsstätten (auch für angehende Allgemeinmediziner, Anm.). Das könnte man weiter ausbauen.“
Ablehnung kommt hingegen aus dem Gesundheitsministerium: „Mit Blick auf den geplanten Facharzt für Allgemeinmedizin würde diese Maßnahme ineffiziente Parallelstrukturen schaffen“, betont eine Sprecherin. Beim zweiten Vorschlag verweist sie darauf, dass „PVE-Gründungen durch nicht-gemeinnützige Organisationen nicht möglich“ seien.
Auch von Ärztekammer-Vizepräsident Harald Schlögel kommt ein klares Nein. „Das hieße, dass privatwirtschaftliche Unternehmen Tür und Tor geöffnet wird, um im öffentlichen Gesundheitssystem Fuß zu fassen.“ Die Allgemeinmediziner-Ausbildung an den Unikliniken kann er sich grundsätzlich vorstellen. Mitbedacht werden müsse aber, dass es genug Mediziner gibt, die die Jungärzte ausbilden.
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