Todesfahrt auf der A4: Urteile wurden verschärft

Todesfahrt auf der A4: Urteile wurden verschärft
Das ungarische Berufungsgericht setzte die Strafen für die Schlepper, die 71 tote Flüchtlinge zu verantworten haben, hinauf: Lebenslang und keine vorzeitige Entlassung.

Lebenslang statt 25 Jahren: Für die vier Hauptangeklagten des Schlepperprozesses zum Fall von 71 in einem Kühl-Lkw erstickten und im August 2015 auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf entdeckten Flüchtlingen hat die Berufungsverhandlung vor dem Tafelgericht im südungarischen Szeged am Donnerstag mit einer Verschärfung ihrer Urteile geendet.

Die lebenslange Haft für den Erst-, Zweit- und Viertangeklagten soll ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung vollzogen werden. Nur der Drittangeklagte soll diese Chance erhalten. In erster Instanz waren die Hauptangeklagten zu 25 Jahren Haftstrafen verurteilt worden.

Bewusst gehandelt

Die drei nahmen die Urteile mit reglosen Gesichtern entgegen. Nur dem Drittangeklagten soll nach 30 Jahren Haft die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung eingeräumt werden. Alle vier waren in der ersten Instanz zu je 25 Jahren Haft verurteilt worden. Mezölaki betonte in der Urteilsbegründung, die Hauptangeklagten seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Menschen im hermetisch abgeschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten weiter, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Der Tod der Flüchtlinge habe sich ereignet, da den Schleppern ihr eigenes Untertauchen wichtiger gewesen sei als der Tod der 71 Menschen.

Die 71 Flüchtlinge - unter ihnen vier Kinder - waren im August 2015 an der A4 (Ostautobahn) bei Parndorf im Burgenland erstickt in einem Kühl-Lkw gefunden worden. Da sie auf ungarischem Staatsgebiet ums Leben gekommen waren, fand der Prozess gegen insgesamt 14 Angeklagte in Ungarn statt.

Im Fall der lebenslangen Haft ohne Chance auf frühere Entlassung kann erst nach 40-jähriger Haftverbüßung die Möglichkeit einer bedingten Haftentlassung geprüft werden. Das hatte Debatten um diese Strafform ausgelöst. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte Ungarn mehrfach zur Reform aufgefordert. Lebenslang ohne Aussicht auf Entlassung verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Ungarn mit chronisch überfüllten Haftanstalten bei einer durchschnittlichen Belegung von rund 140 Prozent beharrt dennoch auf den harten Strafformen.

Todesfahrt auf der A4: Urteile wurden verschärft

Die übrigen zehn Angeklagten in dem Schlepper-Prozess wurden zu Strafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt. Flüchtig sind nach wie vor der Siebent- und der Zwölftangeklagte, die zu jeweils acht Jahren Haft verurteilt wurden. Der Prozess um das A4-Flüchtlingsdrama hatte vor zwei Jahren, am 21. Juni 2017, am Gericht im südungarischen Kecskemet begonnen. Angeklagt waren insgesamt 14 Personen, zwei Afghanen, elf Bulgaren und ein bulgarisch-libanesischer Staatsbürger. In erster Instanz war das Gericht mit den 25 Jahren Haft für die vier Hauptangeklagten unter dem von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafausmaß geblieben.

Verbrechens des „qualifizierten Mordes“

Bei den Hauptbeschuldigten - ein Afghane und drei Bulgaren - soll es sich um den Kopf der Schlepperbande, seinen Stellvertreter und den Fahrer jenes Kühl-Lkw handeln, in dem die 71 Migranten im August 2015 erstickten, sowie um den Lenker eines Begleitautos. Sie waren wegen des Verbrechens des „qualifizierten Mordes“ und der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung angeklagt worden, weil sie billigend den grausamen Tod der Flüchtlinge in Kauf genommen hätten. Die Geschleppten hätten bereits eine halbe Stunde nach der Abfahrt in Ungarn mit Hämmern, Klopfen und Geschrei darauf aufmerksam gemacht, dass sie keine Luft bekommen. Der Fahrer habe dennoch die Tür nicht geöffnet.


Die Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan starben am 26. August 2015 noch auf ungarischem Gebiet einen grausamen Tod. Ihre Leichen wurden tags darauf in dem in einer Pannenbucht der Ostautobahn (A4) bei Parndorf im Burgenland abgestellten Lastwagen entdeckt. Selbst nach der Tragödie führte die kriminelle Vereinigung zwei weitere Schlepperfahrten durch und soll insgesamt rund 1.200 Flüchtlinge in den Westen geschmuggelt haben.

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