A4-Flüchtlingsdrama: "Sie haben uns wie Vieh transportiert"
Prozess gegen eine Schlepperbande im ungarischen Kecskemet. Angeklagte schweigen weiterhin. Zeugenaussagen werden verlesen.
22.08.17, 12:23
Im Prozess gegen eine Schlepperbande, die für den Tod von 71 Flüchtlingen verantwortlich gemacht wird, haben die Angeklagten in der ungarischen Stadt Kecskemet auch am Dienstag die Aussage verweigert. Die beiden Hauptangeklagten sowie der Fahrer des Todes-Lkw verlangten allerdings bessere Haftbedingungen.
Richter Janos Jadi setzte die Verhandlung daraufhin mit der Verlesung der Aussage eines Angeklagten fort, der noch auf der Flucht ist. Der Bulgare, der ursprünglich als Zeuge befragt wurde, kam eigentlich nach Ungarn, um Gebrauchtwagen zu kaufen. Er dürfte von seinen Mitangeklagten zu den Schlepperfahrten überredet worden sein. Der 44-Jährige war laut Anklage zwar nicht bei der tödlichen Schlepperfahrt im August 2015 dabei, beförderte jedoch am Tag danach Flüchtlinge in einem Lkw mit ähnlich schlechtem Zustand, in dem die Menschen nur knapp überlebten. Als ihn die Ermittler als Beschuldigten führten, war der Mann längst über alle Berge.
Richter verlas Zeugenaussagen
Richter Jadi begann schließlich mit der Verlesung der Aussagen der mehr als 180 Zeugen. Dabei handelt es sich großteils um Flüchtlinge, die von der Bande nach Westeuropa geschleppt wurden. Ein syrischer Vater erzählte über die mangelhafte Luft in den Lkw. Sein kleiner Sohn wurde ohnmächtig. Letztendlich klopfte der Mann heftig gegen die Wände der Ladefläche.
Daraufhin meldete sich einer der Angeklagten zu Wort. Der Mann, der bei einer Schlepperfahrt im Juni 2015 dabei war, meinte, das sei eine Lüge. Es hätte niemand geklopft und keiner der Flüchtlinge sei in Ohnmacht gefallen, das hätte er beim Aussteigen der Leute ja bemerken müssen. Ende September sollen Zeugen auch persönlich vor Gericht aussagen, sagte der Vorsitzende.
Ein Bulgare ist noch auf der Flucht
Den insgesamt elf Beschuldigten wird u.a. qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Zehn von ihnen nahmen auf der Anklagebank Platz. Ein Bulgare ist noch auf der Flucht. Alle Beschuldigten sind in Ungarn unbescholten.
Die Bande hat laut Anklage mehr als 1.200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht. Dabei kassierte allein der Bandenchef mehr als 300.000 Euro. Ab Juni 2015 schmuggelte die Gruppe verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen. Im August 2015 endete eine solche Fahrt tödlich. 71 Menschen erstickten in einem Kühl-Lkw, der in einer Pannenbucht bei Parndorf auf der Ostautobahn (A4) entdeckt wurde.
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