Erster Einblick: So wird der Verfassungsschutz umgebaut
Karl Nehammer war erst wenige Tage als Innenminister im Amt, als er Franz Ruf - mittlerweile Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit - beauftragte, die Reform des Bundesamts für Verfassungschutzes (BVT) durchzuziehen. Ruf war zu diesem Zeitpunkt mit der Materie bereits bestens vertraut, weil ihn der Vorgänger von Nehammer, Wolfgang Peschorn, bereits geholt hatte, um Vorgänge im Nachrichtendienst zu untersuchen.
Die Eckpunkte seiner Mission: ein zeitgemäßer Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlicher Zuständigkeit im Sinne von internationalen Vorbildern, eine klare Trennung zwischen Nachrichtendienst und staatspolizeilichen Ermittlungen, Verbesserungen bei der Auswahl der Mitarbeiter, Suche nach einem neuen Standort und eine bessere Vernetzung mit militärischen Diensten und nicht zuletzt eine bessere Kooperation mit der Justiz.
Nehammer sagte dazu zum KURIER: "Wir sind derzeit mittendrin, den Verfassungsschutz neu aufzubauen. Das Bedrohungsbild hat sich in den letzten Jahren verändert. Es ist daher notwendig den Verfassungsschutz auch um eine nachrichtendienstliche Komponente zu erweitern.“ Denn das Problem des BVT vor allem, dass es keinerlei Aufklärung hat. Die Beamten sind auf Hinweise von Partnerdiensten vor allem aus den USA, Israel und Deutschland angewiesen. Selbst im Innenministerium nennen böse Zungen den Verfassungsschutz deshalb mitunter als " erweiterten Telefondienst".
Franz Ruf hat sich für diese Reform einen straffen Zeitplan auferlegt, der wegen der Corona-Krise bereits jetzt nicht mehr ganz eingehalten werden kann. So sollten mit den Sicherheitssprechern der Parlamentsparteien Studienreisen zu relevanten Nachrichtendiensten in Europa unternommen werden. Dieser Punkt ist bislang den Corona-Beschränkungen zum Opfer gefallen.
Für die Umsetzung des Projekts hat Ruf dennoch nicht mehr Zeit zur Verfügung. Im Gegenteil. Der Terror-Anschlag in der Wiener Innenstadt und die Versäumnisse des Verfassungsschutzes im Vorfeld zwingen ihn und seine Reformgruppe, den Umbau noch schneller durchzuziehen. Franz Ruf: "Wir haben uns die Hälfte der Zeit gegeben, die international bei solchen Großprojekten üblich ist. Wir halten diesen herausfordernden Zeitplan ein und haben bereits wesentliche Projektinhalte wie die Festlegung der Aufbauorganisation abgeschlossen. Außerdem haben wir notwendige Gesetzesvorhaben vorgezogen und umgesetzt.“
Insider meinen aber dennoch, dass es Jahre benötigt, bis wieder ein voll funktionsfähiger Verfassungsschutz auf den Beinen steht.
Neue Ausbildung
Bereits umgesetzt sind die neuen Rahmenbedingungen für die Rekrutierung von BVT-Mitarbeitern. Für diese gibt es nun einen mehrstufigen Auswahlprozess mit einer Vertrauenswürdigkeitsprüfung. Dabei wird besonders auch auf die psychologische Eignung geachtet. Im Zuge der Vertrauenswürdigkeitsprpfung werden das Vorleben und die aktuellen Lebensumstände der Kandidaten genau unter die Lupe genommen.Damit will man auch das verlorene Vertrauen der ausländischen Partnerdienste wiedergewinnen. Dies wurde ja vor allem durch die Hausdurchsuchung im BVT unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl und den Folgen davon schwer beschädigt.
Die Ausbildung wurde auch auf neue Beine gestellt. Nach einem verpflichtenden Grundausbildungslehrgang, der in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsakademien durchgeführt wird, folgen differenzierte Spezialausbildung. Der erste Kurs wurde nun vor wenigen Wochen mit 25 Teilnehmern gestartet. Angeboten wird auch eine akademische Weiterbildungsmöglichkeit über einen Fachhochschul-Lehrgang.
Offene Punkte
Die neue Struktur mit einem Direktor an der Spitze und darunter die Aufteilung in Nachrichtendienst und Exekutive ist auf dem Papier schon ganz klar vorskizziert, die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen politisch aber erst abgestimmt werden. Wobei aus dem Innenministerium klar kommuniziert wird, dass alle Schritte mit dem Koalitionspartner abgesprochen sind. Dazu konnten alle Parlamentsparteien für den Reformprozess Fachexperten nominieren, um alles transparent verfolgen zu können. Das hinderte die Opposition aber nicht daran, dem Ganzen kritisch gegenüber zu stehen.
Fest steht, dass es zwei fast unabhängige Behörden (mit jeweils einem Direktor-Stellvertreter) unter einem Dach gibt, diese sollen relativ unabhängig voneinander operieren. Darüber wird es ein Lagezentrum geben und Einheiten (wie etwa die Observation), auf die beide Teile zugreifen können. Damit sollen Doppelgleisigkeiten vermieden werden wie es etwa in Deutschland bei einem ähnlichen Modell der Fall ist.
Offen ist auch noch der Standort für das neue Bundesamt für Verfassungsschutz. Eine Möglichkeit ist die Meidlinger Kaserne, wo die Flugpolizei in Richtung Wiener Neustadt ausgezogen ist. Offen ist auch noch, wie die Landesämter für Verfassungsschutz (LVT) in der neuen Struktur platziert werden. Und politisch müssen auch noch die neue Vernetzung mit den militärischen Geheimdiensten und der Justiz abgeklärt werden. Dennoch ist man im Innenministerium zuversichtlich, dass der Prozess Mitte 2021 ziemlich abgeschlossen ist. Dann sollte auch geklärt sein, wer in Zukunft das BVT als Direktor führt. Wie berichtet, ist der Niederösterreicher Omar Haijawi-Pirchner ein heißer Kandidat.
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