Erste Massenimpfaktion gegen Virus-Mutation
Europa schaut auf Tirol, wieder einmal, erneut wegen des Coronavirus und dessen aggressiverer Südafrika-Mutante. Diesmal jedoch ist es ein erwartungsvoller Blick, denn: Der Bezirk Schwaz erhält 100.000 Impfdosen von Biontech/Pfizer, um die Bewohner durchimpfen zu lassen. Freiwillig, versteht sich, Impfpflicht gibt es in Österreich keine.
Aber Schwaz soll so zu einer Art Test- und Forschungsregion in Europa werden, das Projekt wird von Wissenschaftern begleitet. Schwaz mit rund 85.000 Einwohnern wurde gewählt, weil dort die Südafrika-Mutation des Virus besonders stark grassiert und einen der größten Cluster in Europa ausbildete: Derzeit gibt es in Schwaz 277 Personen, die aktiv mit dem Coronavirus infiziert sind das ist der höchste Wert in Tirol, das landesweit mit 107,3 eine relativ niedrige 7-Tages-Inzidenz hat (Fälle gerechnet auf 100.000 Einwohner). Die hohe Anzahl an Infektionen in Schwaz führen Experten auf die Mutation zurück: Von 88 im Bundesland nachgewiesenen Mutationen waren 66 in Schwaz.
Zusätzliche Dosen
Bereits ab 11. März soll mit den Impfungen begonnen werden. „Das ist unsere Chance, die Variante im Bezirk Schwaz auszulöschen“, begründete Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Gleichzeitig soll die Aktion auch wichtige Erkenntnisse bringen: „Viele Studien deuten darauf hin, dass zumindest einer unserer Impfstoffe deutlich schlechter gegen die Südafrika-Mutation wirken könnte.“ Die Impfdosen werden von Biontech/Pfizer und EU-Kommission zusätzlich zur Verfügung gestellt, fehlen also nicht im nationalen Kontingent.
Der Impfablauf wird erst im Detail geregelt, fest steht aber: Die Schwazer dürfen den Bezirk währenddessen nur mit negativem Corona-Test verlassen. Aber Tiroler kennen das, seit drei Wochen dürfen sie nur getestet aus dem Land. Diese Maßnahme wurde nun bis kommende Woche verlängert.
Für zwei Salzburger Gemeinden ist das Prozedere dagegen Neuland. In Radstadt und Bad Hofgastein explodieren die Corona-Neuinfektionen – Radstadt lag am Mittwoch bei einer 7-Tage-Inzidenz von 1.168, Bad Hofgastein bei 1.042. Deshalb gilt ab Freitag, 0 Uhr, ein striktes Ausreiseregime: Die Orte verlassen darf nur, wer einen negativen Corona-Test hat. Das gilt für 14 Tage. „Die Begeisterung hält sich in Grenzen“, beschreibt Radstadts Bürgermeister Christian Pewny (FPÖ) die Stimmung.
Ablauf der Kontrollen offen
Wie die Kontrollen ablaufen werden, ist aber noch nicht klar. „Das wird eine Herausforderung“, überlegt Pewny, denn: In Radstadt gibt es allein 50 Zufahrten auf die B 320 sowie die B 99. Laut Landesregierung sollen zwar Durchreisende von der Testpflicht ausgenommen werden, aber Pewny geht von einigem Kontrollaufwand aus. „Die Züge am Bahnhof sollen kontrolliert werden, auch die Postbusse und Lieferanten. Das trifft dann alle.“ Da die Polizei das nicht allein stemmen kann, soll das Heer helfen.
In absoluten Zahlen klingen die Neuinfektionen freilich nicht so dramatisch wie auf die Inzidenzen gerechnet, Radstadt lag da zuletzt bei rund 60. Das führt der Ortschef auf Cluster im Privaten zurück. „Wir haben viele Großfamilien, da kommt bei Ansteckungen gleich eine Menge zusammen.“ Drei Volksschulklassen sind derzeit ebenfalls geschlossen, da acht Kinder positiv getestet wurden.
Mehr Problembezirke
Mit Werten von mehr als 1.000 stehen die Salzburger Gemeinden österreichweit an der Spitze. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) forderte zuletzt bekanntlich Ausreisetest für ganze Bezirke, deren Inzidenzwerte über 400 liegen.
Das träfe derzeit Hermagor in Kärnten (664,7) und die Stadt Wiener Neustadt in Niederösterreich (458,3) und eben auch St. Johann im Pongau mit 480,3, jener Bezirk, in der Bad Hofgastein und Radstadt liegen. Die Landeshauptleutekonferenz zog sogar eine niedrigere Grenze ein, um regionale Maßnahmen in Problembezirken umsetzen zu können, eine Inzidenz ab 250 nämlich. Solche Werte haben nun schon 13 Bezirke.
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