Österreich sperrt auf: Stimmen aus Gastronomie, Kultur und Sport

Martin Wirth betreibt Fitnessstudios in der Steiermark
Ab Mittwoch dürfen wir wieder mehr als arbeiten und shoppen. Gastronomie, Kultur und Sportstätten öffnen wieder.

Nach Monaten der Entbehrung war die Sehnsucht bei vielen schon groß. Etwa nach dem Spritzer mit Freunden im Schanigarten. Oder dem echten Theatererlebnis, ganz ohne Ruckeln eines Livestreams. Nun wird die Hoffnung auf Normalität zaghaft Realität. Am 19. Mai können viele Bereiche wieder öffnen. Gastronomie, Hotellerie, Sportstätten und Fitnessstudios, viele Kultureinrichtungen und Freizeitbetriebe, wenn auch mit allerlei Einschränkungen und Auflagen. Wie blicken die betroffenen Bereiche auf die bevorstehende Öffnung? Und wie haben sie die Zeit seit der Schließung erlebt?

Der Gastgarten im Café Engländer in der Wiener Innenstadt ist am Mittwoch bereits ausgebucht. Die Gier auf Schnitzel und ein Wiedersehen in gewohnter Stammtisch-Atmosphäre ist groß. Viele Lokale haben sich mit Take Away über Wasser gehalten. Um, wie „Café-Engländer“-Chef Christian Wukonigg sagt, sich selbst und die Mitarbeiter zu beschäftigen und, vor allem, den Kontakt zu Kunden nicht zu verlieren.

Irgendwie über Wasser gehalten haben sich auch die Kulturbetriebe, die in diesen Tagen Spielpläne veröffentlichen und den Kartenvorverkauf starten. Ihre Sorge: Dass die Gastgärten an lauen Juniabenden zur unschlagbaren Konkurrenz werden könnten. Bei Rapid hingegen ist man einfach nur froh, den Geisterspielen Lebewohl sagen zu können. Auch wenn es mit maximal 3.000 zugelassenen Zuschauern alles andere als voll wird. Immerhin hätten im Allianz-Stadion in Wien-Hütteldorf 26.000 Fans Platz. Doch wie es Otto Wiesenthal formuliert, der am Mittwoch ebenfalls seine Pforten des Hotel Altstadt in Wien wieder ganz öffnen darf: „Man wird mit der Zeit bescheiden.“

Österreich sperrt auf: Stimmen aus Gastronomie, Kultur und Sport

"Engländer"-Chef Christian Wukonigg ist skeptisch

„Der Tsunami wird noch kommen“

Auf Lokalbetreiber kommen unsichere Zeiten zu

Die Reservierungsliste für den 19. Mai ist lang. Auch in den darauffolgenden Tagen wird es nicht einfach, einen Platz im Café Engländer zu bekommen. Aber danach? 
Geschäftsführer Christian Wukonigg, der neben dem Engländer noch zwei weitere Lokale in der Wiener Innenstadt, die Bar 1010 und das Restaurant Paul & Vitos am Petersplatz betreibt, ist gedämpfter Stimmung. Vorfreude und Tatendrang sind so groß wie die Skepsis. „Wir stehen alle  mit Riesenschulden da. Und der große Tsunami kommt noch“, glaubt er. „Für viele Lokale werden die kommenden Monate zur Prüfung. Viele Leute haben Angst und wollen  nicht mehr in Lokale gehen.  Outdoor  wird überlaufen sein. Indoor wird es schwierig, solange ständig Panikmeldungen verbreitet werden. Und mit den Abstandsregeln können wir nicht so viel Umsatz machen, wie wir bräuchten.“
 Wukonigg ist frustriert. „Wir hängen seit Monaten in der Luft. Ich bin es gewöhnt, mein Unternehmen zu planen. Zu wissen, was ich wann bezahlen kann. Jetzt wussten wir  nicht, kommt Geld oder kommt keines? Man ist sehr abhängig vom Goodwill der Bürokratie.  Ich warte hier noch immer auf das Kurzarbeitsgeld für Dezember. Ich muss alles vorfinanzieren. Im Paul & Vitos habe ich den Fixkostenzuschuss noch nicht bekommen. Aber  dafür wegen jedem Blödsinn eine Finanzprüfung.“ Mitten in der Pandemie hat Wukonigg sein drittes Lokal eröffnet. Ganz schön mutig? Ganz schön Pech. Der Mietvertrag wurde einen  Monat vor dem ersten Lockdown unterschrieben. Mit viel Mühe klappte die Eröffnung, drei Wochen später kam der neuerliche Lockdown.  Und doch, irgendwie ist es sich ausgegangen. Kein einziger  Mitarbeiter musste gehen. Wukonigg ist Skeptiker, letztlich aber doch Optimist. Und vor allem: „Ich bin hartnäckig. Ich habe noch nie aufgeben.“ 

Österreich sperrt auf: Stimmen aus Gastronomie, Kultur und Sport

Manuela Linshalm (rechts) mit Würstelverkäuferin Resi Resch

„Das habe ich mir in diesem Land nicht vorstellen können“

Das Schuberttheater startet mit Vorfreude, aber viel Skepsis

Gerüchte wollten die Saison schon ganz abgesagt wissen. Vor Herbst würde gar nichts gehen, orakelten manche.  Jetzt geht’s also doch los mit Theater und Konzerten und  auch das kleine Schuberttheater  am Wiener Alsergrund hat den Kartenvorverkauf gestartet. 
Schauspielerin und Puppenspielerin Manuela Linshalm steht längst in den Startlöchern. Im Jänner war noch eine Premiere   geplant.  Seitdem war zu, doch immer wieder mit der Ansage, demnächst werde weiter entschieden. „Die permanente Achtung-Fertig-Los-Stellung  ist anstrengend. Wir haben viel Zuhause gearbeitet. In den nächsten Wochen habe ich sechs Wiederaufnahmen.“ Der Spielplan bis Juni steht,  danach will man die Saison mit  einem Stationentheater  verlängern: Puppen von Hedy Lamarr, H. C. Artmann und Resi Resch werden durch den Bezirk führen. Mit Frau Resch, der Puppe  aus dem Stück „Die Welt ist ein Würstelstand“, hat Linshalm im vergangenen Jahr bei Demos auf die triste Situation der Kulturschaffenden aufmerksam gemacht. 

 Der Kampfgeist der Szene ist zuletzt leiser geworden.  „Wir hatten das Gefühl, es hat keinen Sinn.  Warum war es nicht möglich, Theater-und Konzertbetriebe mit guten Sicherheitskonzepten zu öffnen? Kultur gehört nicht zu den Prioritäten, das habe ich mir in diesem Land nicht vorstellen können. Ich verstehe nicht, dass man den Stellenwert des Wirtschaftszweigs Kultur nicht schätzt. Wenn schon nicht  aus kulturellen, dann eben aus pekuniären Motiven.“   
Etliche aus der Branche werden  wohl nicht mehr aufsperren. Das Schubertheater als kleine freie Bühne  hat dank Förderungen überlebt. Wie lange, wird sich weisen. Mit nur halbem Sitzplatzangebot, 36 statt 72, wird sich das nicht lange ausgehen. Und dann die Frage, ob die Leute nicht zuerst einmal die Gastgärten stürmen. Ob sie auch ins Theater wollen? Es wird eine schwere Saison. 

Österreich sperrt auf: Stimmen aus Gastronomie, Kultur und Sport

Otto Wiesenthal, Eigentümer des Hotel Altstadt in Wien-Neubau.

„Wir hatten keinen goldenen Sommer wie Hotels am Land“

Im Hotel Altstadt ging der Umsatz um 70 Prozent zurück

Die Fenster werden gerade noch geputzt. Die Arbeiten in den zwei neuen Suiten sind so gut wie abgeschlossen. „In so einem perfekten Zustand wie jetzt war das Hotel noch nie“, sagt Otto Wiesenthal, Eigentümer des Hotel Altstadt in Wien-Neubau. Kein Wunder, nutzte er die Pandemie für Umbauten und Renovierungen. 
Seit 14 Monaten ist in dem Haus mit den 60 von Künstlern und Architekten gestalteten Zimmern nichts mehr wie zuvor. Im ersten Lockdown musste man ganz schließen. Danach kamen vereinzelt Stammgäste, zuletzt nur noch Geschäftsreisende. Im vergangenen Jahr hatte das Hotel einen Umsatzrückgang von 70 Prozent. Im Gegensatz zu Hotels auf dem Land hatte man keinen „goldenen Sommer“, wie es Wiesenthal formuliert. Diese waren vielerorts ausgebucht. 

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