"Eine Katastrophe": Fußfessel für Schaden wahrscheinlich

"Eine Katastrophe": Fußfessel für Schaden wahrscheinlich
Der OGH bestätigt die Schuldsprüche gegen Heinz Schaden und lobt das Erstgericht.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) ließ keinen Zweifel aufkommen. „Viele der Argumente, die gestern gebracht wurden, führen nicht zu ihrem Ziel“, sagte der Senatsvorsitzende Richter Rudolf Lässig. Die Urteile im Salzburger Swap-Prozess bleiben aufrecht und sind damit rechtskräftig. Die sieben Beschuldigten hätten gegen konkrete, rechtlich verbindliche Richtlinien verstoßen. „Ein derartiger Verstoß war jedenfalls unvertretbar“, betonte Lässig.

Damit ist auch das Urteil gegen Salzburgs Ex-Bürgermeister Heinz Schaden rechtskräftig. Mit stoischer Miene verfolgte er die Ausführungen des OGH-Senats. Kurz besprach er sich danach mit Anwältin Bettina Knötzl, gestützt von seiner Frau verließ er sichtlich getroffen den Gerichtssaal im Wiener Justizpalast. Statement gab er keines ab. Er wurde vom Erstgericht zu drei Jahren Haft, eines davon unbedingt, verurteilt.

OGH-PROZESS ZUR BERUFUNG VON HEINZ SCHADEN

Schaden gab nach dem Urteil kein Statement ab.

"Urteil hebt sich heraus"

„Wir werden uns jetzt darauf konzentrieren, dass Heinz Schaden das Urteil menschlich und psychisch gut übersteht, weil das Urteil hat ihm natürlich die letzte Kraft genommen“, sagte Knötzl. Laut der Anwältin werde Schaden wohl vom Recht Gebrauch machen, die Fußfessel zu beantragen. Wann er die Haft antreten muss, ist noch offen.

Die Salzburger Erstrichterin Anna-Sophia Geisselhofer bekam von Lässig ausdrückliches Lob: „Dieses Urteil hebt sich in Akribie sehr, sehr heraus“, sagte er. Das Argument, Schaden habe als Bürgermeister auf das Wohl der Stadt zu schauen, sei prinzipiell richtig, „findet seine Grenze aber in der Kollusion“, erklärte Lässig. Die Machthaber von Stadt und Land hätten sich zum Nachteil des Landes abgesprochen.

Für Ex-Landeshauptmann-Stellvertreter Othmar Raus verschärfte der Senat das Urteil auf zweieinhalb Jahre, zehn Monate davon unbedingt. Auch er kann eine Fußfessel beantragen. Als einziger Angeklagter erreichte der aktuelle Finanzdirektor der Stadt eine Strafmilderung auf zwei Jahre, sechs Monate davon unbedingt. Sein Anwalt kündigte schon am Dienstag an, dass sein Mandant unabhängig vom Urteil aus dem Magistrat der Stadt ausscheiden werde. Mit der Verurteilung wäre ein Amtsverlust notwendig geworden. Die Urteile aller anderen wurden bestätigt.

Schaden droht Regress

Nicht unwesentlich: Die Verurteilten müssen nun auch die Verfahrenskosten tragen. Auf Schaden wartet nun weiteres Ungemach. Ihm droht, seine von der Stadt übernommenen Anwaltskosten selbst tragen zu müssen. Die Kosten sollen sich auf rund 500.000 Euro belaufen.

„Ich gehe davon aus, dass die Stadt Regress sehen wird wollen. Damit droht das nächste zivilrechtliche Verfahren“, sagte Knötzl. Der Gemeinderat hat bereits vor der OGH-Verhandlung beschlossen, die Anwaltskosten im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zurückzufordern. Finanziell sei das „schlicht und einfach eine Katastrophe“, meinte Knötzl.

Stadtpolitik berät Folgen

Fix verlieren wird Schaden seine Politikerpension. Es bleiben ihm noch seine ASVG-Pension und eine Zusatzpension der Stadt. „Er kommt damit auf 2.500 bis 3.000 Euro netto“, sagte Bernd Huber, Büroleiter des aktuellen Bürgermeisters Harald Preuner. Bei einer Regressforderung der Stadt droht ihm allerdings eine Pfändung auf die Mindestsicherung.

Denn viel zu holen gebe es bei Schaden nicht. „Die Frage ist, was kann man ihm denn noch wegnehmen“, meinte Knötzl. Schaden habe lediglich eine halbe Eigentumswohnung. Die Stadtregierung will jedenfalls am Donnerstag in einer Kollegiumssitzung das weitere Vorgehen besprechen. Da wird auch besprochen, wie es mit dem nun ebenfalls rechtskräftig verurteilten Magistratsdirektor weitergeht. Ein Amtsverlust ist durch die Verurteilung bei ihm nicht zwingend vorgesehen.

Völlig offen ist auch, wie sich das Urteil langfristig auf die Polit-Landschaft auswirkt. Knötzl glaubt, dass es zunehmend schwierig sein werde, Bürgermeister zu finden. „Was das für ein Zeichen für die vielen Bürgermeister ist, wenn man für seine Stadt das Beste will, sich herausstellt, dass das auch funktioniert hat, und man dann eine Haftstrafe bekommt, ist schwer zu verstehen“, sagte Knötzl.

Chronologie der folgenreichen Swaps

2003: Die Stadt Salzburg folgt dem Zeitgeist und steigt ins aktive Finanzmanagement ein. Sechs Zinstauschgeschäfte – sogenannte Swaps – wurden abgeschlossen. Um diese Geschäfte sollte sich bis zum Mittwoch auch der Swap-Prozess drehen.
Mai 2007: Stadtbeamte berichten Bürgermeister Heinz Schaden über die negative Bewertung der Geschäfte. Schaden habe verärgert reagiert und soll gedroht haben, die Banken zu klagen. Das sorgte auch in der groß im Finanzmanagement engagierten Finanzabteilung des Landes für Unruhe.
August 2007: Die sechs Geschäfte werden von der Stadt aufs Land übertragen. Laut Urteil im Swap-Prozess aufgrund einer Vereinbarung von Schaden und Landeshauptmann-Stellvertreter Othmar Raus. Die Beteiligten bestritten diesen Deal bis zuletzt. Schaden befasste damit nicht den Gemeinderat, das Geschäft wurde nicht öffentlich. Nach Meinung juristischer Beobachter hätte sich Schaden mit einer Befassung des Gemeinderats die Anklage erspart. Danach wurde es ruhig um die Swaps, bis ...
6. Dezember 2012: Finanzlandesrat David Brenner macht in einer denkwürdigen Pressekonferenz den Salzburger Finanzskandal öffentlich.
Frühjahr 2013: Die Übertragung der Swaps wird im Untersuchungsausschuss des Salzburger Landtags zum Finanzskandal öffentlich. Die spätere grüne Ex-Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Rössler – am Sonntag in den Nationalrat gewählt – bringt als U-Ausschuss-Vorsitzende eine Anzeige im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung ein.

"Eine Katastrophe": Fußfessel für Schaden wahrscheinlich

Der Salzburger U-Ausschuss machte das Geschäft zwischen Stadt und Land öffentlich.

Juni 2013: Der KURIER berichtet, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen in der Causa aufgenommen hat.
Februar 2017: Die Staatsanwaltschaft bringt Anklage gegen sieben Beschuldigte wegen Untreue und der Beihilfe dazu ein.
6. Juni 2017: Der Swap-Prozess beginnt am Salzburger Landesgericht. 19 Verhandlungstage  sind anberaumt.
28. Juli 2017: Ein Schöffensenat des Landesgerichts verurteilt alle sieben Beschuldigten wegen Untreue und Beihilfe. Als einzige Angeklagte nimmt die Ex-Budgetreferatsleiterin des Landes und Zentralfigur im Finanzskandal, Monika Rathgeber, das Urteil an. Alle anderen bringen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein, auch die Staatsanwaltschaft beruft.
1./2. Oktober 2019: Der Oberste Gerichtshof befasst sich mit dem Urteil. Vier von sechs Urteilen werden bestätigt. Es gibt lediglich eine Strafverschärfung und eine Milderung (siehe oben).

 Als Organe der Gemeinde, in der sie gewählt werden, haften Bürgermeister sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich. Im Strafrecht kommt zur generellen Verantwortung noch ihre Eigenschaft als Amtsträger dazu. So wirkte sich auch im Salzburger Swap-Prozess die „Ausnutzung einer Amtsstellung“ bei mehreren Angeklagten erschwerend auf die Strafhöhe aus, obwohl sich niemand bereichert hat. Bürgermeister haften auch zivilrechtlich mit ihrem Vermögen für Ansprüche gegen die Gemeinde aus allfälligem Fehlverhalten.

Als ein Kind in Hofstetten-Grünau in Niederösterreich in einem Badeteich von einem Hecht gebissen wurde, stufte das Gericht den Bürgermeister als Tierhalter ein. Die Gemeinde musste Schmerzensgeld  in Höhe von 14.000 Euro zahlen. In Eggenburg drohte dem Bürgermeister 2009 ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung. Eine Frau war in einem Naturlehrpfad von einer Sandsteinplatte erfasst und getötet worden. Der Politiker wurde  allerdings freigesprochen.

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