Alles beginnt irgendwann zwischen 2010 und 2012. Egisto Ott, Deckname zu dieser Zeit Ernesto Zanetti, weilt als Verbindungsbeamter in Ankara. Auch der amerikanische Auslandsgeheimdienst hat Mitarbeiter am Bosporus. Und diesen fallen die auffällig häufigen Treffen Otts mit russischen Spitzeln auf. Sie legen ein Dossier über Ott an. Eine übliche geheimdienstliche Vorgehensweise. Sie informieren offenbar auch Otts damaligen Chef in Österreich, Peter Gridling.
Nicht die Briten, sondern die Amerikaner
Gridling kennt Ott seit Jahren. Und er wird es auch sein, der in Folge immer wieder von einem „Partnerdienst“ über die Umtriebe Otts auf den neusten Stand gebracht wird. Von welchem Dienst, dazu schweigt Gridling bis heute.
Wurde in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass es wohl der britische Geheimdienst war, liegen dem KURIER Informationen vor, dass es die CIA war, die Ott enttarnte. 2012 wird Ott schließlich aus Ankara abgezogen.
„Aufgrund von Aktivitäten, die nicht im Einklang mit seinen polizeilichen Aufgaben standen“, wie es so schön auf Beamtendeutsch heißt. Konkret soll sich Ott einem großen Energydrink-Hersteller als Mittelsmann zur Lösung etwaiger Probleme angeboten haben. Ohne dass das Innenministerium davon etwas wusste. Statt nach geplanten vier, reist Ott daraufhin bereits nach zwei Jahren wieder zurück nach Wien.
Das Wesen des O.
Wer Otts Wesen verstehen will, der lernt nun viel darüber. Der KURIER hat in den vergangenen Tagen viele Gespräche mit einstigen Weggefährten Otts aus dem Polizeiapparat geführt.
Sie alle haben immer wieder ein und dieselben Worte bei der Beschreibung des Ex-Kollegen gewählt: Geltungsdrang, Streithansl, rechthaberisch, Rache. Und so überrascht es nicht, dass Ott die Schuld für seine verfrühte Rückkehr aus der Türkei offenbar nicht bei sich, sondern bei jemandem anderen sucht: Michael Kloibmüller. Ex-Kabinettschef im Innenministerium, die graue Eminenz.
Rache an Kloibmüller?
Als das Handy Kloibmüllers 2017 bei einem Bootsausflug ins Wasser fällt und bei Otts altem Freund, einem BVT-IT-Techniker zur „Reparatur“ landet, ist dies offenbar der Zeitpunkt seiner Rache an Kloibmüller, den er gerne als „Zecke“ bezeichnet.
Ott nimmt die Handys offenbar an sich bzw. lässt einen Stick mit Chat-Inhalten von Kloibmüller anlegen. Die anderen Handys können nicht ausgelesen werden. Sie sollen im Sommer 2022 per Mittelsmann von einer Wohnung in Wien-Floridsdorf bis zur Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gebracht worden sein. Um ihnen die letzten Staatsgeheimnisse zu entlocken. Als Ott im Jahr 2021 das erste Mal in U-Haft genommen wird, lesen die Ermittler auch sein Handy aus.
Wenig Freundschaft trägt Ott offenbar auch für seinen Chef, Peter Gridling, in sich. Auf seinem Handy wird ein Dossier mit dem Titel „Ott-Gridling“ gefunden. Indem er auf 15 Seiten seine eigene Karriere skizziert und festhält, was ihm alles Ungerechtes widerfahren ist.
Und so überrascht es abermals nicht, dass Ott als Verfasser genau jenes Konvoluts gilt, das die Razzia 2018 im BVT ausgelöst haben soll. Mit der Auflösung des Amtes endet auch Gridlings Karriere.
2024, drei Jahre nach Otts erster Festnahme im Jahr 2021, entdecken Ermittler übrigens ein weiteres Dossier bei Ott. Es beschäftigt sich mit dem Tiergarten-Mord in Berlin. Am helllichten Tag, um die Mittagszeit, wird ein tschetschenisch stämmiger Putin-Gegner mit drei Kugeln im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit erschossen.
Richtig Morden
Die Täter, wohl Handlanger Putins, werden verurteilt. Ott erstellt in weiterer Folge eine „Fehleranalyse und Verbesserungsvorschläge“ für Attentate auf Putin-Kritiker. Als „Spielerein“ wird er dies abtun.
Rache und sich selbst wichtigzumachen, mag ein Motiv für Otts vermeintliche Spionage für Russland gewesen sein. Aber es gibt wohl noch ein anderes: Geld.
Angst vor Gesichtsverlust
Dies belegen Chats mit Martin Weiss, Freund, Komplize, Ex-Abteilungsleiter Otts und wohl selbst Spion Russlands. Darin soll Ott seine Angst äußern, dass er „im Süden“, gemeint ist wohl seine Heimat Kärnten, sein Gesicht und den Kredit verlieren könnte. „Ich kann mich dort nicht mehr blicken lassen“, soll Ott schreiben.
Für seine Handlangertätigkeiten, wie vor allem illegale Abfragen über Zielpersonen, oder andere Ausforschungen soll Ott je nach Liquidität unterschiedlich hohe Beträge genommen haben. Einmal 1.000 Euro, dann wieder 3.000 Euro. Alles bis ins Jahr 2024.
Zur Erinnerung: Die CIA warnte bereits vor gut zehn Jahren vor Ott. Im Jahr 2017 dann überhaupt gleich drei Mal: Im Jänner, im Oktober und im November.
Es wird sich zeigen, ob die Justiz die Beweise nun ernst nimmt.
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