Dschihad-Ausbildung in Grazer Moschee

Mirsad O. schwieg in der U-Haft.
Neue Erkenntnisse: Islamisten boten ideologische und körperliche Ausbildung.

In Syrien enthaupten Terroristen der Gruppe Islamischer Staat (IS) Journalisten und Helfer. Was er vom IS halte, wurde Mirsad O., 33, in der U-Haft gefragt. Der Salafisten-Prediger, besser bekannt als Ebu Tejma, schwieg dazu.

Der KURIER nahm nun erstmals Einblick in Teile des Gerichtsaktes jenes mutmaßlichen Salafisten-Netzwerks, das junge Muslime in den sogenannten Heiligen Krieg nach Syrien gelockt haben soll. Zur Erinnerung: Eineinhalb Jahre dauerten die Ermittlungen, bis am Freitag die Polizei 14 Islamisten festnahm. Über acht wurde am Montag die U-Haft verhängt.

Ebu Tejma ist dem Akt zufolge eine Schlüsselfigur: Österreichweit – und via Internet im gesamten deutschsprachigen Raum – hat er gepredigt. 14 seiner Zuhörer aus Österreich, allesamt namentlich angeführt, soll er derart radikalisiert haben, dass sie sich dem Enthauptungsregime in Syrien angeschlossen haben. Der gebürtige Serbe habe aufgrund seiner "Prediger-, Lehr- und Ideologisierungsarbeit" eine "zentrale Stellung bei der Anwerbung", schreibt die Staatsanwaltschaft Graz. Unter den acht radikalen Islamisten in U-Haft sind zumindest drei Rückkehrer. Von ihnen gehe "eine besondere Gefahrenlage" aus. Sie seien an Waffen und im Umgang mit Sprengstoff geschult.

Grazer Moschee-Verein

Dschihad-Ausbildung in Grazer Moschee
Lennart Binder
Neben zwei Wiener Moscheen ist ein Grazer Moschee-Verein im Visier des Verfassungsschutzes gestanden. In den Vereinsräumen sollen "angeworbene Muslime eine ideologische und körperliche Grundausbildung", quasi ein Fitnessprogramm für den Dschihad, erhalten haben. Der Konnex zu O.: Er soll dort Gastprediger gewesen sein. Überdies soll er eine 20.000 Euro hohe Spende an den IS überwiesen und Kontakt zu IS-Männern in der Türkei gehabt haben. Für die Mitgliedschaft in einer Terror-Organisation drohen den Verdächtigen bis zu zehn Jahre Haft.

Sein Anwalt Lennart Binder spricht von einem falschen Verdacht: "In keiner Predigt tätigt er die Formulierung, jemand soll nach Syrien in den Krieg ziehen." Überdies seien die Videos bis zu fünf Jahre alt – damals gab es IS noch nicht. Nach Syrien zu reisen, sei "eine freie Entscheidung" der Betroffenen gewesen, die sein Mandant teilweise gar nicht kenne. Weder Geld noch IS-Kontakte habe O., sagt Binder. Der 32-Jährige habe von Reisen nach Syrien abgeraten und Menschen davon abgehalten. "Er hat drei Töchter. Er würde selbst nie wollen, dass sie nach Syrien gehen."

Mit 900 Beamten, 40 Hausdurchsuchungen und 13 Festnahmen ging die Justiz am Freitag gegen eine höchst aktive bosnisch-österreichische Rekrutierungsorganisation der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vor. Derzeit wird geprüft, wer von den Festgenommenen in U-Haft kommt.

Dass die laut Behörden wichtigste Verbindung des IS über Bosnien läuft, hat seine Ursache in der engen Verwicklung Österreichs in den Bosnien-Krieg 1992 bis 1995. Laut einem Bericht des Internationalen Kriegsverbrechertribunals kämpfte damals an der Seite der muslimischen Izetbegovic-Regierung eine Mudschaheddin-Einheit, die hauptsächlich aus ausländischen Kämpfern bestand. Diese sollen von Osama Bin Laden rekrutiert und im Sudan ausgebildet worden sein. Der damals in Wien akkreditierte sudanesische Diplomat Elfatih H. organisierte von Österreich aus all die Jahre ungehindert saudiarabisches Geld und den Waffennachschub.

Mutierte Gotteskrieger

Nach dem Krieg wollte die bosnische Regierung die Söldner wieder loswerden, und entzog ihnen die bosnischen Reisepässe. Und die CIA machte Jagd auf die inzwischen zu Schafzüchtern mutierten Gotteskrieger, und expedierte einige von ihnen nach Guantanamo. Erst jetzt wurde auch von den österreichischen Behörden der Waffen-Finanzier Elfatih H. plötzlich als Belastung empfunden, und er bekam ein Aufenthaltsverbot.

Verbliebene Dschihadisten konnten jedoch einige Dörfer in Bosnien in Besitz nehmen. Die Verbindung der bosnisch-österreichischen Bin-Laden-Anhänger blieb über eine bosnische Jugendorganisation und radikale Prediger intakt. Laut Verfassungsschutz werkten die aber in den letzten Jahren unter der Flagge des IS. Denn El Kaida ist in der jungen Salafisten-Szene Schnee von gestern. Bin Laden ist tot, und seinem Nachfolger Aiman al-Zawahiri fehlt jedes Charisma.

Bin Laden-Verehrer

Ein Beispiel für den Richtungswechsel ist der in Bosnien festgenommene Prediger Hassan Bilal Bosnic. Im Bosnien-Krieg war er Mitglied der Mudschaheddin-Brigade, und er trat auch nachher als glühender Bin-Laden-Verehrer in Erscheinung. Er wurde schon im September von der bosnischen Polizei im Rahmen der „Operation Damaskus“ verhaftet, weil ihm die Rekrutierung von Österreichern, 160 jungen Bosniaken und 50 jungen Italienern für den „Islamischen Staat“ zur Last gelegt wird.

Das alles deutet darauf hin, dass der vormalige Bin-Laden-Verehrer seine gesamte Organisation in den Dienst des IS gestellt hatte – samt seines Ablegers in Österreich. Bisher waren diese Extremisten den Behörden vor allem durch Geldtransfers aufgefallen. Mit Aufkommen des IS-Terrors in Syrien wurden aber auch zunehmend IS-Aktivitäten festgestellt. Denn laut eines Berichts des Verfassungsschutzes spielen die Salafisten-Dörfer in Bosnien auch eine wesentliche Rolle bei der IS-Rekrutierung von Österreichern. Der Bericht: „Diese Dörfer tragen wesentlich zur Etablierung von Subkulturen bzw. abgeschotteten Milieus bei und werden häufig auch von Personen mit Österreichbezug aufgesucht.“ Bosnic’ Statthalter in Wien soll der serbische Prediger „Ebu Tejma“ sein. Auch er wurde verhaftet (siehe unten).

Dieser war laut ORF auch in Salzburg aktiv: Am 24. Mai habe er dort in einer Moschee im Bahnhofsviertel gesprochen. Die Veranstaltung sei auf Facebook beworben worden. In Salzburg soll er sich mit weiteren radikalen Predigern sowie mit Ibrahim Abou Nagie getroffen haben, der einen Islam-Zirkel namens „Die wahre Religion“ betreibt.

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