Drogenkonsum: "Jugendliche nehmen, was sie beschaffen können"

Drogenkonsum: "Jugendliche nehmen, was sie beschaffen können"
Jugendliche konsumieren laut Tiroler Experten seit der Corona-Pandemie verstärkt „wahllos“. „Multitoxische Vergiftungen“ nehmen zu.

Mit der Corona-Pandemie hat sich das Drogenkonsumverhalten von Jugendlichen in Tirol verändert. Diese griffen laut Experten zunehmend „wahllos“ zu Drogen, konsumierten „das gerade Verfügbare“ und tendierten damit zu einem „gefährlichen Mischkonsum“, teilten Verantwortlichen von Med-Uni Innsbruck und tirol kliniken am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck mit.

Das brisante Thema steht im Fokus des 10. Kinder- und Jugendpsychiatrie-Kongresses in Innsbruck. „Auffallend ist, dass die Jugendlichen alle Substanzen einnehmen, die sie sich im Moment beschaffen können“, erklärte Kathrin Sevecke, Direktorin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Hall und Innsbruck. 

Vom Schmerzpflaster bis zu Kokain

Das kann das Schmerzpflaster der Großeltern sein, Schmerztabletten, die Erwachsene ihnen auf der Straße verkaufen, Medikamente aller Art und auch die bekannten Drogen wie Kokain, Cannabis und Ecstasy-Pillen. 

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Dieses wahllose Konsumverhalten ist neu. Die Jugendlichen nehmen, was sie bekommen -  oft auch aus dem Darknet. „Viele der Jugendlichen werden mit multitoxischen Vergiftungen in unsere Ambulanz eingeliefert“, so Klaus Kapelari, Leiter der Kindernotfallambulanz an der Innsbrucker Klinik. Damit ist eine Vergiftung infolge gleichzeitiger Einnahme verschiedener Substanzen gemeint.

Vor der mittlerweile offiziell als beendet erklärten Corona-Pandemie habe man es in einem Zeitraum von drei Jahren mit maximal fünf stationären Aufnahmen wegen „Mischkonsums“ zu tun gehabt. In den „Pandemiejahren“ sei man hingegen mit „70 bis 90 Aufnahmen“ konfrontiert gewesen, sagte Kapelari.

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Aktuell habe man in Tirol „rund 90 bis 95 Jugendliche mit Mischkonsum“ im Blick, so Kapelari: „70 davon sind akut gefährdet und werden mindestes einmal stationär aufgenommen.“ Vor allem die Konsum-Kombination von Benzodiazepine und Opioide führe dabei zu „vital bedrohlichen Situationen“, erklärte der leitende Oberarzt.

Krieg, Klima und sonstige Krisen als Auslöser

Als mögliche Gründe für diesen „gefährlichen Mischkonsum“ benannte Sevecke, neben der mittlerweile überstandenen Pandemie vor allem „Krieg, Klima und sonstige Krisen“. An den Jugendlichen ließen sich dabei diese Belastung ablesen, denn sie seien „ein Seismograph der Gesellschaft“.

Auch sie sprach von einer konstant hohen Zahl der Aufnahmen in ihrem Bereich: „2022 mussten in Hall und Innsbruck 71 Jugendliche stationär aufgenommen werden, 2023 waren es 50 Aufnahmen.“ Bei den Fällen in beiden Jahren handle es sich zu 85 Prozent um „Akutaufnahmen“

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Diese Zahlen würden sich wohl so „einpendeln“: "Ich glaube nicht, dass diese Zahlen deutlich sinken werden, denn den Jugendlichen geht es zunehmend schlechter." Auch übermäßiger Medienkonsum, Internet oder Computerspiele würden schließlich noch das ihre zu dieser Befindlichkeit beitragen, so Sevecke.

Nicht alle stationär versorgbar

Dass man all diese jugendlichen Patienten nicht stationär behandeln könne, läge auf der Hand, betonte die Psychiaterin, denn: “Es fehlen bis zu 50 Prozent der Plätze dafür. "Daher müsse und solle man das “Home-Treatment„ - also eine Behandlung zuhause durch ein Team, das den Eltern zur Seite steht. 

Damit könne man “Stations-Äquivalente" schaffen, nannte Sevecke ein wünschenswertes Zukunftsszenario. Über diese und weitere Themen soll auch beim Kongress für Kinder- und Jugendpsychiatrie diskutiert werden. Dieser findet unter dem Titel “Konsumierende Jugendliche - ein gemeinsamer Blick" am 26. und 27. Jänner in Innsbruck statt.

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