KURIER: Herr Doğudan, am Freitag geht es wieder los. Manche Wirte meinen, die Auflagen seien zu streng und gar nicht durchführbar. Wie bereitet sich Do&Co auf die Wiedereröffnung vor?
Attila Doğudan: Die erste Aufgabe in dieser Krise, die Gesundheit abzusichern, das haben wir in Österreich gut über die Bühne bekommen. Jetzt müssen wir aus der wirtschaftlichen Schockstarre rauskommen. Es gibt keinen anderen Weg als diese Restriktionen. Das ist das neue Leben, das wir haben. Und diese Übung wird länger dauern als ein, zwei oder drei Monate. Ob die Speisekarte foliert sein muss, der Sessel für den nächsten Gast desinfiziert werden muss oder die Hygienevorschriften auf den Toiletten strenger werden – darüber diskutiere ich gar nicht mehr. Wenn das der Preis für ein normales Leben ist, nehme ich ihn gerne an.
Diese Maßnahmen schränken die österreichische Gemütlichkeit sehr ein. Wird der Gast reagieren, und mehr Zuhause sich mit Freunden treffen, weil es hier keine Restriktionen gibt?
Was wir als kompliziert empfinden, ist in Asien seit Jahren Alltag und nur für uns ungewohnt. Mit der Bekanntgabe des 15. Mai als Eröffnungsdatum sind die Telefone bei uns heiß gelaufen. Wir sind die ersten zehn Tage ausgebucht. Jetzt hängt es davon ab, wie sich die Gäste und die Wirte mit den neuen Regeln arrangieren können. Die Gäste werden künftig nicht nur darüber entscheiden, ob es gemütlich ist, sondern auch wie er die Hygienebedingungen im Restaurant einschätzt.
Social Distancing im Restaurant heißt weniger Umsatz für den Wirt. Wie wird das die Gastronomie verändern?
Wir haben nur noch von 17 bis 23 Uhr Zeit für ein Abendessen und weniger Sitzplätze. Am Ende werden alle in Slots arbeiten müssen.
Die Gemütlichkeit, dass ich um 19.00 Uhr einen Tisch reserviere und solange genießen kann, wie es mir gefällt, ist damit passé?
Die ersten Gäste werden von 17.30 bis 19.30 einen Tisch bekommen, und ab 19.30 Uhr kommt die nächste Reservation. Wir müssen den Sessel zwei- bis dreimal am Abend verkaufen, sonst geht sich die Übung finanziell nicht aus. Das ist übrigens weltweit gang und gäbe.
Sie betreiben auch den Demel. Wie kann das Kaffeehausgeschäft überhaupt noch funktionieren?
Im Segment Kaffeehaus ist es ganz schwierig. Denn ein Kaffeehaus bedeutet, eine geringe Fläche mit hoher Sitzplatzanzahl zu haben, die sich schnell dreht. Wenn man hier den Ein-Meter-Abstand einhält, frage ich mich: Wie viel kann man für einen Kaffee verlangen, dass man noch positiv bilanziert? Wir werden erst 2021 sehen, welche wirtschaftlichen Folgen Corona hat. Jetzt hatten wir das gesundheitliche Problem, dann kam die Frage, wie man sich mit Kurzarbeit und Krediten finanzieren kann, um über die Runden zu kommen. Die wirkliche Kardinalfrage ist: Wie wird das alles je zurückgezahlt? Wir leben in einer Branche, wo Eigenkapital überschaubar ist. Wenn man auf bestehende Kredite nochmals Kredite draufsetzen muss, frage ich mich, wie geht das weiter? Dieses Problem hat für mich mittlerweile die gleiche Priorität wie die Gesundheitsfrage.
Die Bundesregierung hat angekündigt, schnell und unbürokratisch zu helfen. Die Unternehmen klagen, dass de facto nichts unbürokratisch funktioniert. Um einen Liquiditätskredit zu bekommen, muss man Liquidität nachweisen, was absurd klingt. Kann man so aus der Schockstarre rauskommen?
Man muss dem Staat zugestehen, dass auch er, von einem Tag auf den anderen überrascht wurde. Alle Betroffenen sind der Meinung, dass die Hilfen zu wenig rasch ankommen. Das ist jetzt nun mal in den vergangenen acht Wochen so passiert, aber das muss sich ab jetzt ändern. Ein Blick in die Schweiz hilft, hier dauerte die Abwicklung und das Ausfüllen der Formulare 30 Minuten und das Geld war innerhalb 24 Stunden am Konto. In der Schweiz gibt es offenbar zwischen Regierung und Banken einen einfacheren Draht als bei uns. Unsere Banken brauchen eine Generalhaftung des Staates, wo sie in der Sekunde auch einfacher die richtige Summe zur Verfügung stellen können. Die Angst, dass Trittbrettfahrer die Situation ausnützen, um sich zu sanieren, ist geringer im Vergleich zu jenen, die das Geld tatsächlich benötigen und vor zwei Monaten noch kein wirtschaftliches Problem hatten.
Die Regierung will die Umsatzsteuer reduzieren und ein Hilfspaket von 400 Millionen schnüren. Wird das den Wirten helfen? Werden die Wirte die Reduktion überhaupt an den Kunden weitergeben?
Eine Umsatzsteuerreduktion in der Gastronomie hat ja nur Sinn, wenn die Wirte es behalten dürfen. Zusätzlich müssen die Gastronomen zumindest für drei Monate Einmalbeträge bekommen, die sie nicht zurückzahlen müssen. Um die Fixkosten, die sie hatten, abzudecken. Die Gastronomie muss die Chance bekommen, dort wieder anzufangen, wo sie vor der Krise aufgehört hat. Danach ist jeder seines eigenen Glücks Schmied. Es ist schon schwierig genug, mit den reduzierten Sitzplätzen und allen Auflagen ordentlich umzugehen. Im Herbst muss man dann schauen, wie sich alles entwickelt. Es vergessen viele, dass der Tourismus eine unserer wichtigsten Einnahmequellen ist. Wenn diese Hilfen nicht rasch ankommen, dann werden die Langzeitschäden viel größer sein. Sowohl volkswirtschaftlich als auch betriebswirtschaftlich.
Bei der AUA steht es wirtschaftlich Spitz auf Knopf. Soll die Republik die AUA mit Staatshilfen retten?
Die Airlines waren als Erstes betroffen und werden als Letztes aus dieser Krise rauskommen. Die Prognosen für die Luftfahrt sind überschaubar. Daher ist die Krise für die Luftfahrt keine Frage von Monaten, sondern von Jahren. Dass jetzt große Airlines wie die Lufthansa, aber auch in den USA wurde gleich einmal 25 Milliarden reingepumpt, Staatshilfe brauchen, ist logisch, wenn es einen Vorteil für den Standort gibt. Deutschland zahlt jetzt neun Milliarden Euro. Was die AUA betrifft, kann ich nur sagen, man muss daran denken, dass nicht nur die AUA betroffen ist, sondern auch die Flughäfen,die Bodenabfertiger, die Caterer, alle Zulieferer. Es braucht eine Lösung für alle. Und wir brauchen ausländische Gäste, auch mit einem guten Langstreckennetz,weil das für das Tourismusland Österreich ein ganzwesentlicher Teil unserer Wirtschaft ist.
Sie beliefern 60 Fluglinien. Eine Fluglinie braucht auf einem Flug 80 Prozent Auslastung, um rentabel zu sein. Angesichts dieser Zahl und den Social-Distancing-Vorschriften geht sich ein rentables Wirtschaften nie aus ...
Es gibt zwei Parameter: Preis und Auslastung. Je mehr das Ticket kostet, desto weniger Auslastung brauche ich. Social Distancing ist schon in einem Flugzeug nicht leicht umsetzbar, aber wie soll das an Flughäfen wie etwa London Heathrow gehen? Ich würde mich heute nicht trauen, zu wissen, wer in drei Jahren am Flugmarkt überlebt und welches Konzept. Die Billigairlines brauchen eine hohe Auslastung, um Gewinn zumachen. Andererseits haben sie eine niedrige Kostenstruktur. Wenn sie mit dem Ticketpreis etwas in die Höhe gehen, dann sind die Billigairlines immer noch billiger. Daher kann heute niemand sagen, wie es weitergeht. In diesem Sommer wird sicher das Auto eine Renaissance erleben, falls wir überhaupt ins Ausland dürfen.
Sie haben Catering für Fluglinien, Formel 1 und Fußballmatches gemacht. All das ist nun zusammengebrochen. Wie geht es mit Do&Co nach dem Tsunami weiter?
Ich dachte immer, dass Do&Co besonders risikoarm aufgestellt ist, weil wir in 20 Ländern agieren und von Restaurants bis zum Golf-Catering so viel Unterschiedliches machen. Dass wir aber innerhalb von zehn Tagen weltweit auf null runterfahren, wäre für mich nur in Betracht gekommen, wenn die Welt untergeht. Die Good News sind: Wir verkaufen Essen, und die Menschen werden trotz Krise weiter genießen wollen. Derzeit erleben wir auch eine Renaissance des Kochens, weil die Menschen nicht ausgehen konnten und es vielleicht auch künftig reduzieren wollen. Wir arbeiten an einem System, wo man über eine App Do&Co-Essen von mediterran bis asiatisch bestellen kann, was ich dann am Heimweg in einem Do&Co-Shop abholen kann. In den nächsten vier bis sechs Wochen werden wir dieses Modell in Wien ausrollen. Wenn es klappt, werden wir das an allen 31 Do&Co-Standorten von London bis Los Angeles anbieten.
Sie haben 650 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und 150 Mitarbeiter entlassen. Die Gewerkschaft hat Sie kritisiert, dass Sie die Corona-Krise nützen, um sich von älteren Mitarbeitern zu trennen. Haben Sie diesen Menschen eine Wiedereinstellungsgarantie gegeben?
Welches Unternehmen kündigt gerne Mitarbeiter? Wir nicht. Deswegen ist diese Aussendung nicht fair, weil sie auch nicht der Wahrheit entspricht. Es gibt zwei Bereiche: einerseits die Flugbranche und den Demel. Beide hängen vom Tourismus ab. Es stimmt nicht, dass wir ältere Mitarbeiter gekündigt haben. Wir haben beim Demel von 90 Mitarbeitern rund 60 gerettet mit Null-Umsatz. Uns war auch schnell klar, dass das Geschäft am Flughafen nicht mehr weitergeht. Wir haben alle Abfertigungen korrekt gezahlt, um als Unternehmen danach wieder gesund dazustehen. Auch die AUA ist nun nachgefolgt und will 1.100 Mitarbeiter abbauen, aber selbst die Lufthansa und British Airways müssen jeweils über 10.000 Kündigungen aussprechen. Wir hatten vor der Krise 12.000 Mitarbeiter und halten trotz der Krise immer noch weltweit 9.000 Mitarbeiter, obwohl der Umsatz kaum noch vorhanden ist. Diese Art der polemischen Diffamierung ist wirklich dieser Zeit nicht würdig.
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