Die involvierten Kriminalisten bleiben traditionell im Hintergrund. Zu heikel sind ihre Ermittlungen, die häufig im Umfeld der als skrupellos geltenden Balkan-Mafia stattfinden. In einem seltenen Hintergrundgespräch und unter Zusicherung der Anonymität hatte der KURIER nun aber die Möglichkeit, mit dem Leiter der Fahndungseinheit über das weltweite Katz-und-Maus-Spiel mit den „Most Wanted“ zu sprechen.
Gitter statt Palmen
„Wir verfolgen Mörder, Räuber, Drogenhändler und Betrüger mit Bezug zur Organisierten Kriminalität“, so der erfahrene Ermittler, der die Einheit im Bundeskriminalamt mit Holzer, der früher selbst Zielfahnder war, aufgebaut hat.
Bei den Gesuchten handle es sich um „Meister der Verwandlung“, die ihre Flucht langfristig planen, ihr Äußeres verändern und sich Länder aussuchen, in denen es ausländische Kriminalisten schwer haben. Darunter Destinationen in Südamerika, Asien oder Afrika. In Europa sei Spanien aufgrund des Lebensstils das beliebteste Land für Verbrecher, die mit gefälschten Pässen untertauchen möchten.
Auf der „Wall of Fame“ im BK hängen mehr als 300 solcher ausgeforschten Täter, die sich allesamt durch „Gewaltbereitschaft und hohe kriminelle Energie“ auszeichnen. Darunter ein geschnappter Sexualverbrecher, der sich 30 Jahre lang in Nigeria versteckt hatte. „Äußerlich war er stark verändert, doch wir haben gesucht, bis wir ihn hatten“, erzählt der Kriminalbeamte. Der Fall zeige, dass sich kein Krimineller sicher fühlen könne.
Eine so lange Flucht gelingt den wenigsten. 246 der 311 zur Fahndung ausgeschriebenen Personen wurden innerhalb von 100 Tagen ausfindig gemacht. Wie schnell es gehen kann, zeigt ein aktueller Fall. Am 16. Februar dieses Jahres wurden die Behörden informiert, dass ein flüchtiger Häftling aus den Niederlanden in Österreich vermutet wird. Eineinhalb Stunden später wurde der Mann in einem Zug Richtung Wien lokalisiert.
„Ein psychisch kranker Mann und Brandstifter, der als hochgefährlich gilt“, beschreibt der Zielfahnder den jüngsten Ermittlungserfolg. Zu dem Zugriff kam es im Zuge einer Kooperation des internationalen Zielfahndernetzwerks ENFAST, das es ausländischen Behörden ermöglicht, die österreichischen Fahnder um Unterstützung zu bitten.
Diplomatie und Ausdauer
Der Schwerpunkt der Ermittlungsarbeit findet aber im Ausland statt. Mehrwöchige Einsätze seien keine Ausnahme. „Eine Zielperson nimmt man nicht vom Schreibtisch aus fest“, so der Chefermittler. Ihm zufolge braucht es in seinem Feld neben Erfahrung vor allem Teamfähigkeit. Bei Aufenthalten in Ländern wie Venezuela, Russland oder Indonesien seien zudem diplomatische Fähigkeiten gefragt. Die Zugriffe erfolgen nämlich stets durch die nationalen Behörden.
Die Belohnung für die psychisch und physisch belastendende Arbeit sind mehr als 300 Schwerverbrecher, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten an die Justiz übergeben werden konnten. „Wir sind hartnäckig und ausdauernd, denn Verbrechen wie Mord sollten nie ungesühnt bleiben“, fasst der Fahndungsleiter zusammen, was ihn und sein Team antreibt.
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