Die Polizei darf doch nicht am Handy mitlesen

Die Polizei darf doch nicht am Handy mitlesen
Der Verfassungsgerichtshof setzt der geplanten Überwachung von Nachrichten und Fahrzeuglenkern klare Grenzen und stuft sie als verfassungswidrig ein.

Es ist eine klare Absage gegen die Pläne der ehemaligen türkis-blauen Regierung: Am Mittwoch um 10.30 Uhr verkündete Vizepräsident Christoph Grabenwarter im Verfassungsgerichtshof: Das Sicherheitspaket ist in großen Teilen verfassungswidrig.

Im April 2018 war das Sicherheitspaket beschlossen worden. 61 Nationalratsabgeordnete von SPÖ und Neos hatten dagegen ihre Bedenken geäußert. Sie befürchteten einen Überwachungsstaat und riefen den Verfassungsgerichtshof an. Dieser machte nicht nur die Verhandlung öffentlich zugänglich, sondern auch die Verkündung der Entscheidung.

Kfz-Überwachung

Zum einen war geplant, dass Fahrzeuge und ihre Kennzeichen auf Straßen automatisch erfasst werden. Etwa durch die Section Control, aber auch durch andere Kennzeichenerkennungssysteme. Dadurch, so die Argumentation damals, könnte man Kriminelle ausforschen. Doch nicht nur die Bewegungsprofile von Kriminellen hätte eine derartige Überwachung erfasst – auch die aller anderen Autofahrer. Und das ist unverhältnismäßig, entschieden die Richter des VfGH. „Dadurch wird ein großes Ausmaß von Daten erfasst“, begründete Grabenwarter.


Zwei Wochen lang hätten die Bewegungsprofile von Autos gespeichert werden sollen, in Verdachtsfällen sogar ganze fünf Jahre lang. 2007 hat der VfGH bereits entschieden, dass diese Überwachung nur auf streckenweisen Abschnitten gerechtfertigt ist. Auch die Neufassung des Gesetzes stellt einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf Privatsphäre dar, so die Verfassungsrichter. Die gewonnenen Daten aus der Section Control dürfen nur zweckgebunden genutzt werden.

Bundestrojaner

Auch der Bundestrojaner, der mit 1. April 2020 in Kraft treten sollte, ist verfassungswidrig. Mit einer speziellen Spionagesoftware sollte es der Polizei möglich gemacht werden, etwa verschlüsselte Nachrichten mitzulesen. Konkret geht es um Dienste wie Whatsapp oder Skype. Das wertete der VfGH ebenfalls als einen „schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre“.

Derartige Ermittlungsmethoden wären nur in engen Grenzen zulässig. Denn es besteht die Gefahr, dass dadurch auch unbeteiligte Dritte erfasst werden. Das bedeutet, dass auch völlig unbescholtene Personen ins Visier der Ermittler geraten hätten können, die nur zufällig bei der falschen Person – etwa einem verdächtigen Pizzaboten – in Kontakt waren.

So eine Überwachung, die auch Rückschlüsse auf Neigungen zulasse, brauche selbst eine Überwachung – und die sei nicht machbar, so der VfGH. Der Bundestrojaner sei außerdem eine Überwachungsmaßnahme, die an Intensität kaum zu überbieten sei.


 

Seit Jahren warnen Wissenschaftler und Computerexperten vor dieser Maßnahme. Der Staat müsste für das Abhören von verschlüsselten Nachrichten Sicherheitslücken schaffen. Dabei wäre es die Aufgabe des Staates, die Kommunikation gegen Gefahren zu schützen.

Die geplante Installation von derartigen Bundestrojanern durch das Eindringen in Wohnungen geht laut VfGH-Urteil ebenfalls nicht.

Während Datenschützer nach der Verkündung die Sektkorken knallen ließen, war es für den ehemaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl kein Tag zum Feiern: „Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs macht den heutigen Tag zum Feiertag für die organisierte Großkriminalität und den terroristischen Extremismus. Das ist ein schlechter Tag für die Sicherheit der Österreicher“, erklärte er. „Wenn es einmal zu einem Terroranschlag kommt, wird man die Schuldigen suchen müssen, dass das nicht verhindert werden konnte.“

Doch die Ermittlungsbehörden haben im Zuge des Sicherheitspakets durchaus einige neue Möglichkeiten bekommen, die nicht vom VfGH gekippt worden sind.

Was übrig bleibt

So können Telekombetreiber nach wie vor dazu verpflichtet werden, Daten von einzelnen Kunden zu speichern. Dazu zählt unter anderem die Information, wer mit wem telefoniert. Diese Maßnahme kann bis zu einem Jahr lang andauern – und sie ist auch schon bei Delikten mit einem Strafrahmen von sechs Monaten Haft erlaubt. Außerdem kann die Polizei auf Kameras bei öffentlichen Verkehrsmitteln und auf Flughäfen zugreifen.

Und: Das Briefgeheimnis wurde deutlich aufgeweicht. Briefe dürfen nun beschlagnahmt werden, wenn es um Delikte mit einem Strafrahmen ab einem Jahr geht.

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