Die erste kommunistische Stadtchefin ist offiziell im Amt

Die erste kommunistische Stadtchefin ist offiziell im Amt
Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ: Elke Kahr wurde im Gemeinderat zur Grazer Bürgermeisterin gewählt. Auch ihr Vize ist eine Frau.

Seit 12.50 Uhr hat Graz die erste Bürgermeisterin der Stadtgeschichte: Elke Kahr, 60, wurde am Mittwoch mit den Stimmen ihrer KPÖ, jenen der Grünen und der SPÖ in der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates gewählt. "Wer hätte das gedacht, dass ich die erste Frau als Bürgemeisterin werde?" fragte Kahr in ihrer ersten Rede als Stadtchefin. "Als KPÖ-Mitglied, als Tochter eines Schlossers? - Ich nicht."

Kahrs Wahl ist ein Umbruch nicht nur weil Graz erstmals ein weibliches Stadtoberhaupt bekommt - noch dazu eine kommunistische. Zudem steht eine links ausgerichtete Koalition dahinter - die Grünen stellen mit Judith Schwentner künftig die Vizebürgermeisterin, die SPÖ unter Michael Ehmann ist Teil der Koalition, auch wenn Ehmann keinen Sitz in der Regierung hat. "Das Arbeitsprogramm kann man als klassisch sozialdemokratisch beschreiben", begründete Ehmann. Der Schritt in diese ungewöhnliche Koalition sei nicht leicht gewesen, aber es habe sich eine Frage gestellt:  "Mit vier Mandaten auf der Oppositionsbank sitzen oder die Chance haben, mitzugestalten?"

"Blick von unten"

Angelobt wurde Kahr sofort nach der Wahl im Gemeinderat von ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, der Kahr freundlich lächend "alles Gute" wünschte. Kahr versicherte, die Menschen zusammen führen zu wollen, doch die Ausrichtung ist klar: "Wenn mich jemand fragt, was denn jetzt in Graz anders wird - unser Blick auf viele Fragen wird nicht von oben sein, sondern von unten", betonte die KPÖ-Obfrau. "Wer mächtig ist, braucht keine Hilfe." Die rot-grün-rote Koalition sei ein "neues Kapitel" für Graz: "Unsere Parteien wurden von Menschen gegründet, die sich gegen Ausbeutung gestellt haben. Jetzt wollen wir an die besten Traditionen unserer Bewegungen anküpfen, um Graz freundlicher zu machen."

ÖVP nominierte Obfrau der Grünen

Judith Schwentner musste auf ihre Wahl samt Angelobung als Bürgermeisterin-Stellvertreterin etwas länger warten, denn: Das Vorschlagsrecht für dieses Amt steht der ÖVP als zweitstärkste Fraktion zu.  Das ließ sich die ÖVP nicht nehmen und schlug Hohensinner vor, der im ersten Wahlgang freilich keine  Mehrheit hatte. Im zweiten Wahlgang, für den ebenfalls ÖVP vorschlagen durfte, sorgten die Schwarzen dann für eine Überraschung: Sie nominierten Schwentner  - und wählten sie auch mit.

Die ÖVP musste nach 18 Jahren den Bürgermeister-Sessel abgeben, Siegfried Nagl trat nach der Wahlschlappe noch am 26. September von allen Parteiämtern zurück: Die ÖVP rutschte in der Wählergunst hinter die KPÖ ab und wurde nur noch zweitstärkste Fraktion im Rathaus. "Bei aller Überraschung und Enttäuschung blicken wir ohne Groll auf den Wahltag zurück", versicherte der neue ÖVP-Stadtparteiobmann Kurt Hohensinner. "Die Wähler haben entschieden, das akzeptieren wir ohne Wenn und Aber."

"Fehlende Distanz zu Gräueltaten"

Die ÖVP - sie stellt durch das Proporzsystem zwei Stadträte - werde "ein Gegengewicht zu dieser linkslinken Koalition" sein, kündigte Hohensinner an, dessen ÖVP Kahr nicht mit zur Bürgermeisterin wählte. Denn im Programm der Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ fehlten nicht nur Ideen zu Wirtschaft, Universitäten, Europa und Digitalsierung, monierte Hohensinner. 

Vielmehr fehle vor allem die Distanzierung der KPÖ von den kommunistischen Regimes überhaupt. "Da nehme ich auch die Grünen und die SPÖ in die Verantwortung. Ihr sorgt dafür, dass eine Partei mit fehlender Distanzierung zu den Gräueltaten des Kommunismus in das Bürgermeisteramt gewählt wird." Kahr selbst achte er als "Mensch und für ihr soziales Engagement", merkte Hohensinner an. "Aber das reicht nicht für die Gesamtverantwortung in einer Stadt."

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