"Die Bilder haben sich ins Gedächtnis gebrannt"

Ein Kuscheltier und Kerzen wurden an der Stelle abgelegt, an der Valentin starb
Stilles Gedenken am Jahrestag der Amokfahrt, bei der drei Menschen getötet wurden.

"Ich wünsche mir, dass diese Fahrt nicht passiert wäre. Das ist einfach nur gemein." Der Eintrag der zehnjährigen Anja ist einer von Hunderten in den Kondolenzbüchern: Gestern, Montag, ein Jahr nach der Amokfahrt die Innenstadt, wurden sie im Grazmuseum ausgestellt, als Teil des stillen Gedenkens an die Gewalttat vom 20. Juni 2015.

Ein Jahr danach blicken nicht nur Opfer und Hinterbliebene zurück, sondern auch viele Helfer und Einsatzkräfte. Rudolf Reisner vom Roten Kreuz war unter den Ersten in der Innenstadt an jenem Tag, an dem Alen R. mit seinem Wagen drei Menschen tötete und viele verletzte. Zunächst ging der 54-Jährige von einem Routineeinsatz aus: Verkehrsunfall in der Zweiglgase, zwei Verletzte. Doch dann gingen Dutzende Meldungen über Verletzte ein. "Da denkst du dir, was wird das?", erinnert sich Reisner. Um 12.30 Uhr wusste er es: Über Funk hörte Reisner das erste Mal "Amokfahrt" und eine Schätzung über 30 bis 40 Verletzte. "Ich hab’ mir gedacht, das kann nicht wahr sein."

Der vierjährige Valentin, Adis Dolic , 28, und Michaela S., 53, starben durch die Amokfahrt. Rund 100 Menschen führte die Staatsanwaltschaft Graz in ihrem Verfahren als direkt Betroffene, Verletzte oder Passanten, die gerade noch vor dem Wagen wegspringen konnten. Einige haben danach in die Kondolenzbücher geschrieben. "Tausend Dank an meinen Schutzengel" steht da und "Danke, Herr, dass meine Tochter und meine Enkelkinder durch eine glückliche Fügung noch bei uns sind."

Persönliche Worte

Für sie und die Angehörigen der Todesopfer fand gestern ein eigener Gedenkakt im Rathaus statt, ohne Medien, ohne Kameras. Bürgermeister Siegfried Nagls Rede war wohl persönlich wie nie: "Es sind schreckliche Bilder, die sich in unser Gedächtnis gebrannt haben. Die werden wir nie vergessen." Der ÖVP-Politiker wäre selbst fast angefahren worden und musste sehen, wie Adis Dolic starb.

"Was bleibt von diesem Tag?", fragte Nagl gestern. "Ich glaube, erhöhte Aufmerksamkeit für das, was um uns herum passiert. Dass wir reagieren, wenn Menschen in unserer Nähe aus der Rolle fallen und zur Gefahr werden können."

Alen R. selbst ist nicht mehr in Graz. Er wurde vergangene Woche in die Sonderanstalt Göllersdorf gebracht: Dort wartet er auf den Beginn des Prozesses, in dem nicht über Strafe, sondern nur über eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher befunden wird. Laut Gutachter ist der 27-Jährige unzurechnungsfähig.

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