Ende des Life Ball: Der Niedergang des "Systems Keszler"
Nach außen hin ist er laut, schrill und demonstrativ fröhlich. Hinter den Kulissen gibt es bei Organisatoren, Sponsoren und Förderern des Life Ball aber schon lange nichts mehr zu lachen.
Seit das Umfeld von Organisator Gery Keszler hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand der Stadt Wien und konkret Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Schuld am Aus des Balls gibt, tritt der Ärger über das „System Gery Keszler“ – wie es viele nennen – immer offener zu Tage. Von „emotionaler Erpressung“ ist ebenso die Rede wie von Geltungssucht, von gekränkter Eitelkeit und von unbezahltem Kerosin.
Aber der Reihe nach: Es ist nicht lange her, da demonstrierten Gery Keszler und die Stadt noch Einigkeit. Als der Rathausturm Anfang April mit einer Kunstinstallation anlässlich des Life Balls verhüllt wurde, schien die Welt noch in Ordnung.
Wenig später gab es plötzlich eine Krisensitzung. Der Life-Ball-Vorstand saß Vertretern der Stadt gegenüber. Sein Begehr: mehr Geld. Viel mehr Geld.
Ende des Life Ball: Der Niedergang des "Systems Keszler"
Gütesiegel in Gefahr
Zusätzlich zu den 900.000 Euro, mit denen die Stadt den Life Ball jährlich fördert, bat der Vorstand um eine Ausfallgarantie in der Höhe von rund 300.000 Euro. Der Jahresabschluss des Life Ball stehe bevor, hieß es. Und ohne diese Garantie der Stadt erhalte man für das kommende Jahr das nötige Spendengütesiegel nicht mehr.
Doch das war dem Vernehmen nach nicht die einzige Forderung: Die Stadt Wien solle weitere 500.000 bis eine Million Euro an Steuergeld zuschießen oder zumindest bei der Suche nach Sponsoren helfen, erzählt man.
Wenn das nicht geschehe, „ist der Ball am Ende“, soll man den Vertretern der Stadtregierung ausgerichtet haben. Die Stadt sagte Nein. Und hielt die Ankündigung „für eine der fast üblichen Drohgebärden, für die Gery Keszler bekannt ist“.
Wenig später machte Keszler Ernst. Der Ball, der dieses Jahr am 8. Juni im Wiener Rathaus über die Bühne geht, wird der letzte sein.
„Keszler hat sein eigenes Baby fallen gelassen“, heißt es im Rathaus. Er zerstöre „mutwillig“ eine Marke, mit der er Wien jahrelang als moderne, weltoffene Stadt positioniert habe.
Tatsächlich sind die Leistungen des Balls unbestritten. 2011 generierte der Life Ball eine Wertschöpfung von 9,7 Millionen Euro. Mehr als 4 Millionen Euro davon entfielen auf Wien. Das ergab eine Studie des Forschungsinstituts IHS im Auftrag der Wiener Wirtschaftskammer. Am stärksten profitieren die Kultur- und die Tourismusbranche. Auch die Ballabende selbst waren stets ein Erfolg: Die Gäste ließen sich den Ball durchschnittlich 512 Euro kosten; fast doppelt so viel wie üblich.
Dass Keszler die Schuld für das Scheitern bei der Stadt sucht, überrascht dort kaum jemanden, es schürt aber Ärger: „Undank ist der Welten Lohn“, heißt es aus dem Umfeld des Bürgermeisters. Um diesen Ärger zu verstehen, der zum Ende des vielleicht schillerndsten Charity-Events des Landes beigetragen hat, muss man ein paar Jahre in die Vergangenheit reisen.
Bewegte Geschichte
Der erste Ball fand 1992 statt, schon damals in Kooperation mit der Stadt. Die damalige Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner trägt den Ehrentitel „Mama des Life Ball“.
Schon bald war das Verhältnis getrübt. Der Ball wurde von Jahr zu Jahr erfolgreicher, Keszlers Forderungen zugleich immer größer. Bis zuletzt stellte ihm die Stadt die Räumlichkeiten im Rathaus gratis zur Verfügung. Inklusive Auf- und Abbau koste das die öffentliche Hand 180.000 Euro, heißt es. Die Personalkosten nicht eingerechnet.
Nicht nur die finanziellen Forderungen, sondern vor allem der Umgangston Keszlers verstörten zunehmend: Die Sponsoren wurden alljährlich „beleidigt und herabgewürdigt“, erzählt ein Geschäftspartner. Und: Nicht wenige seiner Mitarbeiter habe Keszler „ins Burn-out getrieben, kaum einer hielt mehr als ein Jahr durch“. All das kam bei den Geldgebern nicht gut an.
Erzählt wird von Meetings, die Keszler nach einer Minute desinteressiert verlassen haben soll. Und von versprochenen VIP-Tickets, die nie ihre Empfänger erreichten. Als der Song Contest 2015 nach Wien kam und Keszler Exklusivität kostete, kündigte er sogar an, den Ball im Jahr darauf nicht abzuhalten.
Verbrannte Erde
Auch bei den Austrian Airlines, die Keszlers Stargäste einflogen und einen Teil der Kosten übernahmen, hat er verbrannte Erde hinterlassen. Als der AUA nach eigenen Angaben ein Sponsor ausfiel, der die Kerosin-Kosten getragen hatte, zog man die Notbremse. Sehr kurzfristig, wie es heißt. Die Belegschaft – selbst jene, die mit der Kooperation betraut war – erfuhr in letzter Minute davon. Offiziell will man bei der AUA nur ungern über das Thema reden: Man sei „wirtschaftlich schlicht nicht zusammengekommen“.
Generell dürfte sich für viele Geldgeber das Engagement um den Ball nicht mehr rechnen: Der Aufwand übersteige den messbaren Werbewert, hört man. Schlussendlich scheiterte Keszler an Michael Ludwig, der die Ausfälle aus der Privatwirtschaft kompensieren sollte.
Allein: Ludwig steht dem Ball zwar nicht negativ, aber doch skeptischer gegenüber als sein Vorgänger – nicht zuletzt angesichts des Wien-Wahlkampfs.
Ob Keszler – wie die Stadt forderte – zuletzt ein Konzept zur Neuorganisation des Balls vorgelegt hat oder nicht, daran scheiden sich die Geister.
Keszler scheint auf Rache zu sinnen: Beim Ball soll Ludwig ausgebuht werden, verrät ein Partner Keszlers. Im Rathaus dürften nun Überlegungen laut werden, den Ball gar nicht zu besuchen.
Der Life-Ball-Chef war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
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