Der Hürdenlauf der Gratulanten
Bernd Strobl kennt natürlich die Vorschriften der DSGVO gut. „Aber“, versichert der ÖVP-Bürgermeister von Ollersdorf im Burgenland, „bei uns gibt es eher Probleme, wenn jemand, der Geburtstag hat, nicht in die Zeitung kommt. Unsere Bürger sehen das gerne.“
Aber die EU nicht. Jedenfalls nicht so ohne weiteres: Mit der Datenschutzgrundverordnung, allseits bekannt unter ihrem Kürzel DSGVO, ist nämlich so eine öffentliche Gratulation nur noch zulässig, wenn bestimmte rechtliche Regeln eingehalten werden. Die meisten Gemeinden gehen ganz sicher: Sie bitten die Mitbürger, vor einem Geburtstag doch gleich einmal mitzuteilen, ob sie überhaupt Glückwünsche übermittelt bekommen wollen.
Die DSGVO korrekt umzusetzen ist ein Hürdenlauf über Formulare und Einverständniserklärungen. Wird ein Foto gemacht und soll es für soziale Medien verwendet werden, ist eine Extra-Zustimmung nötig. Besucht ein Bürgermeister ein Sportfest von Schülern, um zu gratulieren, sollten deren Eltern schon vorher Formulare unterzeichnet haben – wegen des obligaten Gruppenfotos. Auch die automatischen Hausbesuche von Gemeinderäten zu einem hohen runden Geburtstag oder zur goldenen Hochzeitstag sind nicht mehr drin. Babypakete für frischgebackene Eltern ins Haus geschickt? Auch nicht mehr möglich.
Wichtige Gesten
Doch diese Gesten sind wichtig in der Kommunalpolitik. „Natürlich geht es auch darum, dass man mit den Menschen in Kontakt kommt, redet“, überlegt Peter Koch, SPÖ-Stadtchef von Bruck an der Mur. In der Stadt war es üblich, dass sich 31 Gemeinderäte aufmachten, um kleine Präsente zu überbringen, Blumen, eine Flasche Wein. Glückwunsch-Billetts wurden ab dem 50. Geburtstag an Jubilare geschickt, die einen „Runden“ feiern. „Aber diese Form der Gratulation ist leider nicht mehr gesetzeskonform“, bedauert Koch.
Der Ausweg wirkt wie ein Amtsweg, bietet aber immerhin eine Möglichkeit: Das steirische Ehrungsgesetz aus 2012 erlaubt es dem Bürgermeister, offiziell als Behörde bestimmte Daten des Melderegisters zu verwenden. Das liegt noch innerhalb der Grenzen der DSGVO. Statt der Billetts verschickt das Amt nun Bürgermeisterbriefe zum Geburtstag, statt der Hausbesuche der Gemeinderäte wird der Jubilar eingeladen, ins Rathaus zu kommen und sich sein kleines Präsent abzuholen. Das ist auch trotz der strengeren Regeln möglich, weil die Daten nicht mehr weitergegeben werden.
Ähnlich hält es Kurt Wallner, SPÖ-Bürgermeister von Leoben. Eltern, die Baby-Start-Pakete erhalten wollen, füllen nun im Spital ein entsprechendes Formular aus. Im Stadtmagazin gab es zudem einen Aufruf: Bürger, die zu Muttertagsfeiern oder Ehejubiläen ins Rathaus eingeladen werden wollen, mögen sich aktiv melden. Ein System, das in Graz schon länger auf diese Weise funktioniert: Jubilare erhalten Einladungen zu bestimmten Feiern. Können sie nicht kommen, darf es dann auch wieder ein Hausbesuch sein: „Auf ausdrücklichen Wunsch“, wie es im Büro vom ÖVP-Stadtchef Siegfried Nagl heißt. „Aber dann kann man sich auch aussuchen, welcher Stadtrat oder Gemeinderat vorbei schaut.“ Nachsatz: „Die Leute wollen das gerne und nützen das auch zum Austausch.“
Für die Verwaltung ist der Versuch, die DSGVO penibel einzuhalten, Mehraufwand. „Die Sache ist im Kern daneben gegangen“, vermutet Ollersdorfs Ortschef Strobl. „Man wollte die Großen wie Google und Co treffen, hat sich aber keine Gedanken um die Normalverbraucher gemacht.“ Aber es scheint, als hätte das kleine Bundesland weniger Probleme mit der großen EU-Regelung als andere: Die Bürgermeister greifen auf das Ehrungsgesetz des Landes aus dem Jahr 2009 zurück. Es greift weiter als das steirische Pendant: Die Gemeinden dürfen Daten für Ehrungen ausheben und sogar veröffentlichen es sei denn, der Betroffene hätte das vorab schriftlich abgelehnt. „Wir sind deshalb gut abgesichert“, ist Leo Radakovits, Präsident des Gemeindebundes, überzeugt. „Bisher gab es keine Probleme.“
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