Das neue Waldsterben: Ganze Landstriche könnten versteppen

Das neue Waldsterben: Ganze Landstriche könnten versteppen
Rekordschäden durch Borkenkäfer gefährden Forstbetriebe und schaffen „Dörfer ohne Wald“

Förster Markus Philipp klingt erschüttert: „Es verschwindet nicht nur die Fichte, auch andere Baumarten werden von Borkenkäfern befallen. Die Lage ist absolut dramatisch. Wenn uns die Politik nicht hilft, sehe ich die Landschaft in unserer Gegend versteppen.“ Rund um Dörfer könnte der Wald rar werden.

Der Appell stammt vom Förster des Stiftes Geras im nördlichen Waldviertel (NÖ), dessen Existenz vom Ertrag seiner 1800 Hektar Wald abhängt. Davon sind bereits gut 200 Hektar geschlagen. Die Probleme gibt es in vielen Bundesländern, am stärksten sind Nieder- und Oberösterreich betroffen. Sie rechnen heuer gemeinsam mit beinahe so viel Käfer-Schadholz wie es 2017 bundesweit gab. Denn die hohen Temperaturen sorgen dafür, das die Käfer nicht nur in den klassischen Tieflagen wüten, wo Fichten eigentlich längst nicht mehr hingehören, sondern auch höhere Lagen erobern.

Dazu kommt das Markt-Problem: „Die Sägewerke haben keine Kapazitäten mehr. Wir verschenken das Holz fast, nur damit es aus dem Wald kommt“, erläutert Philipp. Dazu trägt Schadholz auch aus Tschechien und Deutschland bei, das ebenfalls derzeit den Markt überschwemmt und die Preise zusätzlich drückt, wie Martin Höbart, Geschäftsführer des nö. Forstvereins, bestätigt.

„Eine Aufforstung können wir unter diesen Bedingungen nicht mehr finanzieren“, sagt Förster Philipp. Die preisgünstige Alternative Naturverjüngung sei in diesem Stadium auch keine Alternative mehr. „Bei so großen Flächen werden sie von Hollerbüschen und Brombeeren überwuchert, da haben von selbst aufgegangene Samen keine Chance“, meint er.

Das neue Waldsterben: Ganze Landstriche könnten versteppen

Stiftsleiter Müller und Förster  Philipp (re.)

Druck

Doch selbst, wenn das Stift das Geld zum Aufforsten hätte, gäbe es bei der aktuellen Trockenheit keine Garantie, dass die ausgepflanzten Jungbäume überleben. Außerdem bleibt die Frage, welche Baumarten man eigentlich aussetzen soll, unbeantwortet: „Selbst die als besonders trockenheitsresistent bekannte Douglasie wird bei so großem Druck schon von Käfern befallen“, sagt Philipp.

Zwar bemühen sich die Waldbesitzer, statt der anfälligen Fichte wieder mehr Laubbäume wie Eiche zu pflanzen, doch auch hier gibt es Probleme: „Die schmecken den Rehen am besten und der Wildbestand ist immer noch so hoch, dass das Probleme macht. Man kann nur hoffen, dass das Wild bei der Größe der Kahlschläge nicht mehr alles verbeißen kann“, meint Philipp. Prior-Administrator Conrad Müller, der das Stift derzeit leitet: „Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden wir erst in fünf bis sieben Jahren merken. Aber dann werden wir uns wohl einschränken und beispielsweise Renovierungen aufschieben müssen.“

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Schadholz drückt den Holzpreis

Dürre

„Wir haben heuer das dritte Jahr zu wenig Niederschläge. Die Blätter der Laubbäume verfärben sich jetzt schon so stark wie im Spätherbst, es ist dramatisch“, sagt auch Markus Reichenvater, Betriebsleiter der Windhag'schen Stipendienstiftung, die im Waldviertel mit 3000 Hektar einer der größten Waldbesitzer ist. Auch seine Leute kommen mit dem Schneiden kaum nach.

Gleichzeitig bedroht die Dürre die dringend notwendigen Aufforstungen: „Ein Großteil der im Frühjahr nachgepflanzten Bäume ist heuer verdorrt“, sagt Höbart. Deshalb wird man in Zukunft im Herbst statt Frühjahr pflanzen müssen – in der Hoffnung auf die Winterfeuchte. Auch, wenn die zuletzt ausblieb. Außerdem können Baumschulen den Bedarf an jungen Laubbäumen derzeit nicht decken.

Die Suche nach neuen Baumarten für Ostösterreich läuft: „Die heimische Palette wird nicht ausreichen“, sagt Höbart. So ist es wahrscheinlich, dass der Wald vielleicht bereits in 20 oder 30 Jahren ganz anders aussieht als heute. Denn die Zeit der Fichtenmonokulturen, die bis zuletzt Gewinn brachten, scheint nun vorüber zu sein.

Katastrophenfonds

Mit einem Bericht über Ortschaften, die bald ihre umliegenden Wälder verlieren würden, sowie  über noch nie dagewesen Mengen an Käferschadholz  sorgte Oberösterreichs Agrarlandesrat Max Hiegelsberger, ÖVP,  dieser Tage für Aufsehen.   Aufgrund der Bedeutung der Fichte für die Holzindustrie, die  Bauern und die Gesellschaft sah er in der grassierenden Borkenkäferplage   eine volkswirtschaftliche Bedrohung.

Hiegelsberger appellierte an die Bundesregierung, Mittel aus dem Katastrophenfonds zur Bekämpfung der Borkenkäferplage freizugeben. Heuer ist in OÖ mit 500.000 Festmeter Holz bereits drei Mal so viel Schadholz eingeschlagen worden wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Eine Million Festmeter oder sogar noch mehr sollen heuer anfallen, befürchtete  Hiegelsberger. In Niederösterreich rechnet die Landeslandwirtschaftskammer damit, dass die Menge von 1,3 Millionen im Vorjahr auf zwei Millionen Festmeter im Jahr 2018 anwachsen wird.

Die Schädlingsbekämpfung und die Wiederaufforstung unterstützt  das  Land OÖ mit 15 Millionen Euro.  Längst fehle es an genügend professionellen Holzfällertrupps, um das Schadholz rasch aus den Wäldern zu bringen, damit die Käfervermehrung gestoppt wird. Arbeitsministerin Beate Hartinger-Klein, FPÖ, hat bereits ein Kontingent von 500 zusätzlichen Saisonarbeitern für ganz Österreich, 150 davon für OÖ, freigegeben.

In NÖ findet am 3. September  ein Lokalaugenschein statt, bei dem sich  Landeshauptfraustellvertreter Stephan Pernkopf und Landwirtschaftskammerpräsident Hermann Schultes ein Bild von der Lage machen und mit Waldbesitzern sprechen.

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