Café Bazar-Chefin: „Hier etwas zu verändern, wäre ja eine Sünde“
Salzburger Traditionscafé. Geschäftsführerin Evelyn Brandstätter über ihre Arbeit in einer Institution, Overtourism, unpassende Kleidung, den „Knochenjob“ Gastronomie, und wie viele Kilometer ein Kellner geht
Ein Treffen mit Evelyn Brandstätter im Sommer macht man sich am besten frühmorgens aus. Ab neun ist das Café Bazar schon wieder voll und die Geschäftsführerin voll beschäftigt.
KURIER:Noch ist Hochsaison in Salzburg. Sind Sie froh, wenn der Touristenrummel wieder abebbt?
Evelyn Brandstätter: Ja. Wobei es Flautezeiten so wie früher – November, Jänner, Februar – nicht mehr gibt. Juli, August ist der Peak, aber auch der Advent ist in Salzburg extrem. Die Politik muss sich dazu etwas einfallen lassen.
Sie haben hier dennoch viele Stammgäste, manche kommen angeblich sogar täglich wie der alte Herr Lanz mit Jagdhund. Wie geht sich das aus: die vielen Touristen und die Stammgäste?
Das geht sich Gott sei Dank gut aus. Mir ist die gute Mischung wichtig, es gibt auch Stammtischrunden. Wobei die Touristen von Jahr zu Jahr mehr werden und es damit schwieriger wird. Einige Stammgäste meiden daher die Stadt im Sommer und verabschieden sich im Juni von uns bis September.
Haben Sie Lieblingsgäste?
Ja, aber wir haben fast nur nette Gäste. Und wenn sie es nicht sind, sage ich immer zu unseren Mitarbeitern: Die sind überall ungut – beim Friseur, im Supermarkt, die mögen sich wahrscheinlich selbst nicht. Das darf man nicht persönlich nehmen. Das ist wichtig in unserem Beruf.
Die Schlange vor Ihrem Eingang ist im Sommer besonders lang. Wird da manchmal gemurrt?
Es gibt natürlich Gäste, die das nicht verstehen.
Wie gehen Sie mit Promis um?
Auch ein Super-VIP wird nicht anders behandelt. Ich glaube sogar, dass die richtigen VIPs diese Intimität hier schätzen. Ich selbst würde auch nie einen Prominenten um ein Foto bitten, das ist nicht meine Art.
1937 wurde sogar ein Lied veröffentlicht: „Der alte Ober vom Café Bazar“. Wie wichtig sind die Kellner? Wie lange bleiben sie? Sie sind sehr wichtig und bleiben Gott sei Dank sehr lange bei uns. Einige, wie der Wolfgang, ist schon über 30 Jahre da, ich selbst 21. Ich lege großen Wert darauf, dass sich hier alle wohlfühlen.
Wie viel Kilometer am Tag macht so ein Kellner?
Einer hat es mal gezählt, es waren 12 Kilometer am Tag. Der Beruf ist sehr anstrengend, man muss körperlich und psychisch fit sein.
Wie schwierig ist. es, solche Leute zu finden?
Es wird schwieriger. Man muss eine gewisse Ausbildung und auch ein Auftreten mitbringen. Wir haben hier Italiener, Kroaten, Deutsche, natürlich auch Österreicher.
Vor vielen Jahren ist immer eine Dame mit Kuchentablett durchgegangen. Warum wurde das abgeschafft?
Ich finde es nicht so appetitlich, wenn da jemand mit Kuchen und Torten durchgeht und jeder seine Nase drüberhält. Das ist eine der wenigen Änderungen, die wir vollzogen haben.
Änderungen sind im Kaffeehaus ohnehin heikel, oder?
Hier etwas zu verändern, wäre ja eine Sünde. Es steht alles unter Denkmalschutz. Mein tägliches Bestreben ist es, die Qualität zu halten oder sogar nachzubessern, das ist eh nicht ganz so einfach. Wir haben das Angebot modernisiert und kochen kleine Gerichte, was sehr gut angenommen wird.
Gibts etwas, das speziell für das Café Bazar steht? Mir fällt der „Einspänner“ ein, ein Espresso mit viel Schlag.
Nein, der hat Tradition in Salzburg. Bei uns sind es vielleicht die Schinkenfleckerl, die sind sehr bekannt.
Wie viele Tage in der Woche arbeiten Sie im Café?
Im Sommer jeden Tag. Unterm Jahr bin ich am Sonntag meistens nicht da, weil ich ja Familie habe.
Warum trifft man hier nie einen Gast in Radlerhose?
Wir weisen die Gäste schon beim Eingang aufs Höflichste darauf hin, dass Radlerhosen unerwünscht sind. Sich dem Anlass entsprechend zu kleiden, geht leider immer mehr verloren – auch in der Oper und bei den Festspielen. Manchmal kann man nur noch den Kopf darüber schütteln, wie sich die Leute anziehen. Wobei ich nichts gegen Radfahrer habe, ich fahre selbst jeden Tag mit dem Rad hierher. Aber wenn ich ein Sportdress anziehe, dann mache ich Sport und gehe nicht in ein Stadtkaffee.
In den Innenstädten sieht man tatsächlich immer weniger Eleganz, dafür viele Kurzbehoste.
Schade, dass diese Werte so verloren gehen. In Jogginghose oder Shorts würde ich auch als Tourist nie einen Stadtbesuch machen.
Im Bazar wurde einst viel geraucht, wie man auf alten Fotos sieht. War das ein Bruch, als man plötzlich nicht mehr rauchen durfte?
Was war das für ein Riesendrama! Wir haben Scheiben eingezogen, viele waren unzufrieden. Endlich kam dann das generelle Rauchverbot. Und viel Gejammer darüber. Aber kein einziger Gast ist deshalb ausgeblieben.
Liest man noch Zeitung hier?
Ja sicher. Solange es Zeitungen gibt, wird es sie hier geben. Ich finde so wichtig, dass im Kaffeehaus nicht jeder nur in sein Handy starrt.
Unser Gastro-Kritiker Wolfgang Kralicek hat das Bazar einmal als „Wiener Kaffeehaus im Exil“ bezeichnet. Ist das so?
(Lacht). Das ist teilweise wahr, aber wohl auch etwas überspitzt. Ich sehe es positiv.
Salzburgisch ist der Blick auf die Festung und dass Sie ein Dirndl tragen.
Ja, das habe ich im Sommer jeden Tag an. Das liebe ich einfach und passt auch ganz gut hierher.
2003 ist das Bazar in Ihre Familie als Pächter übergegangen. Gab es Tage, wo Sie das bereut haben?
Hätte ich damals gewusst, welche Bedeutung das Bazar für viele Salzburger hat, wäre ich viel nervöser gewesen. Die ersten Jahre waren schon hart. Die Salzburger sind nicht einfach und haben uns ihre Skepsis spüren lassen. Es gab abschätzige Kommentare, die Gäste blieben aus. Aber wir haben sie zurückerobert und jetzt läuft es schon sehr lange sehr gut.
Sie servieren auch selbst den Kaffee. Haben Sie es gelernt?
Ich war in der Tourismusschule in Klessheim, habe später bei der Familie Brandstätter als Rezeptionistin gearbeitet und den Sohn kennengelernt. Hier im Bazar bin ich mir für nichts zu schade. Mein Mann und ich stehen mit den Mitarbeitern gemeinsam an der Front.
Ihr Mann ist Spitzenkoch, arbeitet aber im Hotel Brandstätter.
Ja, aber wenn uns ein Mitarbeiter fehlt, hilft er mit.
Werden Ihre Kinder auch in Ihre Fußstapfen treten?
Das weiß ich nicht, die zwei Größeren – mit 22 und 16 – arbeiten schon fleißig mit. Die Kleinste ist erst zehn. Es gehört viel Liebe zu dem Beruf.
Viele! Ich wünsche mir Politiker mit Herzblut, die sich wirklich für die Belange der Stadt einsetzen. Gegen den Overtourism sollten sich mal ein paar gescheite Leute zusammensetzen und Maßnahmen entwickeln. Es gibt zu viele Busse und Tagestouristen. Und man kann nicht immer noch mehr Hotels erlauben, wenn die Stadt ohnehin schon so voll ist. Keiner will, dass Salzburg wie Venedig wird, aber wir sind am Weg dahin.
Was wünschen Sie sich für die Gastronomie?
Die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Den Mitarbeitern stünde mehr zu. Gastronomie ist ein Knochenjob.
Die Branche hat den schlechten Ruf, dass man viel Arbeit, aber wenig Verdienst hat.
Das ärgert mich wahnsinnig! Vielleicht gibt es vereinzelt schwarze Schafe, aber sonst stimmt das überhaupt nicht mehr. Man wird leistungsgerecht entlohnt, plus Trinkgeld. Wer keines kriegt, bekommt von uns etwas zugeteilt. Und in welcher Branche bekommen Mitarbeiter Gratis-Essen und wenn nötig sogar eine Gratis-Unterkunft?
Das Bazar ist eine Goldgrube, Sie verdienen wahrscheinlich viel Geld damit?
Wir arbeiten wirklich viel, um gut zu verdienen. Eine gmahte Wiese ist es aber nicht.
Das Kaffeehaus Das 1881 errichtete Gebäude war ursprünglich eine kleine Geschäftszeile. In dem späteren Café saß einst auch Marlene Dietrich. Mehr als 40 Jahre lang führte Grande Dame Vera Tomaselli hier das Regiment.
Die Geschäftsführerin Die ausgebildete Touristikerin Evelyn Brandstätter hat in die Salzburger Hoteliersfamilie Brandstätter eingeheiratet, die das Café seit 2003 gepachtet hat und auch das Hotel Brandstätter betreibt.
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