BVT-Prozess: "Das ist ein Blödsinn, was in der Anklage steht"

BVT-Prozess: "Das ist ein Blödsinn, was in der Anklage steht"
Angeklagter Ex-Chefinspektor hielt sich an „Weisungen von oben“. Österreich habe von syrischem General im Wege des Mossad relevante Informationen erhalten.

Dritter Verhandlungstag im Amtsmissbrauch-Prozess gegen ehemalige Spitzenbeamte des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und einen Spitzen-Vertreter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die 2015 einen syrischen General und möglichen Kriegsverbrecher nach Österreich gebracht und diesem hier Asyl verschafft haben sollen. „Das ist ein Blödsinn, was in der Anklage steht“, hielt ein Chefinspektor am Dienstag fest.

Ausführlich zur Anklage Stellung bezog erstmals der ehemalige BVT-Spionagechef Bernhard P.. „Die WKStA behauptet, es gab einen Tatplan. Wir hätten die Zielperson nach Österreich gebracht, ihr Asyl verschafft und alles gemacht, dass nicht aufgedeckt wird, dass es sich um einen Kriegsverbrecher handelt. Und das alles, damit wir im Konzert der großen Nachrichtendienste mitspielen können. Aber diesen Plan gab es nicht“, betonte P. in seinem Eingangsstatement. Und wenig später betonte er: „Ich verharmlose nichts.“

Tatsächlich habe der ehemalige Abteilungsleiter Martin W. ihn über die Kooperation mit dem Mossad informiert, die der damalige stellvertretende Direktor des BVT abgeschlossen habe. Ende April 2015 habe er gemeinsam mit dem damaligen Abteilungsleiter Martin W. an einem Treffen mit den israelischen Vertretern teilgenommen, bei dem die Operation „White Milk“ besprochen wurde. Dabei habe er sich aber passiv verhalten und „der Rangordnung halber“ W. sprechen lassen .

Bei dem Treffen habe W. gefragt, wie sich „die Zielperson“ legal in Österreich aufhalten könne. Diese sei gefährdet gewesen. „Der ist Christ, der ist Militär und den will die Opposition nicht mehr auf der Straße sehen. Der ist automatisch gefährdet“, meinte der Ex-Spionagechef. Und diese Gefährdung habe überall bestanden - auch in Frankreich, wo sich der General zu diesem Zeitpunkt aufgehalten habe.

Davor hatte die Richterin einen ehemaligen Chefinspektor vernommen. Der Beamte war federführend mit der operativen Umsetzung einer Kooperationsvereinbarung befasst, die das BVT mit dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad geschlossen hatte. Demnach sollte der General, der in Raqqa ein Gefängnis geleitet hatte und von Folterungen von Gegnern des syrischen Regimes zumindest gewusst haben soll, nach Österreich gebracht werden, weil er in Frankreich, wo er bereits um Asyl angesucht gehabt hatte, angeblich nicht mehr sicher war.

"Gefährdungsprognose für das BFA"

Dessen Gefährdung sei ihm „absolut plausibel“ erschienen, gab der Ex-Chefinspektor am Wiener Straflandesgericht zu Protokoll: „Wenn jemand in seiner Funktion vom syrischen Regime desertiert, ist er gefährdet. Er ist ja Geheimnisträger.“ Im Auftrag seines Vorgesetzten - eines mitangeklagten, aber krankheitsbedingt nicht verhandlungsfähigen früheren BVT-Abteilungsleiters - habe er hinsichtlich des Generals eine „Gefährdungsprognose für das BFA“ erstellt, schilderte der Beamte.

Deren Inhalt habe er vom Abteilungsleiter übernommen, der die entsprechenden Informationen „vom Partnerdienst“ bezogen hätte: „Wenn ich als Schreibkraft des Abteilungsleiters missbraucht werde, dann ist das so. Das hinterfragt man nicht. Weisung ist Weisung.“ In der ganzen Sache sei „überhaupt nichts passiert ohne Auftrag und ohne Rücksprache“ mit dem Abteilungsleiter, betonte der Beamte.

Nicht "anfangen, jede Weisung zu hinterfragen"

Für den General ein Asylverfahren einzuleiten, obschon in Frankreich eines im Laufen war, sei aufgrund einer „Weisung von oben“ erfolgt, erklärte der Ex-Chefinspektor. Er habe die maßgeblichen fremdenrechtlichen Bestimmungen nicht im Detail gekannt, sondern sich an seine Vorgaben gehalten: „Wir sind Hierarchie. Wir sind verpflichtet, Weisungen nachzukommen“. Man könne nicht „anfangen, jede Weisung zu hinterfragen“.

BVT-Prozess: "Das ist ein Blödsinn, was in der Anklage steht"

Er selbst habe sich einen Nutzen für Österreich aus der Kooperationsvereinbarung mit dem Mossad erwartet, bemerkte der Ex-BVT-Chefinspektor: „Die haben wir auch bekommen.“ Der General sei ja vom Mossad vernommen worden, er sei bei Befragungen des Offiziers teilweise dabei gewesen. Auch für Österreich relevante Informationen über die Lage in Syrien und nach Europa geflüchtete Syrer seien dabei zutage gekommen: „Die sind verschriftet worden vom Partnerdienst.“ Es handle sich um „streng Klassifiziertes“, das sich „im Eigentum des Partnerdienstes“ befinde. Dieser sei „verpflichtet, die nicht herzugeben“.

Von Frankreich nach Salzburg und Traiskirchen

Der BVT-Beamte übernahm im Sommer 2015 den General in Salzburg, wohin er aus Frankreich gebracht worden war, chauffierte diesen nach Traiskirchen, war bei dessen fremdenpolizeilicher Erstbefragung dabei und besorgte ihm eine Unterkunft. Bereits am 2. Dezember 2015 erhielt der syrische General Asyl. Eine Gefährdung der Sicherheitslage in Österreich sei dadurch nicht gegeben gewesen, meinte der Angeklagte unter Verweis auf „Informationen aus der Community“.

Anfang 2016 trat dann eine NGO - die Commission for International Justice and Accountability (CIJA) - mit Hinweisen auf mögliche Kriegsverbrechen des Generals ans Justizministerium heran. Dazu bemerkte der angeklagte frühere BVT-Chefinspektor, die CIJA habe „bis zum heutigen Tag keinen einzigen Beweis für Kriegsverbrechen“ geliefert. Seine Vorgesetzten hätten allerdings unverzüglich den israelischen Partnerdienst „einbestellt“. Am 15. Februar 2016 sei eine Delegation aus Israel nach Österreich gekommen und habe in einem abhörsicheren Raum „versichert, dass dezidiert keine Hinweise auf Kriegsverbrechen vorliegen“.

Mittlerweile dürfte sich diese Einschätzung geändert haben. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen den General wegen Beteiligung an Körperverletzungen und Folter in Syrien, wobei sich die Erhebungen auf den Zeitraum 2013 beziehen. Was den fremdenrechtlichen Status des möglichen Kriegsverbrechers betrifft, wurde ein Asyl-Aberkennungsverfahren durchgeführt. Der Mann hält sich aber auf Basis eines so genannten Duldungsrechts weiter in Österreich auf - er kann de facto aus menschenrechtlichen Gründen nicht nach Syrien abgeschoben werden, da er dort mit einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben rechnen müsste.

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