Sie habe sich zurück kämpfen müssen, beschreibt Claudia Klimt-Weithaler: Die steirische KPÖ-Klubobfrau war wegen Burn-outs lange im Krankenstand.
KURIER: Woran haben Sie gemerkt, dass es Ihnen nicht gut geht?
Claudia Klimt-Weithaler: Ich wollte in der Früh aufstehen und in die Arbeit gehen. Aber mir hat jeder Körperteil wehgetan. Mein erster Gedanke war, Grippe oder Corona. Ich hab’ dann gedacht, ok, ich muss zur Ärztin – aber plötzlich hab’ ich nur noch geheult. Mir war da aber überhaupt nicht bewusst, was jetzt so schrecklich ist.
Die Ärztin hat mich zuerst gefragt: „Wie geht es Ihnen denn?“ Das war der nächste Dammbruch. Ich hab’ einfach nur noch geheult, weil ich gemerkt habe: Ich kann diese Frage nicht beantworten. Es geht mir ganz, ganz schlecht und ich weiß nicht, warum. Die Ärztin hat eine Erschöpfungsdepression festgestellt.
Kann man diese Diagnose als Politikerin mit einem vollen Arbeitstag annehmen?
Der Zusammenbruch war so stark, dass ich gar nicht mehr anders konnte. Ich habe teilweise das Gefühl gehabt, ich kann nicht mehr aufstehen. Ich bin auf der Couch gelegen und habe gedacht, ich hätte jetzt gern einen Tee. Aber bis ich aufgestanden bin und den Tee gemacht habe – das hat am Anfang Stunden gedauert.
Betroffene
Laut Arbeiterkammer Steiermark sind zehn Prozent der Österreicher, die aktiv in einem Beruf tätig sind, Burn-out-Betroffene. Weitere 16 Prozent gelten als "akut gefährdet".
Drei Stufen
Burn-out äußert sich mit vielerlei Beschwerden, deshalb ist eine Definition etwas kompliziert. Die Fachwelt unterscheidet drei Stufen.
Stufe 1: Erste Anzeichen von Erschöpfung, z.B. mit Schlafproblemen.
Stufe 2: Es kommt zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen, im Fokus steht die (Mehr-)Arbeit, man ist leicht reizbar und schnell gekränkt.
Stufe 3: Völlige Erschöpfung, geistig wie körperlich. Es kommt zur Apathie und innerer Unruhe, der Lebensmut sinkt, suizidale Gedanken können auftauchen.
Wie fühlt sich Burn-out an?
Körperlich kann man das so beschreiben: Es ist wie bei einer richtigen Grippe, jede Bewegung tut weh, der Kopf surrt. Man kann sich nicht vorstellen, dass man duschen geht, weil das so lang dauert. Psychisch hab’ ich gedacht, es ist alles so schlimm, der Krieg, die Pandemie, die Klimakrise – wieso soll ich eigentlich noch aufstehen? Es kam in Wellen. Es gab Phasen, wo ich gedacht habe, ja, ich mag wieder hinaus gehen. Und dann gab es Tage, wo ich nicht in einen Autobus einsteigen konnte, weil da so viele Leute drin gesessen sind. Da war die Gesprächstherapie ganz wichtig. Gleichzeitig waren die Medikamente auch wichtig.
Gibt es Möglichkeiten, Burn-out selbst zu erkennen?
Ich habe meine Therapeutin gefragt, wieso habe ich das nicht früher bemerkt? Ihre Antwort war: Die Psyche kann gut Dinge verschieben, wenn es gerade nicht passt. Darum streikt dann der Körper.
Es hat sicher Anzeichen gegeben, die ich ignoriert habe, sonst hätte der Körper nicht Stopp gesagt. Beim Nachdenken bin ich draufgekommen, dass ich schon weit früher Panikattacken hatte, die ich nicht als solche eingeordnet habe. Ich bin in der Nacht aufgewacht, weil ich starke Atemprobleme hatte, mir hat der linke Arm wehgetan, das Herz hat gerast. Ich habe gedacht, so, jetzt hast du einen Herzinfarkt. Aber durch Atmen konnte ich mich da wieder beruhigen. Danach war ich beim Kardiologen – alles in bester Ordnung. Aber die Frage, die ich mir nicht gestellt habe, war: Was kann es dann gewesen sein? Ich habe auch angefangen, wichtige Dinge zu vergessen. Meine Erklärung war, ich hab’ einfach viel zu tun, da kann man halt schon was vergessen. Ich habe auch nicht mehr schlafen können. Und ich habe früher immer viel Kopfweh gehabt.
Wie lang mussten Sie auf eine Reha warten?
Unglaublich lang. Ich habe im Jänner 2023 angesucht, im Oktober 2022 war der Zusammenbruch. Beim Ansuchen kann man eine Wunschklinik angeben. Ich wollte erst keine in der Steiermark, weil ich hier doch zu bekannt bin. Mir wurde eine in einem anderen Bundesland empfohlen, die Einrichtung hat sich im März 2023 gemeldet: Ich könne im Dezember 2023 kommen, auf der Warteliste befanden sich auch mehr als 100 Personen. So was hörst du in einer Situation, wo es dir eh schlecht geht. Ich habe dann einen Tag gebraucht, zu überlegen, wie tue ich jetzt? Dann habe ich beschlossen, ich rufe eine andere Einrichtung an. Da hatte ich Glück, in St. Radegund konnte ich im August 2023 kommen.
Burn-out ist nach wie vor ein Tabuthema. Sie reden darüber.
Ich habe zuerst überhaupt nicht darüber nachgedacht, mache ich das öffentlich oder nicht. Aber nachdem ich drei, vier Wochen im Krankenstand war, haben die Leute natürlich begonnen, nachzufragen. Da habe ich aus dem Bauch heraus zu meiner Klubdirektorin gesagt, sag’, was ich habe, ein Burn-out.
Darüber spricht selten jemand offen.
Ich habe schon beruflich immer wieder mit dem Thema zu tun gehabt und auch da schon gemerkt: Niemand verheimlicht, dass er sich den Fuß gebrochen hat oder eine Lungenkrankheit hat. Aber bei den psychischen Erkrankungen ist es immer noch so, dass man da ein bisschen herumredet und sich nicht ganz hinaus traut damit. Da war für mich klar: Wenn ich jetzt in so einer Situation bin und sage, ich habe das, dann kann ich vielleicht sogar ein bisschen zur Enttabuisierung beitragen.
Was hat Ihnen persönlich geholfen?
Der extreme Abstand war total wichtig, ich war ja acht Monate im Krankenstand. Je länger ich daheim war, desto mehr habe ich gemerkt, wie wohltuend diese Auszeit ist. Wenn du in einem richtigen Burn-out drin bist, merkst du nicht, ob du müde bist, ob du Hunger hast, ob du durstig bist. Und ich habe gemerkt: Oh, die Welt dreht sich weiter, auch wenn ich nicht dabei bin.
Sie sind zurück in der Arbeit, in der Landespolitik. Machen Sie jetzt etwas anders als früher?
Ich habe mir die Frage gestellt, was fehlt mir in meinem Leben? Da habe ich mich für Shiatsu begeistert, das tut mir gut. Ich gehe regelmäßig einmal in der Woche zum Yoga, der Termin ist fix im Kalender, den auch alle akzeptieren. Ich habe mir für die Bürotür ein Schild mit einem Ufo drauf gebastelt: Wenn das dort hängt, heißt dass, ich will nicht gestört werden – außer, es kommt ein Ufo, dann könnt’s anklopfen (lacht).
War es für Sie selbst auch schwer zu akzeptieren, dass alles jetzt anders läuft?
Bei manchen Dingen habe ich mir am Anfang schwergetan, meine eigenen Vorgaben einzuhalten, z.B. die Pausen. Für mich war eine Pause früher so: Als Raucherin bin ich meistens raus und habe eine Zigarette geraucht. Aber da triffst du immer jemanden, mit dem du redest. Oder eine Kollegin sagt, ich geh’ mit dir mit, dann können wir das und das schnell klären. Oder ich habe mein Handy mitgenommen und geschaut, wer ist denn alles zurückzurufen? Das waren meine Pausen. Aber das sind keine.
Was braucht es in der Gesellschaft, in der Politik, um die Erkrankung Burn-out zu enttabuisieren?
Es braucht noch viel, viel mehr Information. Viele Menschen haben gar kein Bild davon, was eigentlich bei einer psychischen Reha passiert, wofür ein Psychiater gut ist oder eine Psychotherapeutin. Da braucht es noch viel mehr bei der Bewusstseinsbildung. Das gehört auch in den Bildungsbereich, denn speziell die Pandemie hatte psychische Folgen für viele Jugendliche, das muss man ganz ehrlich sagen.
Wenn ich Sie frage, wie es Ihnen heute geht: Wie lautet die Antwort?
Heute geht es mir sehr gut. Ich merke, ich habe wieder Freude an der Arbeit. Das ist sehr schön, wenn du dich an einem Punkt deines Lebens befunden hast, wo du sagst: Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder von dem Sofa oder aus dem Bett steige.
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