"Der Großteil will arbeiten, das spürt man"

"Der Großteil will arbeiten, das spürt man"
Eva Maria Posch, Ortschefin der Tiroler Gemeinde Hall, ist skeptisch, ob die Traglufthalle für Flüchtlinge wirklich geeignet ist.

KURIER-Dossier: Wie die Flüchtlingskrise Österreich veränderte

Rund 200 Menschen wurden in einer Traglufthalle – eine nicht-feste Unterkunft mit massivem Boden und aufgeblasener Hülle – in der Tiroler Gemeinde Hall untergebracht. Die hiesige Bürgermeisterin Eva Maria Posch (ÖVP) ist unzufrieden mit der Lösung – auch wenn das Land es gut gemeint habe.

KURIER: Frau Bürgermeisterin, was fällt Ihnen zu "ein Jahr Flüchtlinge" ein?

Eva Maria Posch: Zum einen die enorme Hilfsbereitschaft in der Gemeinde, zum anderen aber auch die Berührungsängste mit Fremden. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Stimmung nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht verändert hat. Es wurden Angstszenarien geschürt und pauschalisiert, was wiederum in Hass mündete.

Verstehen Sie die Ängste?

Ja, damit müssen wir sorgsam umgehen. Allerdings muss uns auch klar sein, dass Menschen unterschiedlich sind und wir nicht alle über einen Kamm scheren dürfen.

Gab es nach den Vorfällen in Köln Widerstand bei der Aufnahme von Flüchtlingen?

Schauen Sie, wir haben eine lange humanitäre Tradition in Hall. Immer wieder werden bei uns Flüchtlinge aufgenommen und es wird versucht, sie in die Gemeinde zu integrieren. Mit der Kompetenz, die wir uns in den vergangenen Jahren angeeignet haben, war es uns möglich, viel an Defiziten im Umgang mit Flüchtlingen aufzufangen. Bei einer Informationsveranstaltung, die wirklich sehr gut besucht war, haben wir versucht, auf etwaige Sorgen von Bürgern näher einzugehen.

Ist es Ihnen gelungen?

Ansatzweise. Wir konnten einige Gerüchte und Märchen entkräften. Was aber geblieben ist, sind die individuellen Ängste. Wenn eine ältere Dame zu mir kommt und sagt, sie hat Angst, wenn sie in der Nacht alleine unterwegs ist… Wie soll ich darauf reagieren? Wir tun ohnehin alles, damit sich jeder in Hall wohlfühlt.

Sind Sie der Meinung, die Gemeinde hat alles richtig getan?

Wir bemühen uns. Es gibt sehr viel ehrenamtliche Helfer, Leute, die gerne für und mit Flüchtlingen arbeiten. Was mich persönlich aber sehr freut, ist, dass viele Flüchtlinge für gemeinnützige Tätigkeiten eingesetzt werden. Sie kümmern sich zum Beispiel um die Pflege von Grünflächen. Natürlich gibt es Menschen, die ihre Zeit lieber anders verbringen möchten, aber der Großteil will arbeiten, das spürt man. Alles ist besser als nur herumzusitzen und an die Decke zu schauen.

In vielen Gemeinden ist das aber der Fall. Täuscht der Eindruck, oder haben es Österreichs Politiker verabsäumt, das Land sowie Bürger auf die hohe Zahl geflüchteter Menschen vorzubereiten?

Im Nachhinein ist es einfach alles und jeden zu kritisieren. Ich attestiere der Politik, dass sie versucht hat, auf die Herausforderung so schnell wie möglich zu reagieren. Dass es an gewissen Stellen teilweise stark gezwickt hat, ist bedauerlich, war aber erwartbar. Nirgends funktioniert die Flüchtlingspolitik reibungslos, und Österreich ist bestimmt kein Sonderfall.

In Ihrer Gemeinde gab es immer wieder Kritik an der Traglufthalle, in der rund 200 Asylwerber untergebracht sind.

Das Land Tirol hat die Hallen angekauft und es war mit Blick auf die damalige Situation in Spielfeld, als Menschen im Freien übernachten mussten, sicherlich gut gemeint. Als Asylquartiere sind sie aber nicht optimal. Das fehlende Tageslicht und die mangelnde Privatsphäre sind niemandem zumutbar.

Das Land verteidigt den Ankauf mit der Begründung, dass bei einem plötzlichen Anstieg von Asylwerbern Traglufthallen besser sind als gar kein Quartier.

Eine Traglufthalle ist kein richtiges Quartier für Menschen, die nach einer langen Reise endlich zur Ruhe kommen wollen. Sie brauchen ein festes Gebäude, in dem sie sich wohlfühlen können und einen Raum für sich haben. Das sehe nicht nur ich so, auch Gemeindebürger stehen dieser Flüchtlingsunterkunft eher skeptisch gegenüber.

Sie kritisierten in den vergangenen Monaten mehrmals die zuständige Flüchtlingsreferentin des Landes Tirol, Christine Baur.

Der Informationsfluss und die Kommunikation zwischen Land und Gemeinde waren nicht immer optimal. Wir benötigen eine gewisse Vorlaufzeit, wenn Flüchtlinge in Unterkünften einquartiert werden. Doch oft sind die Informationen von Soziallandesrätin Baur (Grüne) und den Tiroler Sozialen Diensten, die für die Grundversorgung der Asylwerber zuständig sind, mangelhaft. Ich hoffe, dass wir das künftig besser handhaben können. Immerhin steht uns im Herbst wieder die Einschulung von Flüchtlingskindern bevor. Das muss optimal organisiert und geregelt werden.

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