"Die Leute müssen ja irgendwo unterkommen"

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner holte sich Asyl-Tipps in Bayern und traf ihren Münchener Amtskollegen Joachim Herrmann (re.).
Reportage: Mikl-Leitner besichtigte Traglufthalle, die als Flüchtlingsunterkunft dient.

Taufkirchen, acht Kilometer südlich von München, knapp 17.700 Einwohner – und bald 300 Flüchtlinge: Ein paar ältere Damen stehen in der sengenden Mittagshitze neben dem Sportplatz unter einem Baum und plaudern. "Mei, der Moritz ist halt beleidigt, aber sonst ist das schon eine gute Sache", sagt Gisela Dohnal. "Der Moritz" ist Terriermischling – und "die gute Sache" ist eine Traglufthalle, die seit einer Woche in der bayerischen Gemeinde als Unterkunft für Asylwerber dient.

Beleidigt ist der Moritz, "weil die Halle auf seiner ehemaligen Spielwiese steht", erklärt Frau Dohnal mit einem Schmunzeln. "Spaß beiseite. Die Leute", also die Flüchtlinge, "müssen ja irgendwo unterkommen", befindet die Pensionistin. Ihre Freundin Brigitte aus Düsseldorf nickt.

Gab es keine Aufregung im Ort, als die Pläne bekannt geworden sind? "Nein", sagt eine andere Dame. Und Frau Dohnal ergänzt: Der Moritz ist "auch ein Zugereister, er stammt aus Ungarn". Also müsse er Verständnis haben, dass jetzt seine Wiese für "Zugereiste" verwendet wird.

Unaufgeregte Debatte

Um diese Unaufgeregtheit in Sachen Asyl beneidet Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Deutschland. Bei ihrem Arbeitsbesuch am Mittwoch in Bayern schilderte sie ihrem Amtskollegen Joachim Herrmann, dass die Debatte in Österreich "emotionaler und unsachlicher geführt wird". Die Länder kämen in Deutschland auch ihren Verpflichtungen nach: "Wenn ein Bundesland zu wenig Quartiere hat, stellt es selber Zelte auf. Diese Ehrlichkeit würde ich mir in Österreich auch erwarten."

Den Ländern empfiehlt die Ministerin Traglufthallen wie jene in Taufkirchen. Daher waren auch Ländervertreter dabei. In Bayern soll es bald noch mehr solcher Hallen geben, in Berlin stehen schon zwei davon.

Die Übergangsunterkunft, die von außen wie ein überdimensionaler Polster wirkt und die Größe eines Fußballfeldes hat, ist im Gegensatz zu Zelten winterfest – und im Sommer kühlbar. Im Inneren wurden mit Spanplatten abgetrennte Schlafkojen mit Stockbetten geschaffen, die den Familien "ein bisschen Privatsphäre bieten", stellt Mikl-Leitner fest. Es sind auch Duschen und WCs vorhanden.

Auf einer Couch im großzügigen Aufenthaltsbereich sitzt gerade ein Vater mit seiner Tochter, daneben steht ein rotes Rutschauto. Beide wirken entspannt – und beäugen den Besucher-Tross gelassen. Sonst sieht man kaum Leute, erst 30 Flüchtlinge sind da, aber täglich kommen mehr: "Afghanen, Bosnier, Iraker, Somalier, Syrer ...", zählt ein Gemeindevertreter auf.

Gute Alternative

Mikl-Leitner sagt, die Hallen seien "eine gute Alternative zu festen Quartieren, weil sie eine humane Betreuung ermöglichen".

Das hat natürlich auch seinen Preis. 81.000 Euro sind an Kosten für 300 Flüchtlinge pro Monat zu berappen.

Die ÖVP-Politikerin kann derzeit keine derartigen Hallen aufstellen, weil ihr die rechtliche Handhabe fehlt. Aber bald wird sie ein Durchgriffsrecht haben. Im Herbst soll das entsprechende Verfassungsgesetz im Parlament beschlossen werden. Dann kann die Ministerin auf allen Bundesgrundstücken in ganz Österreich ohne Zustimmung von Landes- und Gemeindepolitik Quartiere errichten. Das will sie tun – "wenn auch nur im Notfall".

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