Budgetloch an Unis: "Am Ende leidet Ausbildung oder Forschung"
Seit knapp einem Jahr ist Peter Riedler Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz: Er ist Jurist, aber nicht habilitiert und kommt daher nicht aus der wissenschaftlichen Forschung, ungewöhnlich für eine Uni wie Graz.
KURIER: Ich sehe kein rotes Telefon in Ihrem Büro. Haben Sie einen direkteren Draht zum Wissenschaftsminister? Martin Polaschek ist ja Ihr Amtsvorgänger.
Peter Riedler: Natürlich ist es so: Wenn man jemanden kennt, ist die Gesprächsbasis eine gute. Allerdings ist der Minister für alle Universitäten da, das Ministerium agiert sehr objektiv. Einen unmittelbaren Vorteil hat man da nicht.
Beim Exzellenzprogramm, bei dem es Förderungen gab, ist die Uni Graz – wie andere Unis im Süden Österreichs – aber leer ausgegangen. Was ist da schief gelaufen?
Eigentlich waren wir sehr erfolgreich, was die Antragsphase betrifft und auch mit einer konkreten Beteiligung. Wir sind mit den beiden Lead-Projekten – MetAge und Transition4Climate – sehr weit gekommen, aber letztlich knapp gescheitert. Insofern kann man sich vom Ergebnis nichts abbeißen. Allerdings ist die Exzellenz schon bestätigt worden, auch wenn die Projekte der Uni Graz aus finanziellen Gründen nicht gefördert wurden, da wurden andere vorgereiht. Aber klar, es besteht eine gewisse Gefahr, dass hohe Fördermittel nicht in die Steiermark fließen.
Im November 2022 gab es große Demonstrationen, Stichwort Teuerung und Kosten. Seither ist es ruhiger geworden um die Debatte.
Die Universitätenkonferenz hat gemeinsam mit dem Ministerium den Fehlbetrag überlegt. Die Summen wurden anhand Inflationsraten und Kostensteigerungen einzelner Blöcke – Energie, Personal, Sachmittel – berechnet. Bei der Annahme von Gehaltssteigerungen von zehn Prozent gibt es eine Lücke für 2024 von 525 Millionen Euro für alle Unis. Der Uni Graz fehlen 30 Millionen.
Und danach?
Bis 31. Oktober dieses Jahres muss das Gesamtvolumen der Leistungsvereinbarung für die Jahre 2025 bis 2027 festgelegt werden. Das ist ein sehr entscheidender Zeitraum. Da geht es darum, ob man das ganze Programm abspielt oder ob es zu Einsparungen kommt. Das sind Dinge, die unmittelbar oft gar nicht spürbar sind, wenn z. B. Professuren nicht nachbesetzt werden.
Wenn die Lücke jetzt schon so groß ist: Wie wird das für die nächsten Jahre?
Wir rechnen damit, dass wir eine Zielsumme von 16 Milliarden Euro im Budget erreichen müssten. Im Vergleich: Für die aktuelle Leistungsvereinbarungsperiode bis 2024 haben wir einen Bedarf von 13,6 Milliarden Euro errechnet.
Woran würden das die Studierenden merken, dass Unis zurückschrauben müssen?
Die Studierenden würden das in manchen Bereichen gar nicht sofort merken, aber es könnte zum Ausfall von Lehrveranstaltungen kommen. Lehrende müssten andere Lehrveranstaltungen zusätzlich übernehmen. Wir müssten bei Investitionen oder Sanierungen bremsen. Aber es würde nicht so laufen, dass wir erst um 11 Uhr aufsperren statt um 8 Uhr.
Vom nächsten Winter sind wir ja noch ein Stück entfernt, aber können Sie es sich leisten, Hörsäle zu heizen?
Ja. Wir sind zwar nach wie vor in einer hohen Energiepreisphase, weil die Verträge im Voraus abgeschlossen werden. Aber wir sehen, dass wir für 2024 bessere Preise erreichen können und teilweise schon erreicht haben. Das Energiethema ist derzeit nicht das große Thema, wobei wir über Weihnachten womöglich schon wieder Einsparungen vornehmen werden, allein schon aus Klimagründen. Und das Geld können wir auch brauchen, im Vorjahr waren das über Weihnachten 260.000 Euro.
Persönlich
Peter Riedler, geboren 1969, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Sein Vater war Weltraumwissenschafter Willibald Riedler, der 1975 bis 1977 Rektor der TU Graz war
Beruflich
Riedler studierte Jus und hatte berufliche Stationen in politischen Büros (u. a. im Kabinett Wolfgang Schüssels),wechselte 2007 in die AVL List und wurde 2011 Vizerektor für Finanzen an der Uni Graz. Nach dem Wechsel von Rektor Martin Polaschek in die Bundesregierung führte er die Uni Graz interimistisch, im Juni 2022 wurde er vom Uni-Rat als Rektor bestellt. Nach einer anonymen Anzeige wegen angeblichen Postenschachers prüfte die Justiz, die jedoch keinen strafbaren Fall darin sah, es gab keine Ermittlungen
Was ist dann das große Thema, wenn nicht Energie?
Das Personal, gerade bei einer Universität unseres Zuschnitts. Wir haben zwischen 60 und 70 Prozent Personalkosten, das sind rund 180 Millionen Euro. Wenn es da tatsächlich zehn Prozent Gehaltssteigerungen gibt, sind das natürlich andere Dimensionen als die 2,1 Prozent, die man beim Abschluss der Leistungsvereinbarung angenommen hat. Da liegt der Hauptkostenfaktor.
Gibt es Lösungsansätze?
Die Rechnung ist sehr einfach: Die Unis haben Substanz, die aber nicht vollkommen frei, sondern für Ansparungen da ist. Wir müssen beispielsweise 15 Millionen Euro für das Center of Physics ansparen. Wir können natürlich eine gewisse Zeit diese Mittel reduzieren, wir brauchen sie erst 2029/30, und sagen, wir verwenden sie für Personalkostensteigerungen. Aber das funktioniert nur kurzfristig. Das ist da eigentliche Dilemma, das schwer vermittelbar ist. Deshalb drängen wir so darauf, zu sagen: Die Personalkostensteigerungen müssen wir auf jeden Fall abdecken.
Unternehmen in der Größenordnung sagen, dann muss man Personal reduzieren.
Das ginge, aber zum Schaden der Studierenden und der Forschung. Die Unis können sparen, fast zwei Drittel der Verträge sind befristet, da laufen viele auch aus. Aber das ist gleichzeitig das Gefährliche daran: Wenn die Unis zu sparen beginnen, leidet der Wissenschaftsstandort. Das heißt weniger Professuren, weniger Lehrende, weniger Forschungsmittel. Am Ende des Tages leidet entweder die Ausbildung oder die Forschung.
Wäre es eigentlich angesichts der Kosten nicht an der Zeit, von Studierenden einen Beitrag zu verlangen?
Da würden wir von einer radikalen Änderung unseres Systems sprechen, die nicht gewollt ist und auch nicht realistisch. Auch die Studiengebühren, die es bei uns gegeben hat, waren ja an sich rein als Lenkung gedacht. Sie finanzieren diese Kostensteigerung nicht. Es ist eine Illusion, dass man durch Gebühren unsere Unis finanzieren kann. Das ist kein Thema.
In vielen Branchen ist aber Personalmangel ein Thema. Bei Ihnen auch?
Sicher. Wir sehen das bei Doktoranden-Bewerbungen, Nachwuchsforschungspersonal, dass in manchen Bereichen der wissenschaftliche Weg nicht so attraktiv ist, wie er sein sollte. Dann natürlich in den klassischen Bereichen wie andere Unternehmen auch, IT, Buchhaltung, wo wir dann schon unter Druck geraten, Überzahlungen zu leisten, weil wir mit anderen im Wettbewerb stehen. Am stärksten ist das Thema aber bei Berufungen von Professuren: Es ist nicht so, dass sich niemand bewerben würde, aber die Leute können es sich aussuchen, wo sie hingehen.
Wie stehen Sie zu den Methoden der Klimaaktivisten, Hörsaalbesetzung da, Straßenblockade dort?
Ich spüre die ehrliche Sorge der jungen Leute und verstehe das Anliegen. Aber als Institution können wir Aktionen, die sich nicht im Rechtsrahmen befinden, nicht unterstützen. Insofern ist meine große Sorge, dass es zu einer Polarisierung kommt, innerhalb der Uni, innerhalb der Gesellschaft. Das merkt man ja auch im politischen Diskurs. Manche Gruppen sagen, gut, das bringt uns mehr Wähler und schafft eine unglückliche Stimmung. Deshalb glaube ich, dass man bei Aktionen vorsichtig sein muss.
Kommentare