"Böse Absicht darf nicht bestraft werden"

Symbolbild: Elektronische Fußfessel
Terrorabwehr: Verfassungsrechtler, Richter und Justiz-Sektionschef haben Bedenken gegen Fußfessel für Gefährder.

Der von Innenminister Wolfgang Sobotka und Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) gemeinsam geschmiedete Plan, sogenannte Gefährder mit der Fußfessel in Schach zu halten, scheint zum Scheitern verurteilt. Verfassungsjuristen sehen einen Gesetzesbruch, die Richter wollen das so nicht exekutieren, und selbst Brandstetters Sektionschef Christian Pilnacek meldet seine Bedenken an.

Nicht erst seit den jüngsten Festnahmen von Terrorverdächtigen denkt Sobotka daran, Gefährder – denen die Polizei Terroranschläge zutraut – mit der Fußfessel zu überwachen. Im Kapitel Sicherheit des Regierungsübereinkommens ist im Punkt Terrorprävention nun festgehalten: "In Fällen, in denen die Gefährdung nur abstrakt ist und die Untersuchungshaft unverhältnismäßig wäre, wird die elektronische Fußfessel als gelinderes Mittel angestrebt und durch die Gerichte entschieden."

Nichts angestellt

Richterpräsident Werner Zinkl sieht in der "abstrakten Gefährdung" einen Widerspruch: "Der muss schon was angestellt haben. Dann gibt es einen dringenden Tatverdacht, und wenn es einen Haftgrund gibt, dann kann man U-Haft verhängen."

Als gelinderes Mittel statt der Haft käme die Abnahme des Reisepasses oder eine Kaution in Frage, in seltenen Fällen auch der elektronisch überwachte Hausarrest als Alternative. Aber das alles komme nicht bei jemandem in Frage, "der noch gar nichts angestellt hat."

Außerdem hinterfragt Zinkl im Gespräch mit dem KURIER die Sinnhaftigkeit, denn ein Selbstmord-Attentäter "sprengt sich samt Fußfessel in die Luft. Es wäre doch geschickter, den zu überwachen, ohne dass er es mitbekommt."

Der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sagt, man brauche zumindest eine Versuchshandlung bzw. eine konkrete Vorbereitungshandlung, um in die verfassungsrechtlich garantierte persönliche Freiheit eingreifen zu dürfen: "Böse Absicht und Gesinnung dürfen nicht bestraft werden. Das gab es in der Sowjetunion im Gulag, wo man beweisen musste, dass man nichts Böses plant."

Die Vermischung von polizeilicher Prävention und Strafverfolgung hält Funk für bedenklich: "Die Überwachung durch die Fußfessel aus Gründen der Prävention, obwohl jemand noch gar nichts getan hat, ist eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. Das ist im Verfassungsrecht präzise geregelt."

Und die Fußfessel ohne Beschränkung, zur bloßen Kontrolle? Funk: "Eine Fußfessel, mit der man sich überall frei bewegen kann, macht ja keinen Sinn."

Anwaltspräsident Rupert Wolff nennt die zur Terrorprävention angekündigten Maßnahmen "nur ein Placebo für das Volk" und findet den Fußfessel-Plan "überschießend".

Selbst dem für die Gesetzgebung zuständigen Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, sind die Ministerpläne offenbar zu unausgegoren: "Die Fußfessel ist eine alternative Form des Vollzugs der U-Haft." Und diese könne nur verhängt werden, wenn "der Beschuldigte einer bestimmten Straftat dringend verdächtigt, vom Gericht zur Sache vernommen worden ist" und ein Haftgrund (Flucht-, Vertuschungs- oder Tatbegehungsgefahr) vorliege.GesetzesänderungWolle man anderes, müsse man das Gesetz ändern. Mit einem bloßen Erlass des Justizministeriums, wie von Brandstetter im Regierungsübereinkommen festgeschrieben, werde es nicht getan sein.

Als Mittel des Strafvollzugs wird die Fußfessel seit 2010 eingesetzt. Von den bisher 4256 Personen, denen sie an Stelle des Gefängnisaufenthalts angelegt wurde, war der elektronisch überwachte Hausarrest in 39 Fällen die Alternative zur U-Haft.

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