Bettelverbote auf dem Prüfstand

Bettler haben in der Stadt Salzburg einen schweren Stand (Symbolbild)
Experten meinen, Entscheidung zu Salzburger Verordnung ist auf andere Städte übertragbar.

Der Entscheid des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), das 2015 beschlossene sektorale Bettelverbot in Salzburg zu kippen, beschäftigt offenbar auch Städte mit ähnlichen Verordnungen. Der Linzer Sicherheitsstadtrat Detlef Wimmer (FPÖ) sah sich sofort dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass aus seiner Sicht die Regelung in der oberösterreichschen Landeshauptstadt "verfassungsrechtlich einwandfrei" sei. Dort ist seit Mai 2016 ein sektorales Verbot in Kraft. Seither ist das Betteln in der Fußgängerzone und am Hauptbahnhof zu bestimmten Zeiten untersagt, auf Märkten zu den Marktzeiten.

"Der wesentliche Unterschied ist, dass man in Linz bei der Ausarbeitung der Verordnung auf Missstände hingewiesen hat und diese auch belegen kann. Dieser Punkt ist in Salzburg offenbar zu wenig berücksichtigt worden", meint Wimmers Sprecher Christian Deutinger.

Bisher keine Strafen

Die Haltung der Verantwortlichen in Linz, dass die Verordnung mit Sicherheit verfassungskonform ist, teilt der Linzer Rechtsanwalt Helmut Blum nicht. Er hat in der Vergangenheit mehrmals die Bettellobby Oberösterreich vertreten. "Das könnte durchaus auch Auswirkungen auf Linz haben. Die Argumente des VfGH scheinen auf den ersten Blick übertragbar", meint Blum.

Die Höchstrichter stellten fest, dass das Verbot in Salzburg wegen seines zeitlichen und räumlichen Umfangs (es galt in der Gegend rund um die Getreidegasse von 8 bis 19 Uhr) einem absoluten Verbot gleichkomme. Aus ähnlichen Gründen hob der VfGH bereits im März das Bregenzer Bettelverbot teilweise auf. Blum sagt, er sehe durchaus eine Chance, auch das Verbot in Linz zu Fall zu bringen. Dazu bräuchte es aber einen Strafbescheid, um die Regelung anfechten zu können.Bisher liege ein solcher jedoch nicht vor, wie es aus dem Büro von Stadtrat Wimmer heißt.

In Salzburg scheiterte unterdessen am Mittwoch die grüne Bürgerliste mit ihrem Dringlichkeitsantrag, um die weiterhin gültige Ausweitung des sektoralen Bettelverbots aus dem Jahr 2016 (in viel frequentierten Bereichen der Innenstadt) außer Kraft zu setzen. "Die Verordnung zum Salzburger Verbot des stillen Bettelns ist gesetzeswidrig und muss aufgehoben werden", meinte Bürgerlisten-Klubobmann Helmut Hüttinger.

Davon geht auch der emeritierte Universitätsprofessor Christian Brünner aus Graz aus. "Die Verschärfung 2016 ist sicher auch verfassungswidrig." Jedes "überschießende" Verbot sei davon bedroht, vom VfGH aufgehoben zu werden. Brünner war in ähnlichen Auseinandersetzungen schon involviert: Der Verfassungsjurist hatte 2011 den generellen Bettelverbotspassus im steirischen Landessicherheitsgesetz und 2012 das Salzburger Bettelverbot erfolgreich vor dem VfGH bekämpft.

Änderung nach Sommer

Der ressortzuständige Stadtrat Harald Preuner (ÖVP) kündigte am Dienstag an, die Verordnung über den Sommer anpassen zu wollen obwohl er mit weiteren Beschwerden rechne. Möglichkeiten dafür gäbe es genug: Laut Polizei gab es im Vorjahr 53 Strafbescheide, heuer waren es bis Ende Mai zehn. Mit weiteren ist zu rechnen, da Polizeisprecher Michael Rausch bereits angekündigt hat, die bestehende Regelung weiter exekutieren zu wollen.

Kein Verständnis für die Praxis der Salzburger Stadtpolitik kommt angesichts der "klaren Rechtslage" von Fatma Özdemir. Die Rechtsanwältin hat vor dem VfGH jene Bettlerin vertreten, die gegen das ursprüngliche Verbot aus dem Jahr 2015 geklagt hatte. "Ich finde das absolut nicht in Ordnung. Es war absehbar, was auf die Stadt zukommt. Es wäre ein Leichtes, die Verordnung sofort zu sanieren", meint Özdemir.

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