Berge ohne Bauern: Amtsschimmel gefährdet Alm-Idylle
Die Käsetücher trocknen in der Sonne, die Milchkrüge stehen daneben. Ein uriges Bild, wie aus einem anderen Jahrhundert. „Aber das wird noch heute so gemacht bei uns auf den Almen“, erklärt Anton Hafellner, Obmann des steirischen Almwirtschaftsverbandes. „Das ist Regionalität, das ist Jahrhunderte alte Tradition.“
Eine Vergangenheit, der die moderne Gegenwart zunehmend in die Quere kommt. Immer mehr Auflagen, Hygienevorschriften und Regulierungen von technischer Ausstattung mit zu kurzfristigen Kontrolluntersuchungen machen es den Bauern schwer, ihre Almhütten in der althergebrachten Weise zu bewirtschaften. „Es wird immer schwieriger für uns“, bedauert Hafellner. „Manche sagen schon, wir hören auf, wir packen das nimmer.“
Mit Käse zur Behörde
Wie ein Hüttenwirt aus der Obersteiermark etwa, der ein paar Ziegen hält und aus dem bisschen Milch Käse herstellt. Eine heimische Delikatesse, bei Wanderern nachgefragt, berichtet Hafellner. „Er hat damit aufgehört, weil er wöchentlich mit dem Käse zur Behörde ins Tal hätte fahren sollen, zur Kontrolle, ob alles stimmt. Aber die Kosten dafür stehen in keiner Relation.“
Doch es seien gerade die lokalen Schmankerl, die der Gast erwartet, das trifft dann auch den Tourismus:
44 Prozent der Urlauber, die im Sommer in die Steiermark reisen, wollen wandern oder bergsteigen. Hafellner wünscht sich von der Politik Unterstützung und von den Behörden, ihren möglichen Spielraum auszuschöpfen. „Wer auf einer Hütte Lebensmittel erzeugt, hat ähnliche Auflagen wie eine große Molkerei – das macht uns Sorge“, betont Hafellner. Der steirische Agrarlandesrat Johann Seitinger, ÖVP, fordert ebenfalls „pragmatische Lösungen“: „Wir müssen die Sorgen der Almbauern ernst nehmen. Für trostreiche Worte ist es zu spät.“
Die Almwirtschaft ist nach dem Tiroler Kuh-Urteil auch an einer anderen Front in Frage gestellt worden. Die unsichere Rechtslage hat bereits zu ersten Wegsperren geführt. Die Wege auf Österreichs Hütten und Almen sind heuer aber auch vielfach durch die Natur versperrt. Herbststürme und der schneereiche Winter haben massive Schäden auf Wanderwegen verursacht.
Wie groß die sind, wird nun sichtbar. „Das wird teuer“, hatte Peter Kapelari, Hütten- und Wegereferent des Österreichischen Alpenvereins bereits im Mai befürchtet. Er sollte recht behalten.
300.000 Euro für Wege
„Heuer müssen wir für die Instandsetzung der Wege mit zusätzlichen Kosten in Höhe von 300.000 Euro rechnen“, sagt Kapelari. Schneedruck und Lawinen haben Brücken und Geländer zerstört, Muren Hänge weggerissen. Der Druck von Meter hohem Schnee hat auch zahlreiche Hütten des Alpenvereins beschädigt. In Vorarlberg ist die Totalphütte nach einem Lawinenabgang ein Totalschaden. Kosten: zwei Millionen Euro.
Die Ereignisse ziehen sich durch ganz Österreich. Der Rekordwinter hat auch in Niederösterreich wesentlich mehr Schäden verursacht. „Aufgrund des Schneedrucks mussten etwa viele Zäune erneuert werden. Der Arbeitsaufwand war gleich um ein Drittel höher als nach normalen Wintermonaten“, schildert August Bittermann, Geschäftsführer des niederösterreichischen Alm- und Weidewirtschaftsvereins. Auch wenn es von Seiten des Landes großzügige Förderungen geben würde, hätten die Bewirtschafter der 74 Almen und 37 Gemeinschaftsweiden bei den Erneuerungen mit immer höheren Transport- und Materialkosten zu kämpfen.
Warten auf Kuh-Urteil verunsichert: Zwei Wanderwege wurden für Hunde bereits gesperrt
„Wir warten selbst ganz gespannt“: So werden seit Wochen Anfragen in den Anwaltskanzleien der Streitparteien rund um das inzwischen berühmte Kuh-Urteil beantwortet. Wie mehrfach berichtet, wurde ein Tiroler Landwirt im Februar zu Schadenersatz- und Rentenzahlungen in Höhe von beinahe 500.000 Euro verurteilt.
Seine Mutterkuh-Herde hatte 2014 im Stubaier Pinnistal eine deutsche Wanderin zu Tode getrampelt. Der Witwer der Frau klagte. Und bekam in einem Zivilprozess am Innsbrucker Landesgericht in erster Instanz recht. Der Anwalt des Bauern legte Rechtsmittel ein. Seither wird auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Innsbruck gewartet.
Mit einer Entscheidung sei „auf jeden Fall vor September“ zu rechnen, hat ein OLG-Sprecher nunmehr versichert. Die Verunsicherung bei Almwirtschaft und Tourismus könnte sich somit aber über den Almsommer bis in den Wanderherbst ziehen.
In Schladming hat die unklare Lage bereits Folgen gezeitigt. Zwei Wanderwege sind für Hunde gesperrt worden. Sie gelten für Mutterkuh-Herden als Reizauslöser. Bei fast allen Attacken – auch bei zwei tödlichen in Tirol – waren die Wanderer mit Hunden unterwegs.
Der Nationalrat hat am Dienstag neue Haftungsregeln für Almen beschlossen und Verhaltensmaßregeln für Wanderer mit Hunden ausgegeben. Darin heißt es unter anderem, dass die Begegnung von Mutterkühen und Hunden vermieden werden sollten.
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