Behörde entwaffnet Polizeibeamte

Nur in Ausnahmefällen gibt es derzeit Waffenpässe
Trotz erhöhter Gefahrenlage durch Terrorismus dürfen Polizisten in ihrer Freizeit keine Waffe führen.

Der Staatsschutz hält Polizeibeamte für ein potenzielles Anschlagsziel der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS). Obwohl das Innenministerium, wie am Freitag im KURIER berichtet, bereits mehrmals alle Landespolizeidirektionen vor der erhöhten Gefahrenlage für Beamte gewarnt hat, weigern sich die Verwaltungsbehörden in allen Bundesländern nach wie vor, Polizisten Waffenpässe für ihre private Sicherheit auszustellen. Selbst Beamten von Sondereinheiten wie Cobra oder WEGA wird nicht zugetraut, abseits des Dienstes eine Faustfeuerwaffe mitzuführen. Besonders kurios: Sogar ein Terroristenjäger des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist dieser Tage mit seinem Antrag auf einen Waffenpass abgeblitzt.

Sicherheitsgefühl

Mit der Flüchtlingskrise ist auch das Sicherheitsgefühl in Österreich deutlich gesunken. 2015 wurden fast doppelt so viele neue Waffenbesitzkarten ausgestellt (11.290) wie in den Jahren davor. Stark rückläufig ist hingegen die Zahl der neu ausgestellten Waffenpässe (berechtigt zum Führen einer geladenen Faustfeuerwaffe). 2010 wurden noch 2458 neue Waffenpässe genehmigt, 2014 waren es 1771 und 2015 nur noch 1447. Der Grund ist ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) aus dem Jahr 2011, nachdem sich ein Vorarlberger Polizist den psychologischen Test für die Ausstellung eines Waffenpasses ersparen wollte. Er war der Meinung, dass sein Beruf Verlässlichkeitsnachweis genug wäre.

In der Urteilsbegründung erwähnte der VwGH nebenbei, dass Polizisten außer Dienst nicht um jeden Preis in Gefahrensituationen einschreiten müssten, sondern aus Gründen der Zumutbarkeit ihre diensthabenden Kollegen alarmieren sollten. Diese Aussagen sind allerdings im Bescheid "obiter dictum" (lateinisch für "nebenbei Gesagtes"). "Die Behörde bezieht sich seit geraumer Zeit auf dieses Urteil. Allerdings wird es fälschlicherweise völlig fehlinterpretiert", sagt der Wiener Rechtsanwalt und Waffenrechts-Experte Raoul Wagner. Der Jurist vertritt aktuell bereits mehr als 60 Polizeibeamte, die zum Eigenschutz und aus Sorge vor der steigenden Terrorgefahr Waffenpässe bei den zuständigen Landespolizeidirektionen, Bezirkshauptmannschaften oder Magistraten beantragt haben.

In keinem einzigen Fall wurde der Antrag genehmigt. Stattdessen antworteten die Behörden damit, das vorzulegen sei, in welcher Weise eine "besondere Gefährdung" des Antragstellers vorliege. "Ich glaube, niemand dieser Herren und Damen an den Verwaltungstischen liest Zeitung oder hört die Nachrichten. Selbst unser Dienstgeber warnte bereits mehrmals davor, dass Polizisten zum Ziel terroristischer Angriffe werden können", sagt ein betroffener Beamter der Landespolizeidirektion Wien.

Aufruf zur Ermordung

Laut Wagner darf die Behörde ihre Augen vor der aktuellen Entwicklung nicht mehr verschließen: "Es wird völlig ignoriert, dass die Terrororganisation IS zur Ermordung von Polizisten aufgerufen hat". Das Innenministerium informierte alle Beamten in einem Schreiben, dass die Gefahrenlage auch den privaten Bereich treffe und auf die Eigensicherung besonderer Wert zu legen ist.

Laut Wagner könnte die Bundesregierung das Problem mit einem Ausnahme-Erlass zum Waffengesetz im Sinne aller Polizeibeamten lösen.

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