Begabtenförderung in der Schule: Kleine erklären Großen Mathematik

Katharina weiß, was Dreiecke mit Architektur zu tun haben und warum sie beim Bau des Eiffelturms so wichtig waren.
An der Volksschule Oskar-Spiel-Gasse tauschen Kinder, Lehrer und Eltern die Rollen. Schülerinnen und Schüler vermitteln anschaulich komplexe Themen aus der Welt der Formeln

Aufgeregt sitzen die Kinder der Volksschule Oskar Spiel-Gasse im 19. Wiener Gemeindebezirk an ihren Plätzen und warten gespannt auf ihre Gäste. Noch ist niemand da, außer die beiden Klassenlehrerinnen der 3B und die Leiterin der Begabtenförderung Julia Frischauf.

Die Buben und Mädchen sind bestens vorbereitet, den Besuchern den Satz von Thales, die Kraft der Dreiecke oder die Kunst der Parabeln zu erklären. Sie wollen ihr gelerntes Wissen endlich weitergeben. Eltern, Bekannte und Mathematikprofessor Rudolf Taschner betreten endlich den Raum.

Der Stationenbetrieb beginnt: An neun Tischen vermitteln die Kinder je ein mathematisches Thema. Schnell fällt auf, dass die Schülerinnen und Schüler nicht einfach nur einen Monolog führen und Frontalunterricht machen, sondern ihre Gäste zum Denken auffordern, damit sie selbstständig auf die Lösung kommen. Nur so begreift man.

Mathematik für die Architektur

Die neunjährige Barana wusste bei den Vorbereitungen sofort, dass sie die Leonardos Brücke erklären möchte. Selbstbewusst erzählt sie, dass das Universalgenie Leonardo da Vinci 1492 in der Toskana zur Welt kam, bevor es zur Sache geht und sie eine Mutter auffordert, mit ihr gemeinsam die Leonardo-Brücke zu bauen. Diese soll ausschließlich aus dünnen Holzstücken bestehen und ganz ohne Klebstoff oder anderen Hilfsmitteln zusammenhalten. Gekonnt fügt sie die einzelnen Hölzer zusammen. Das Kombinieren von Zahlen hat Barana schon immer Spaß gemacht.

Begabtenförderung in der Schule: Kleine erklären Großen Mathematik

Barana baut Leonardos Brücke

Katharina am Nachbartisch lässt die Gäste hingegen lieber Dreiecke addieren, die in einem Dreieck versteckt sind. Gebraucht wird das Wissen in der Architektur und das Mädchen nennt als Beispiel den Eiffelturm.

Gaußsche Summenformel 

An der nächsten Station sitzt Julia. Sie beginnt die weltbekannte Geschichte von Carl Friedrich Gauß zu erzählen: Als Volksschüler sollte er die Summe aller Zahlen von eins bis hundert addieren. In Rekordzeit hat er die Summenformel entwickelt, die damals noch niemand entdeckt hatte, auch nicht sein Lehrer. Wie er auf diese Formel gekommen ist? Julia hilft dem Gast auf die Sprünge.

Begabtenförderung in der Schule: Kleine erklären Großen Mathematik

Jedes Kind hat eine Station und wartet aufgeregt darauf, mit seinem Wissen zu punkten und es weiterzugeben

Die Kinder behandeln ausschließlich Themen, die normalerweise erst in höheren Schulstufen unterrichtet werden. Stellt sich die Frage: Sind die Kinder so intelligent, um schon in jungem Alter komplexe Inhalte zu verstehen oder unterrichtet die Kursleiterin Julia Frischauf so gut? „Ich erkläre die Inhalte eben so vereinfacht und spielerisch, dass sie verstanden werden“, erläutert der Begabungscoach. Aber es ist wohl nicht nur das: Alle alle Kinder haben hier eine große Leidenschaft für Mathematik.

„Die Expertentische finden immer im Juni statt und sollen den Begabungs- und Begabtenförderungskurs, der ein Schuljahr dauert, abschließen“, sagt Direktorin Gabriele Riefler. So sollen Schülerinnen und Schüler ihre Stärken entwickeln. Die Pädagogin ist überzeugt, dass es an jeder Schule solche Kurse geben sollte, denn die Förderung der Stärken wirkt sich positiv auf die Persönlichkeit aus.

Kurse in fast jedem Fach

„Der eine tut sich mit Zahlen leicht, der andere spielt gerne Theater oder schreibt gerne Geschichten. Jeder hat Talente“, ist die Direktorin sicher. Genau so ist es auch bei Frischaufs Lehrgängen: Alle Kinder, nicht nur hochbegabte, haben deshalb die Möglichkeit, einen Kurs bei ihr zu beginnen, wenn nicht in Mathe, dann zum Beispiel in Deutsch.

Frischauf glaubt zu wissen, warum Mathematik bei vielen ein mulmiges Gefühl auslöst. „Viele glauben es gibt nur richtig oder falsch. Doch so wie tausend Wege nach Rom führen, gibt es eben in Mathematik viele Möglichkeiten, auf eine Lösung zu kommen.“ Rudolf Taschner, der in seinen Vorträgen Mathematik greifbar macht, weiß dass das Fach sehr trocken sein kann. Deshalb verpackt er komplexe Themen in spannende Geschichten.

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