Im April will die Tiwag nun überarbeitete Pläne für die Erweiterung des Kraftwerks samt Überflutung des Platzertals, gegen die mehrere Naturschutzorganisationen Sturm laufen, zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) einreichen.
Ausbau für WWF "unverantwortlich"
Für WWF-Experte Maximilian Frey sind die möglichen Naturgefahren, die mit dem Ausbau verbunden sind und die durch den Klimawandel verschärft werden, aber nicht ausreichend berücksichtigt. Ein Festhalten am Ausbau sei „unverantwortlich.“
Das betrifft für ihn nicht nur die Felswände neben dem Stausee, die durch auftauenden Permafrost noch brüchiger werden könnten, so die Sorge. Eine vom WWF beim Schweizer Glaziologen Wilfried Haeberli in Auftrag gegebene Studie zeigt noch eine weitere Gefahr auf.
Neue Gletscherseen
Der Forscher der Universität Zürich mahnte am Montag bei einem Hintergrundgespräch, dass bei Infrastrukturprojekten im sich klimabedingt rasant verändernden Hochgebirge, „Naturgefahren jenseits historischer Erfahrungen in Betracht gezogen werden“ müssten.
„Große Sturzereignisse nehmen zu“, so Haeberli mit Verweis auf mehrere größere Ereignisse in jüngster Zeit.
Er warf im Zuge seiner Analyse auch einen Blick auf die im Einzugsgebiet des Gepatschspeichers weiter hinten im Tal liegende Gletscherlandschaft. Dort könnten laut dem Forscher in den kommenden Jahrzehnten im Zuge der Schmelze zwei bis drei Seen entstehen, einer davon bereits bis zur Jahrhundertmitte.
Flutwelle wäre rasend schnell im Stausee
Kommt es hier zu einem Felssturz aus einer der angrenzenden Permafrostflanken, könnte eine Flutwelle entstehen, „die innerhalb kürzester Zeit den Gepatschstausse erreichen könnte“.
Wie schnell große Seen im Zuge des Abschmelzens von den Eispanzern in unseren Bergen entstehen können, hat vergangene Woche auch der Gletscherbericht des Alpenvereins wieder gezeigt. Unterhalb des Großglockners hat die schrumpfende Pasterze inzwischen einen See hinterlassen, der seit 1994 von 0,2 auf fast 50 Hektar gewachsen ist.
Haeberli ist einer der Autoren einer kürzlich veröffentlichten Studie zu einer Naturkatastrophe, die sich 2023 im Himalaya ereignet hat. Dabei stürzten im indischen Sikkim 14,7 Millionen Kubikmeter gefrorenes Moränenmaterial in den südlichen Lhonak-Gletscherssee und lösten damit eine bis zu 20 Meter hohe Flutwelle aus.
50 Millionen Kubikmeter Wasser wurden frei. Die Massen zerstörten Kraftwerksanlagen sowie rund 25.000 Häuser. Mindestens 55 Menschen starben.
Auch wenn die Dimensionen im Kaunertal andere sind. Der Glaziologe mahnt, „dass die klimagesteuerte Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten im Einzugsgebiet der bestehenden und geplanten Speicher des Kaunertals und Platzertals sorgfältig analysiert werden muss.“
Bis jetzt nicht am Radar
Die mögliche Bildung von Gletscherseen oberhalb des Gepatschspeichers war bei den Planungen zur Erweiterung der Kraftwerksgruppe „kein Thema, das bisher Niederschlag gefunden hat“, sagt Tiwag-Projektleiter Wolfgang Stroppa auf Anfrage.
Sollte es zu dieser Entwicklung kommen, könne man aber entsprechende Maßnahmen setzen, ist er überzeugt. Für beherrschbar hält Stroppa auch die Hänge neben dem Stausee, auch im Falle eines Ausbaus. „Wir sehen das primär nicht als Gefahr, sonst hätten wir ja schon mit der Bestandsanlage ein Problem“.
Genau das glaubt Frey vom WWF, der nicht nur einen Stopp der Ausbaupläne fordert, sondern auch „eine unabhängige Überprüfung des bestehenden Kraftwerks“.
Die Tiwag betont: "Die Sicherheit der Bevölkerung im Kaunertal ist auch künftig gewährleistet und der Speicher Gepatsch bleibt auch mit dem neuen Pumpspeicher Versetz sicher."
Ständige Messungen
Regelmäßige Begehungen und ein dichtes Netz aus Messgeräten, die regelmäßig abgelesen werden und ihre Daten rund um die Uhr übermitteln, würden dafür sorgen, dass der Zustand des Speichers Gepatsch laufend überwacht wird.
Zudem wird verischert: "Die Belastungen auf die Speicherhänge durch den Auf- und Abstau im Gepatschspeicher werden durch den Pumpspeicher Versetz im Vergleich zum heutigen Betrieb nicht erhöht." Genau diese Befürchtungen haben die Gegner des Projekts.
Grüne orten Geheimniskrämerei
Die Tiroler Grünen fordern indes, "die Gutachten der TIWAG zum Gepatschspeicher und zum geplanten Speicher Platzertal offenzulegen". Das habe man erst vergangenen Donnerstag im zuständigen Landtagsausschuss beantragt, so Klubobmann Gebi Mair. Die Koalitionspartner ÖVP und SPÖ hätten das jedoch abgelehnt.
„Bei der Information der Öffentlichkeit mit relevanten Daten herrscht hier immer noch die alte Geheimniskrämerei vor“, kritisiert Mair.
Warum mit Gutachten hinter dem Berg gehalten wird, argumentiert Stroppa damit, dass "wir noch nicht wissen, ob das die letztgültigen sind". Mit Einreichung der UVP-Unterlagen würden diese im Autrag der Behörde von Sachverständigen überprüft. Es könne sich dann noch etwas ändern.
Was die durch den Klimawandel veränderten Bedingungen in den Hängen des Gepatschspeichers betrifft, "sind in den neuen Unterlagen die Ereignisse der letzten Jahre miteingeflossen." Dazu gehörten etwa neue Messdaten.
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