Bayern gegen Österreich: Eine Fehde in aller Freundschaft
Sie sollen sich schon begegnet sein und durchaus verstanden haben. Ein offizielles Zeugnis für ein Zusammentreffen des seit 2018 amtierenden bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gibt es bisher nicht.
Kommuniziert wird vorrangig über die Medien. Dort der um Selbstinszenierung nicht verlegene Söder. Hier der ebenfalls nicht markige Worte scheuende Platter. Bei allen wechselseitig ausgerichteten Unfreundlichkeiten, wird stets auch die Freundschaft betont, die über die Grenze hinweg verbinde.
Verhaltensauffällig
Etwa wenn Bayerns Ministerpräsident diese Woche von einem Skiurlaub in Österreich – und Tirol im Speziellen – abgeraten hat. Die von Platters schwarz-grüner Landesregierung für den Winter verordneten Fahrverbote seien „Verhalten, das Freunde einfach nicht tun sollten“.
Am engsten sind die Bande zwischen Bayern und seinem österreichischen Nachbarn dort, wo man sich räumlich wie sprachlich und kulturell am nächsten steht: Entlang der Grenze zu Tirol, Salzburg und Oberösterreich.
Wahlkampfhilfe
Auch jenseits dieser Regionen verstehen sich bayerische CSU und ÖVP als Schwesterparteien. Zuletzt etwa gesehen, als Sebastian Kurz sich vor einem Jahr – damals noch VP-Bundeskanzler – als Helfer in Söders letztlich missglücktem Landtagswahlkampf versuchte.
CSU-Wahlkampf-Abschlusskundgebung
Söders Vorgänger und nunmehriger deutscher Innenminister Seehofer war mit von der Partie
CSU-Wahlkampf-Abschlusskundgebung
Der rigide Kurs in Migrationsfragen einte
Die Liebesbeziehung zwischen Österreich und Bayern hat in der jüngeren Vergangenheit jedoch immer wieder Risse bekommen. Mit der Freundschaft vorbei ist es stets, wenn es um Vor- bzw. Nachteile für die eigenen Leute geht – oder in Bayern um Frächter und Autofahrer.
„Der bayerische Löwe“
Gerät man sich in die Haare, sind Pathos und Klischee meist schnell bei der Hand. So wanderte Tirols Landeshauptmann zum Beispiel im Sommer des Vorjahres auf dem Erzählstrang der biblischen Legende von David und Goliath, dem Kampf des Kleinen gegen den Großen.
„Der bayerische Löwe brüllt, der Tiroler Adler lässt sich jedoch nicht beeindrucken“, tönte Platter, der politisch gerne auch in anderen Konfliktfeldern das Klischee des sturen Tirols bemüht. Das bayerische „Mia san mia“ ist da nicht weit weg. So weit wieder das Verbindende in Mentalitätsfragen.
Als verbindend gelten eigentlich Straßen und Schienen. Doch gerade die sind es, die inzwischen entzweien.
Autos aus dem Norden
Deutsche und Bayern kommen nicht nur gerne zum Urlaub nach Österreich, sie fahren dafür im Sommer auf dem Weg nach Italien oder Kroatien auch gerne durch. Die wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen führen dabei durch Tirol über den Brenner und durch Salzburg über die Tauernautobahn (A10).
Beide Bundesländer sind im Sommerreiseverkehr Stau-Spitzenreiter in Österreich.
Damit neben den Autobahnen und anderen Hauptverbindungsrouten Stauflüchtlinge nicht auch das Verkehrschaos in Gemeinden entlang dieser Hauptverbindungen tragen, haben Salzburg und Tirol auf Notfallmaßnahmen gesetzt.
In Tirol wurden heuer erstmals Abfahrverbote erlassen. 27.000 Fahrzeuglenker, die von Navis gelenkt Schleichwege befahren wollten, schickte die Polizei wieder zurück.
Deutschlands Verkehrsminister Andreas Scheuer, CSU-Politiker und Bayer wie seine Amtsvorgänger, warf Platter „eine richtige Politkampagne“ vor. Und drohte – unterstützt von Söder – mit Klagen.
Abfahrverbote gab es an Reisewochenenden im Sommer auch entlang der Salzburger A10.
Die scharfen Töne aus dem Norden blieben aber aus. Denn die Maßnahmen waren zuvor im Paket mit einem „Pakt mit den Bayern“ kommuniziert worden.
Trennende Grenze
Dieser Pakt bestand daraus, dass Salzburg darauf verzichtete, wie angedroht, Ausweichverkehr direkt in bayerische Gemeinden zu leiten. Umgekehrt baute Deutschland am Walserberg eine dritte Spur für die dort durchgeführten Grenzkontrollen.
Und damit ist bereits ein im wahrsten Sinne trennendes Element in den Nachbarbeziehungen angeschnitten.
Seit September 2015 führt Deutschland an der bayerischen Grenze zu Österreich Grenzkontrollen an den Autobahnübergängen Kiefersfelden/Kufstein (Tirol), Walserberg (Salzburg) und Suben (OÖ) durch. Dazu kommen noch stichprobenartige Kontrollen an kleineren Übergängen.
Der deutsche Innenminister und Ex-Ministerpräsident Bayerns, Horst Seehofer, (CSU) verlängerte die Kontrollen erst kürzlich erneut um ein halbes Jahr.
Auch hier brachte Platter den Konflikt wieder auf den Punkt. „Der größte Stau, den wir haben, ist durch die Grenzkontrollen, die absolut nicht nötig sind“, sagte er nach Söders Aufruf zum Urlaubsboykott.
Warenverkehr
Staus produziert Tirol auch mit seinen Lkw-Blockabfertigungen an der Grenze. Jedoch in Bayern. Es ist eine von vielen Maßnahmen im Kampf gegen den Transitverkehr, in dem Deutschland Tirol bisher weder mit einer Erhöhung der Maut auf seinen Straßen noch anderweitig entgegengekommen ist.
Bayern ist noch dazu säumig mit dem Bau einer Bahn-Zulaufstrecke für den Brenner-Basistunnel, der nach Fertigstellung 2028 Lkw-Güterverkehr von der Straße wegschlucken soll. Wegen Einschränkungen des freien Warenverkehrs drohen Bayern über den Umweg Berlin immer wieder mit Klagen.
Gekippte Maut
Mit einer solchen war zuletzt jedoch Österreich erfolgreich. Das brachte die deutschen Pläne für eine Ausländermaut – einst von Bayern forciert – zu Fall. Mehr als nur ein Nadelstich.
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