Bangen um zweifachen Familienvater

Al-Ghani wird von österreichisch-maltesischer Firma Vaos betrieben.
Ex-UNO-Soldat aus Linz offenbar in Händen von IS-Kämpfern. Er war Manager des Ölfeldes Al-Ghani.

Im Krisenstab des Wiener Außenministeriums ist man sich mittlerweile ziemlich sicher: Der Linzer Dalibor S. (39) dürfte in den Händen von Milizen in Sirte sein, die dem Islamischen Staat (IS) zugerechnet werden. Es könnte sich dabei sogar um die Gruppe handeln, die 21 koptische Christen entführt und anschließend geköpft hat.

Bangen um zweifachen Familienvater
APA12439896-3 - 23042013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 376 AI - Michael Linhart, neue Generalsekretär im Aussenministerium, aufgenommen am Dienstag, 23. April 2013, in Wien. APA-FOTO: DRAGAN TATIC
"Es gibt derzeit zwei Varianten: Wenn wir schnell etwas hören, dann wird es etwas Schlechtes sein. Je länger alles dauert, desto eher kann es eine gute Nachricht sein", heißt es aus dem Umfeld des Krisenstabes. Denn eine mögliche Inszenierung einer Tötung wäre innerhalb von Tagen oder Stunden möglich, Entführungen mit Verhandlungen ziehen sich in diesen Regionen meist über mehrere Monate. Etwas Hoffnung bringt auch ein vergleichbarer Fall: Vor einem Monat wurden drei philippinische Arbeiter entführt – von diesen gibt es bis dato keine Todesmeldung.

Ex-Unteroffizier

Dalibor S. hat eine Ausbildung als Unteroffizier des Bundesheeres und war für die UNO als Blauhelm in Ex-Jugoslawien im Einsatz. Später wechselte er zum maltesisch-österreichischen Unternehmen Vaos als Manager für das Al-Ghani-Ölfeld. 116 Arbeiter aus 13 Nationen sind unter ihm beschäftigt.

S. hat einen Sohn und eine Tochter im Alter von etwa 10 und 12 Jahren, die aber bei der Mutter in Wien leben. Zuletzt war Dalibor S. vor rund einer Woche in Linz. "Er ist so ein netter Kerl und hat ganz liebe Kinder", berichtet ein Nachbar.

Der Krisenstab in Wien unter der Leitung von Michael Linhart, dem Generalsekretär des Außenamts, ist seit Freitag eingesetzt. Auch Spezialisten des Bundesheeres und des Innenministeriums sind in den Fall involviert. Bei dem Überfall auf das Al-Ghani-Ölfeld wurden acht Sicherheitsleute erschossen und drei geköpft. 56 Arbeiter (darunter kein weiterer Österreicher) konnten dabei unverletzt flüchten. Von neun Personen – darunter Dalibor S. und ein Tscheche – fehlt jede Spur. Ob der Ex-Soldat versucht hat, am Kampf gegen die IS-Miliz teilzunehmen, ist unklar. Die Meldungen aus dieser Region sind spärlich und teilweise widersprüchlich.

Während Tschechien bereits überlegt, alle Staatsbürger aus Libyen auszufliegen, ist ähnliches in Österreich nicht angedacht. "Wir haben bereits im August unsere Botschaft geschlossen und eine Reisewarnung ausgesprochen", erklärt Außenamtssprecher Martin Weiss.

Inoffiziellen Quellen zufolge befinden sich derzeit noch rund 25 Österreicher in Libyen. Diese sind alle für Öl-, Sicherheitsfirmen oder ein medizinisches Unternehmen im Einsatz. "Wer jetzt noch dort ist, der weiß auf was er sich einlässt und bekommt viel Geld dafür", meint ein Sicherheitsexperte.

Eines dieser Unternehmen ist Vaos, der Betreiber des überfallenen Ölfeldes. Die Firma wurde in den 80er-Jahren als diskrete Abteilung der Voest gegründet und ist seit 1997 im Besitz der damaligen Manager – darunter vor allem Österreicher.

Der Arabische Frühling mit dem Sturz und Tod von Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 endete in Libyen mit einer Katastrophe: Zwei verfeindete Regierungen kämpfen erbittert um die Macht, zahlreiche Milizen mischen mit. Die Wirtschaft ist schwer getroffen, große Teile der Bevölkerung sind geflüchtet. Dieses Chaos ist der ideale Nährboden – so wie auch im Bürgerkriegsland Syrien und im nie zur Ruhe kommenden Irak – für die radikal-sunnitische Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Eine der libyschen Milizen, der „Schura-Rat der Jugend des Islams“ in der ostlibyschen Küstenstadt Derna, schwor dem IS bereits Ende Oktober die Treue. Die libyschen Dschihadisten gehen auch nach dem Vorbild der IS-Milizen im Irak und Syrien vor und erkämpfen sich stetig neues Terrain. Mittlerweile hält diese IS-Zelle auch in der Stadt Sirte – der Heimatstadt Gaddafis – ihre Stellungen. Sie verübt regelmäßig Anschläge auf Ölfelder und zeichnet für die Enthauptung von 21 entführten ägyptischen Kopten verantwortlich. Entsprechend groß ist die Sorge um den vermissten Oberösterreicher (siehe oben).

Im Küstenstreifen zwischen Derna und Sirte liegen die wertvollen Ölhäfen des reichen Wüstenstaates. Daher laufen hier auch fast alle Ölleitungen aus dem Landesinneren zusammen.

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