Der stille Tod vor aller Augen: 44 Ertrunkene im Jahr 2024

Zu gleich vier schweren Badeunfällen innerhalb weniger Stunden kam es vergangenen Sonntag in Wien. Am Mittwoch überschlugen sich die tragischen Meldungen erneut: Ein achtjähriges Mädchen, das am Sonntag unter den Verunglückten war, ist nun im Spital gestorben.
Gleichzeitig wurde die Suche nach einem 80-Jährigen, der am Montag beim Schwimmen in einem Tiroler Badesee unterging und aufgrund der schlammigen Bedingungen noch nicht geborgen werden konnte, fortgesetzt.
Die tragischen Fälle zeigen eines: Wenn am Donnerstag die Hitzewelle ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht und die Massen Richtung kühles Nass strömen, sollten die Gefahren an Pool, See oder Fluss keinesfalls unterschätzt werden. „Ertrinken ist ein lautloser und sehr schneller Tod“, warnt Karmen Kreidl von der Österreichischen Wasserrettung.
Wohl auch deshalb handle es sich um die häufigste nicht natürliche Todesursache bei Kindern.
Aufsicht
Kinder sollten im Wasser nie aus den Augen gelassen werden – weder in Pools noch in Seen oder Flüssen. Bei Babys und Kleinkindern reichen schon Gewässer mit einer Tiefe von zehn Zentimetern zum Ertrinken.
Sicherheitstest
Bevor Kinder ins Wasser gehen, sollte geklärt werden, ob sie sich eine Minute an der Oberfläche halten und 50 Meter weit schwimmen können.
Vorbereitet sein
Immer wieder kommt es zu Unfällen, bei denen Menschen mit Kleidung im Wasser landen. Sowohl Kinder als auch Erwachsene sollten einmal mit Gewand ins Wasser, um vorbereitet zu sein.
Schwimmhilfen
Aufblasbare Schwimmhilfen können im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden. Diese sollten allerdings immer über einen sogenannten „Panikverschluss“ verfügen, der sich rasch öffnen lässt.
Örtlichkeit kennen
Sollte ein Notruf nötig sein, empfiehlt es sich, das Gewässer und das Ufer zu kennen.
Schlechtere Schwimmer
Auf den ersten Blick mag das überraschen, denn Jahrzehnte hindurch war die Zahl der Ertrunkenen in Österreich stark rückläufig. Seit 2020 steigen die Todeszahlen allerdings wieder leicht. Waren es 2021 noch 33 „tödliche Ertrinkungsfälle“, stieg die Zahl der Todesfälle 2022 auf 37 und lag 2023 schon bei 46. Im Vorjahr starben 44 Menschen beim Baden; heuer sind es bisher 14.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: 137.000 Kinder und Jugendliche in Österreich können nicht schwimmen, wie eine aktuelle Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zeigt. Dazu kommen 493.000 Erwachsene, die sich im Wasser ebenfalls nicht an der Oberfläche halten können. Fehlender Schwimmunterricht in der Schule, mangelnde Infrastruktur und wenig familiäre Schwimmerfahrung zählen laut Sicherheitsexperten zu den Hauptgründen.
Am Mittwoch äußerte sich Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Eva Prischl (SPÖ) zu der Problematik – vor allem drohende Bäderschließungen aus Kostengründen sind ihr ein Dorn im Auge: „Laut über die Schließung von Bädern nachzudenken, halte ich für gefährlich. Denn in der Badewanne kann man nicht schwimmen lernen.“
Ähnlich sehen das Österreichs Wasserretter, die Erwachsene in die Pflicht nehmen: „Kinder im Wasser darf man niemals aus den Augen lassen. Gleichzeitig sollte man die eigenen Fähigkeiten nicht überschätzen oder fahrlässig handeln“, warnt Kreidl, die etwa Alkohol, Übermut oder Gruppenzwang als häufige Unfallursachen nennt.
„Panik ist im Spiel“
Dass immer wieder ältere, prinzipiell gute Schwimmer untergehen, erklärt Kreidl so: „In den meisten Fällen ist Panik im Spiel. Etwa durch unerwartete Wasserpflanzen oder eine Strömung. Ist es dann noch windig, reicht schon eine kleine Welle, um Wasser zu schlucken. Danach kann es schnell gehen.“
Dass die Gefahr allerdings auch am eigenen Grundstück lauern kann, betont der Wiener Oberarzt Thomas Wagner aus der Klinik Donaustadt, der Privatpools als besonderes Risiko sieht: „Da gibt es keine Aufsicht und nicht genügend Sicherung.“ Das sei fatal, denn bereits ab einer Dauer von drei Minuten unter Wasser komme es zu einer Gehirnschädigung.
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