27.000 verletzte Wintersportler müssen jährlich ins Spital. Das Knie ist am häufigsten von Wintersportunfällen betroffen. Gezielte Prävention, passende Ausrüstung und verantwortungsvolles Verhalten mindern viele Risiken.
Marcel Hirscher mag zwar auf der Piste um ein paar Hundertstel schneller sein als der durchschnittliche Hobby-Wintersportler, doch wenn es um die Heilung eines verletzten Kreuzbandes geht, spielt der Leistungssport keine Rolle. "Die Biologie hat uns gelehrt, dass Sportverletzungen ihre Zeit brauchen, um zu heilen – das gilt für den Sonnenskiläufer genauso wie für den Profisportler“, erklärt Manfred Mittermair, Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie am Kardinal-Schwarzenberg-Klinikum in Schwarzach im Pongau.
Täglich 170 Frischverletzte
Pro Saison behandelt seine Abteilung täglich bis zu 170 Frischverletzte aus insgesamt 60 verschiedenen Nationen in Schwarzach im Salzburger Pongau.
Knie sticht Kopf
Zu den häufigsten Verletzungen gehören Verstauchungen, Zerrungen und Brüche, insbesondere an den Knien, gefolgt von Handgelenken und Schultern.
Rund 6.300 Knieverletzungen gehen Jahr für Jahr auf das Konto von Skiern, 5.700 auf das von Snowboardern. Die stürzen oft so, dass sie sich das Knie verdrehen oder das Handgelenk verletzen, wenn sie versuchen, sich abzustützen. „Bei uns im Klinikum sind dennoch etwa 90 Prozent der Verletzten Skifahrer, der Rest sind Snowboarder; ein Viertel der Behandelten sind Kinder“, weiß der Unfallchirurg.
Apropos Kinder: Dank der Einführung der Helmpflicht für Minderjährige bis zum 15. Lebensjahr vor drei Jahren haben Kopfverletzungen in den vergangenen Jahren an Schwere abgenommen. Besonders tückisch sind Kreuzbandrisse, die auftreten, wenn der Ski abrupt stoppt, während der Körper weiter in Bewegung bleibt.
Der Tipp des Experten: "Wirklich erst dann locker lassen, wenn man endgültig zum Stehen gekommen ist. So lassen sich Konzentrationsfehler am besten vermeiden.“
Mehrere Risikofaktoren
Mangelnde Konzentration gepaart mit Ermüdung zählen schließlich zu den häufigsten Ursachen für Sportunfälle. Weitere Risikofaktoren sind fehlende Erfahrung und mangelnde Technik. Anfänger unterschätzen häufig die Herausforderungen auf der Piste, was zu Stürzen und Verletzungen führt. Demgegenüber stehen erfahrene Sportler, mit einer Neigung zum Risiko. "Erhöhte Risikobereitschaft und das Überschreiten der eigenen Grenzen bergen erhebliche Gefahren – auch für geübte Wintersportler“, warnt Mittermair.
"Der Skisport ist auch ein gesellschaftliches Thema, bei dem Eigenverantwortung und Rücksichtnahme eine besonders große Rolle spielen – nicht zuletzt, weil Kollisionen mit anderen Pistenteilnehmern häufig die Ursache für Verletzungen sind“, ergänzt Mittermair. Er rät zu präventiven Maßnahmen vor dem ersten Skiausflug.
Ausreichendes Aufwärmen vor jeder Abfahrt versteht sich von selbst. Bereits vor der Saison sollte man mit Krafttraining beginnen. Auch koordinatives Training spielt eine immer wichtigere Rolle: Es verbessert die Körperstabilität und hilft, schneller neue Bewegungsmuster zu erlernen. Wintersportlern, die sich unsicher fühlen oder länger nicht auf Skiern standen, wird empfohlen, Skikurse zu besuchen, um die grundlegenden Techniken aufzufrischen.
Auch die Ausrüstung ist entscheidend für die Unfallprävention. "Unzureichend präparierte Skier, schlecht sitzende Schuhe und das Fehlen von Sicherheitsausrüstung wie Helm oder Protektoren erhöhen das Verletzungsrisiko erheblich“, so der Experte. Witterungsbedingungen wie schlechter Schnee, Nebel oder eisige Pisten können ebenfalls zu Kontrollverlusten und Stürzen führen. Hier gilt: Vorsichtig sein und im Zweifel lieber auf die Abfahrt verzichten.
Was im OP passiert
Die Behandlung richtet sich nach der Art der Verletzung. Bei Knieverletzungen, die zu den häufigsten zählen, setzt man auf minimalinvasive Verfahren. Dabei werden winzige Schnitte vorgenommen, über die kleinste Instrumente ins Knie eingeführt werden. Mittermair: "Bei Kreuzbandverletzungen achtet man verstärkt auf sogenannte periphere Instabilitäten. Das bedeutet, dass nicht nur die Kreuzbänder versorgt werden, sondern auch Instabilitäten im umliegenden Gewebe. Das führt zu besseren Operationsergebnissen und verringert das Risiko eines erneuten Risses.“
Fakten zum Skifahren
Skifahren gehört zu den populärsten Wintersportarten. Weltweit gibt es etwa 130 Mio. Skifahrer, diese Zahl umfasst Anfänger und erfahrene Skifahrer aller Altersgruppen. 27.000 Wintersportler verletzen sich jährlich auf den heimischen Pisten so schwer, dass sie in einem Spital behandelt werden müssen.
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