Begonnen hat die Aufre(h)gung mit dem zu Jahresbeginn beschlossenen Abschuss. Grund dafür war eine Überpopulation. „Diese ist aus wildökologischer Sicht – Inzucht, Ausbreitung von Wildkrankheiten – immer problematisch. Darüber hinaus stellt sie in Straßenverkehrsnähe grundsätzlich immer eine Gefährdung für Tier und Mensch dar“, erklärt Martina Billing, stellvertretende Bereichsleiterin im Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien, gegenüber dem KURIER.
Ihr Fazit lautet: „Der überwiegende Teil der rund 80 Tiere umfassenden Rehpopulation ist vom Umland isoliert, da stark befahrene Straßen, Wohnhausanlagen oder sonstige Barrieren wie die A23 das Gebiet begrenzen, Handlungsbedarf ist jedenfalls gegeben.“
Doch die Stadt hatte die Rechnung ohne die Kronenzeitung gemacht, die den geplanten Abschuss („Entsetzen über Rehabschüsse“) anprangerte. Der Falter legte nach und schrieb über ein drohendes „Rehmassaker“.
Daraufhin knickten die Verantwortlichen ein. „In Absprache zwischen der zuständigen Behörde MA 58 und dem Bezirksjäger wurde der beantragte Abschuss auf der Vegetationsfläche in Hirschstetten ausgesetzt“, sagt Billing.
Seither wird nach einer Lösung gesucht, sogar eine Wärmebildkamera wurde im Frühjahr zur Zählung eingesetzt, da waren es bereits 62 Tiere. Im Mai und Juni kam Nachwuchs, mittlerweile sind es also mehr.
In sozialen Medien werden seither fleißig süße Rehfotos gepostet, die Initiativen gegen die Lobauautobahn mischen auch mit. Das alles macht die Suche nach einer Lösung nicht einfacher für die Stadt. Denn: Wer will schon Bambi Leid zufügen?
Nun möchte man die Tiere einfangen – mit Gattern, die extra gebaut werden müssten. Die Rehe würden danach in den Lainzer Tiergarten umgesiedelt werden. Doch da regt sich bereits der nächste Widerstand, laut Mein Bezirk befürchten Anrainer und Tierschützer, dass die Rehe den Transport nicht überleben könnten.
Die ganze Geschichte ähnelt immer mehr den Flusspferden des Pablo Escobar. Der kolumbianische Drogenkönig hatte aus Afrika vier Flusspferde auf seine Ranch gebracht. Als Escobar 1993 erschossen wurde, wollte man das gleiche mit den Nilpferden tun. Nach Tierschützerprotesten wurde alles abgeblasen. Man versuchte, sie umzusiedeln und später um 7.000 Euro pro Dickhäuter zu kastrieren. Nach bald dreißig Jahren ist das Problem noch immer ungelöst. Heute leben - je nach Schätzung - bis zu vierhundert Flusspferde in Kolumbien. Kürzlich wurden sie zur invasiven Art erklärt.
Experten suchen derzeit nach Lösungen. Nicht nur bei den Flusspferden, sondern auch bei den Rehen in Wien. Man darf gespannt sein, wer früher fündig wird.
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