Auf Wahrheitssuche bei der Wien Energie
Während der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss im Bund auf der Zielgeraden ist, startet in Wien Ende nächster Woche eine Untersuchungskommission zum „SPÖ-Finanzskandal“ rund um die Wien Energie: Am 2. Dezember findet die konstituierende Sitzung statt. Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was genau wird untersucht?
War bei U-Kommissionen in der Vergangenheit mitunter ein Wirrwarr politischer Verantwortlichkeiten (siehe Grafik) zu klären, wird der Fokus der jetzigen Untersuchung auf zwei Personen liegen: Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ). Sie sind bei der Wien Energie für die Wahrnehmung der Eigentümerrechte und die Ausübung der Anteilsverwaltung zuständig.
Bei Ludwig geht es vor allem um einen Schritt, der nach Bekanntwerden Ende August öffentlich für enorme Aufregung sorgte: Per Notkompetenz hatte der Bürgermeister der Wien Energie zwei Darlehen von je 700 Millionen Euro gewährt. Auch wenn das Geld großteils schon wieder zurückbezahlt wurde: Bis heute ist umstritten, ob das Vorgehen des Stadtchefs, der darauf verzichtete, umgehend Stadtregierung und Gemeinderat zu informieren, rechtmäßig war.
Was wird nicht untersucht?
Die drei unabhängigen Richter, die als Vorsitzende in der Kommission fungieren, haben in einem Gutachten festgestellt, dass zwei strittige Punkte aus dem Antrag gestrichen werden müssen.
Dazu zählt die Untersuchung jenes Vertrags, auf dessen Basis der Bund im August dem Land Wien zwei Milliarden Euro an (letztlich nicht benötigter) Kreditlinien für die Wien Energie gewährte. Die Vorgänge fielen in die Landeskompetenz Wiens – nicht in die Gemeindeverwaltung. Sie können somit nicht von einer U-Kommission des Gemeinderats untersucht werden, dafür bräuchte es einen U-Ausschuss des Landtags. Die Trennung mutet deshalb skurril an, weil Wien Stadt und Land zugleich ist – und in den beiden Gremien Gemeinderat und Landtag die gleichen Mandatare sitzen.
Nicht untersucht werden darf auch die Besetzung der Aufsichtsräte aller städtischen Unternehmen, sondern nur jene der Wien Energie und deren Mutter, der Wiener Stadtwerke.
Rund um diese Punkte gab es wochenlange Kontroversen zwischen der Opposition und dem Gemeinderatsvorsitzenden Thomas Reindl (SPÖ), der für die Organisation der Einsetzung der U-Kommission zuständig ist.
Was ist neu an der jetzigen U-Kommission?
Sie ist die erste nach der erst vor wenigen Monaten beschlossenen Reform, mit der die Rechte der Oppositionsparteien gestärkt wurden. Damit wurden die Regeln zumindest teilweise jenen angepasst, die für einen U-Ausschuss im Nationalrat gelten.
Einige wichtige Neuerungen: Bisher brauchte es 30 der 100 Mandatare, um eine U-Kommission einzusetzen. Nun genügen 25 Stimmen. Um Zeugen zu laden oder um ergänzende Beweismittel anzufordern, war bisher ein Mehrheitsbeschluss in der U-Kommission nötig. Das heißt: Die SPÖ konnte missliebige Anträge blockieren. Nun genügt auch hier ein Viertel der Abgeordneten-Stimmen. Neu ist auch, dass der Vorsitz als Schiedsgremium über strittige Fragen bei der Verfahrensführung entscheidet.
Wer sind die drei Vorsitzenden?
Den Vorsitz wird Martin Pühringer vom Verwaltungsgericht Wien übernehmen. Als seine Stellvertreter fungieren der frühere Präsident des Arbeits- und Sozialgerichts, Einar Sladecek, sowie Regine Jesionek, Senatspräsidentin am Oberlandesgericht Wien. Das Trio wurde aus einem bereits früher festgelegten Pool aus Richtern gelost.
Wie geht die SPÖ mit der U-Kommission um?
Die Spitzen der Rathaus-Roten geben sich fast schon theatralisch tiefenentspannt. Was wohl auch damit zu tun hat, dass sich nach der Krise im August dank der Marktentwicklung die finanzielle Situation der Wien Energie rasch wieder verbessert hat.
Gerne betont man seitens der SPÖ, die U-Kommission könnte der ÖVP noch auf den Kopf fallen, wenn darin auch deren Rolle rund um die Kreditverhandlungen zwischen Wien und Bund zutage komme. Vor allem das Verhalten von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der damals rasch den Vorwurf möglicher Spekulationen erhob, verärgert die SPÖ nachhaltig.
Warum wurde die Einsetzung der U-Kommission von ÖVP und FPÖ, aber ohne die Grünen beantragt?
Das dürfte praktische sowie strategische Gründe haben. So war es für zwei Parteien leichter als für drei, sich auf die Details des Untersuchungsgegenstands zu einigen. Und: Die ÖVP wollte offenbar nicht gemeinsam mit den Grünen gegen die rot-pinke Stadtregierung auftreten, um der SPÖ nicht den Spin zu ermöglichen, die Bundeskoalition attackiere aus politischem Kalkül die Stadt.
Wie lange dauert die Untersuchung?
Maximal zwölf Monate. Aber nicht wie bisher ab Einbringen des Einsetzungsantrags, sondern ab der konstituierenden Sitzung. Mit den Stimmen von 25 Mandataren kann um drei Monate verlängert werden. Ob so viel Zeit für so ein eng gefasstes Untersuchungsfeld nötig sein wird, ist aber fraglich.
Wie läuft die Untersuchung ab?
Die U-Kommission tagt in regelmäßigen Abständen nach einem noch zu bestimmenden Zeitplan in einem Raum im Rathaus. Sie besteht aus den Vorsitzenden und Mandataren der im Gemeinderat vertretenen Partei – gemäß ihrer Mandatsstärke, wobei jede (auch das ist neu) zumindest einen Sitz erhält. Die Sitzungen werden im Wesentlichen für die Befragung der geladenen Zeugen genutzt und erstrecken sich mitunter über den ganzen Tag. Sie sind öffentlich.
Wer wird neben Ludwig und Hanke geladen?
Unklar. Es ist aber fix davon auszugehen, dass Brunner ebenso unter den Geladenen sein wird wie Stadträtin Ulli Sima (die vor Hanke die Wien Energie verantwortete) und die einstige Finanzstadträtin Renate Brauner. Auch die Chefs von Wien Energie und Stadtwerken sowie Experten dürften auf der Liste stehen.
Was könnte das Ergebnis der U-Kommission sein?
Das Problem des Gremiums ist, dass es die Vorgänge innerhalb der Wien Energie selbst nicht untersuchen darf. Somit erhoffen sich Beobachter mehr Erkenntnisse aus der parallel laufenden Prüfung der Causa durch den Stadtrechnungshof und den Rechnungshof.
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