Asylbeamter vor Gericht: Korrupt oder überfordert?

Insgesamt 51 Angeklagte und deren Anwälte waren zum Prozessbeginn am Mittwoch im Landesgericht Wiener Neustadt geladen
Aufenthaltsbewilligungen ohne rechtliche Grundlage vergeben: Beamter bestreitet, Geld dafür kassiert zu haben.

Es ist ein Mammutverfahren nach jahrelangen Ermittlungen, das heute, Mittwoch, am Landesgericht Wiener Neustadt begonnen hat. Im Mittelpunkt steht ein 56-jähriger hochrangiger Beamter des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen tätig war. Zwischen 2014 und 2016 soll er 47 Menschen aus dem Kosovo, aus Serbien und Mazedonien Aufenthaltsberechtigungen ausgestellt haben, für die rechtlich keine Grundlage bestand.

"Kein Geld dafür erhalten"

Nachdem der Mann bisher in den Einvernahmen zu den Vorwürfen eisern geschwiegen hatte, ließ sein Verteidiger Rivo Killer am Mittwoch nun mit der Ankündigung aufhorchen, der 56-Jährige werde sich schuldig bekennen, Aufenthaltstitel ohne rechtliche Grundlage ausgestellt zu haben. Geld hätte er dafür jedoch nicht bekommen. "In keinem einzigen Fall", so Killer.

Vielmehr sei eine Überlastung des gesamten Asylsystems für das Vorgehen seines Mandanten verantwortlich gewesen, behauptete der Rechtsanwalt. Der Angeklagte sei deswegen von Kollegen gebeten worden, Fälle zu übernehmen und beschleunigt zu erledigen. 

Fakt ist, dass Akten von Antragstellern, die unzureichend ausgefüllt waren und in dieser Form keine Aussicht auf Bewilligung gehabt hätten, in der Privatwohnung des Angeklagten gefunden wurden. Er habe sie dort offensichtlich vor Kollegen oder der Dienstaufsicht versteckt, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Ebenfalls belegt: Der Angeklagte litt unter Spielsucht und verlor nach Angaben eines Wettanbieters rund 82.000 Euro. Dass diese Summe durch Bestechungsgelder aufgebracht worden sei, weist der 56-Jährige jedoch zurück.

"Vermittlerin" belastet Angeklagten

Schwer belastet wird der Mann durch die Aussage einer Mitangeklagten. Diese war als Dolmetscherin tätig und gestand, Interessenten für Aufenthaltsbewilligungen an den Hauptangeklagten weitervermittelt zu haben. Gegen die Zahlung von unterschiedlich hohen Summen im Bereich zwischen 3.000 und 8.000 Euro. 500 Euro pro Antragsteller habe sie für sich behalten, der Rest sei an den 56-jährigen Beamten weitergegeben worden. Ihr und dem Hauptbeschuldigten drohen im Fall einer Verurteilung jeweils Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.

Angeklagt sind außerdem drei weitere mutmaßliche Vermittler, die sich jedoch nicht schuldig bekennen, und 47 Personen, die Aufenthaltstitel erhalten haben sollen - unter ihnen 29 Kosovaren. Ihnen wird Bestechung vorgeworfen.

Geplant sind in Summe 16 Verhandlungstage. Das Verfahren soll am 18. Dezember beendet werden.

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