Arzt-Ordinationen: Nur eine Kontrolle in 70 Jahren

Arzt-Ordinationen: Nur eine Kontrolle in 70 Jahren
Rechnungshof kritisiert mangelhafte Überprüfung der Qualitätsstandards in den Arztpraxen

Ein vernichtendes Zeugnis stellt der Rechnungshof der Qualitätssicherung in den Arztpraxen aus. Er hat für den Zeitraum 2013 bis 2016 untersucht, wie die Ordinationen auf die Einhaltung der Qualitätsstandards kontrolliert werden.

Wie schon andere Experten zuvor merken die Prüfer kritisch an, dass sich die Ärzte de facto selbst überprüfen. Denn zuständig dafür ist die ÖQMed, die zur Ärztekammer gehört. Die Qualitätssicherung sei somit nicht klar von der Interessensvertretung getrennt.

Mehr noch: Anhand von Fragebögen beurteilen die Ärzte die Qualität ihrer Ordination selbst, wobei darin selbst so komplexe Fragen wie die Einhaltung von Hygiene-Standards sehr allgemein formuliert sind und simpel mit Ja oder Nein zu beantworten sind. Kurioses Detail: Vorsichtshalber steht bei jeder Antwortmöglichkeit Nein der Vermerk: „Löst einen Mängelbehebungsauftrag aus“.

So verwundert es wenig, dass laut Bericht zwischen 2012 und 2016 nur drei Prozent der Ärzte Mängel anführten. Bei einer stichprobenartigen Überprüfung vor Ort wurden bereits bei 18 Prozent der Ordinationen Probleme festgestellt.

Kleine Stichprobe

Allerdings ist die Zahl der Stichproben verschwindend gering. Sie lag bei 1443 oder 6,7 Prozent. Dies bedeute laut Rechnungshof, „dass – statistisch gesehen – der Besuch einer bestimmten Ordination lediglich alle 14 Evaluierungszyklen und damit alle 70 Jahre“ erfolgen würde. Er empfiehlt die Erhöhung der Kontrollen.

Artur Wechselberger, in der Ärztekammer für Qualitätssicherung zuständig, kann sich das durchaus vorstellen, gibt aber zu bedenken: „Die jetzige Stichprobengröße wurde auf Rat von Statistikern festgelegt“, sagt er zum KURIER. „Es ist fraglich, ob eine deutliche Vergrößerung finanzierbar und umsetzbar wäre und auf die Akzeptanz der Ärzte stoßen würde.“

Laut seinen Angaben würde die größte Zahl der Mängel fehlende Fortbildungszertifikate betreffen, weil diese erst seit kurzem eingefordert würden. „So kam es vor, dass manche Kollegen die Unterlagen nicht zeitgerecht vorweisen konnten. Ansonsten handelte es sich vielfach um kleinere Mängel, die im Zuge der Prüfung behoben werden konnten.“ Mittlerweile habe man laut Wechselberger auch schon die Fragebögen verbessert. In der neuen Version gebe es präzisere Fragen – etwa zum Thema Hygiene.

Bereits seit Jahren kritisieren die Patientenanwälte die mangelhaften Qualitätskontrollen. Der vorliegende Rechnungshof-Bericht ist Wasser auf ihre Mühlen: „Jetzt kann die Kammer nicht mehr behaupten, uns gehe es nur darum, die Ärzte schlechtzureden“, sagt Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz.

Sie fordert die Gesundheitsministerin auf, endlich für eine unabhängige, externe und transparente Kontrolle zu sorgen, die auch die medizinische Ergebnisqualität umfasst. „Kriterien wie Hygiene sind wichtig, der Patient hat aber auch das Recht zu erfahren, wie die Behandlungsqualität bei einzelnen Ärzten aussieht – etwa wie lange es braucht, bis ein Karzinom entdeckt wird.“

Geld

Das koste Geld, räumt Pilz ein, „aber letztlich spart gute Qualität Kosten“. Außerdem sei genug Geld vorhanden: „Die Kammer hat einen millionenschweren Kampffonds. Sie müsste ihre Mittel nur umschichten und etwas weniger in PR-Maßnahmen, dafür mehr in Qualität investieren.“

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) will alle Mängel schnellstmöglich beheben. Aktuell würden alle verfügbaren Studien zum Thema Qualitätssicherung evaluiert. Erst vor kurzem habe ein Runder Tisch mit Kammer, Patientenanwalt und Hauptverband zum Thema stattgefunden. Anlass war eine IHS-Studie, die, wie berichtet, zu einem ähnlichen Befund wie der Rechnungshof gekommen war. Weitere Termine sollen folgen.

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